Long COVID macht das Denken langsamer31. Oktober 2023 Symbolbild.©DonkeyWorx-stock.adobe.com Charakteristisch für die Aufmerksamkeits- und Konzentrationsprobleme bei Long COVID ist eine verlangsamte Informationsverarbeitung. Mit diesem Ergebnis können neuropsychologische Studien des Universitätsklinikums Jena die von Betroffenen oft berichtete kognitive Beeinträchtigung objektiv belegen. Damit wird auch eine Zielgröße für therapeutisches Training und ein Kriterium für die Effektivität von Therapieansätzen aufgezeigt. Als eine der ersten Kliniken bundesweit richtete das Universitätsklinikum Jena (UKJ) eine interdisziplinäre Ambulanz für Post-COVID ein. Es meldeten sich viele Patienten, die zwar von der Infektion mit SARS-CoV2 genesen waren, sich aber noch nicht gesund fühlten. Ein Großteil der Betroffenen kann nur eingeschränkt oder gar nicht mehr berufstätig sein. Weil über die Hälfte auch über Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen klagten, ist das Gedächtniszentrum des UKJ von Beginn an in die Betreuung einbezogen. Das multidisziplinäre Team des Zentrums kommt aus den Bereichen Neurologie, Psychiatrie, Neuropsychologie, Ergotherapie und Sozialarbeit. Es verfügt über ein umfassendes Instrumentarium für die Diagnostik. So lassen sich mit neurokognitiven Tests verschiedene Aspekte der kognitiven Leistungsfähigkeit, wie Gedächtnis, sprachliche Leistungen, die Verarbeitungsgeschwindigkeit oder die Fähigkeit zu priorisieren, objektiv erfassen. „Daraus ergeben sich Muster, die typisch sind für verschiedene neurologische Erkrankungen“, erklärt Prof. Kathrin Finke, die psychologische Leiterin des Zentrums. „An diesen Signaturen können wir zum Beispiel zur Abgrenzung unterschiedlicher beginnender Demenzen von Depressionen beitragen oder verschiedene Syndrome nach Schlaganfällen klassifizieren. Uns interessierte natürlich, ob auch Long COVID ein typisches Defizitprofil hat.“ Objektiver Nachweis für mentale Fatigue Deshalb untersuchten die Wissenschaftler die kognitive Leistungsfähigkeit von 40 Post-COVID-Patienten mit subjektiv anhaltenden kognitiven Defiziten nach COVID-Infektion. Die Forschenden verglichen die Ergebnisse mit denen von 40 gesunden Kontrollpersonen mit entsprechendem Alter, Geschlecht und Bildungsgrad. Alle Teilnehmenden durchliefen unter Laborbedingungen einen computerbasierten Test, bei dem sie kurzzeitig präsentierte Buchstaben erfassen und benennen sollten. So können verschiedene Aufmerksamkeitsfunktionen mit großer Genauigkeit bestimmt werden. “Dabei stellten wir fest, dass die Post-COVID-Patientinnen und -Patienten visuelle Informationen deutlich langsamer verarbeiten als Gesunde. Diese Geschwindigkeit ist ein gutes Maß für ihre geistige Wachheit und Reaktionsfähigkeit“, so die Neuropsychologin Eva Maria Martin. Um zu messen, wie schnell die Probanden ermüden, nutzte das Studienteam eine spezielle Brille mit integrierter Infrarotkamera im Schlaflabor der Klinik für Neurologie. Diese kann die Pupillenunruhe erfassen, einem Biomarker für die allgemeine Gehirnaktivierung. Zudem schätzten die Teilnehmenden ihre mentale Erschöpfung mit Hilfe eines Fragebogens ein. Im Ergebnis konnte das Team einen deutlichen Zusammenhang zwischen der gemessenen Verarbeitungsgeschwindigkeit, der Pupillenunruhe und der subjektiv empfundenen Erschöpfung feststellen. Martin erklärte: „Die Post-COVID-Gruppe hat im Vergleich zur Kontrollgruppe eine geringere Verarbeitungsgeschwindigkeit und ermüdet schneller. Damit können wir die von den Betroffenen berichtete mentale Fatigue objektiv nachweisen.“ Standardtests bestätigen die kognitiven Defizite In Fortführung der Studie untersuchten die Wissenschaftler, ob sich dieser Befund mit neuropsychologischen Tests bestätigen lässt. Diese werden wesentlich breiter angewandt und es sind für diese Tests keine speziellen Labore notwendig. Außerdem interessierte die Forschenden, ob sich die gefundenen Defizite mit der Zeit verändern. Dazu wiederholten sie die Untersuchungen nach einem Zeitraum von sechs Monaten. Das Ergebnis: Auch in den klinisch etablierten Standardtests zeigten sich Defizite in der Post-COVID-Gruppe immer dann, wenn es um eine schnelle Informationsverarbeitung und eine schnelle Reaktion ging. Diese Verlangsamung bestand unverändert über sechs Monate fort. „Wir sehen darin den Beleg für eine chronisch geminderte Hirnaktivität bei Long-COVID, die sich vor allem in einer verlangsamten Informationsverarbeitung äußert. Dieses relativ stabile Profil ist charakteristisch für die neurokognitiven Symptome bei Post-COVID und sicher auch für Langzeitfolgen nach anderen Infektionen“, betonte Finke. Damit ist die verlangsamte Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit nicht nur ein wichtiges Kriterium für die Objektivierung der kognitiven Defizite im Rahmen dieses Krankheitsbildes. Sie könnte sich auch als Maß eignen, um die Wirksamkeit von Therapieansätzen zu beurteilen. Auch an geeigneten neuropsychologischen Trainings für Post-COVID forscht das Jenaer Gedächtniszentrum. Einige Ergebnisse wird Finke im Rahmen des 2. Long COVID Kongresses vorstellen, der am 24. und 25. November in Jena stattfindet. Im Mittelpunkt stehen neue Forschungsergebnisse und die Möglichkeit der Teilhabe der Betroffenen in den beruflichen und sozialen Lebenswelten.
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