Ludwig Boltzmann Institut kritisiert hohe Kosten für Medikamente trotz öffentlicher Forschungsförderung in Millionenhöhe

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Das österreichische Ludwig Boltzmann Institut für Health Technology Assessment hat in Studien öffentliche Förderungen bei der Entwicklung hochpreisiger Medikamente identifiziert. Ein neues Investigationsverfahren soll zu mehr Transparenz beitragen.

Neu entwickelte Medikamente sind häufig sehr teuer. Dies stellt Gesundheitssysteme vor neue Herausforderungen. Die OECD befasst sich seit einiger Zeit mit dem Problem, da es den sogenannten „Zugang zu Medikamenten“ (Access to Medicines) einschränkt. Im Mai dieses Jahres verabschiedete auch die WHO eine Resolution, die mehr Transparenz bei der Preisbildung von Medikamenten einfordert. Das Ludwig Boltzmann Institut für Health Technology Assessment (LBI-HTA) in Wien hat nach eigenen Angaben Methoden entwickelt, die die Identifizierung von öffentlichen und philanthropischen Geldmitteln, die in die Entdeckung und Entwicklung eines zugelassenen Medikaments geflossen sind, ermöglichen.

Viel Geld, wenig Transparenz

„Wir haben unsere Methode vorerst an drei Medikamenten untersucht und konnten für alle drei Förderungen in mehrstelliger Millionenhöhe nachweisen“ stellt PD Dr. phil. Claudia Wild, Leiterin des LBI-HTA, die Quintessenz der Studie dar. „Diese wurden zu unterschiedlichen Stadien der Entdeckung und Entwicklung des Medikaments aus öffentlichen oder philanthropen Quellen bereitgestellt. Verkauft werden alle drei Medikamente durch Pharmaunternehmen.“ Die drei untersuchten Medikamente sind: Nusinersen (gegen Rückenmarksatrophie, eine seltene neuromuskuläre Störung), Cerliponase alfa (zur Behandlung einer Erbkrankheit bei Kindern, die zu fortschreitenden Hirnschäden führt) sowie Burosumab (gegen eine genetische Erkrankung von Kindern, die zu schwachen Knochen und lebenslangen körperlichen Behinderungen führen kann). Alle drei Medikamente wirken gegen Seltene Erkrankungen bei Kindern.

„Die hohen F&E-Kosten werden von den Herstellern oft als Grund für hohe Medikamentenkosten angegeben, daher erscheint Transparenz über öffentliche Forschungsförderbeteiligungen sehr wichtig. Genau die ist aber nicht gegeben“, erläutert Wild. Dabei liefert eigentlich oft die – öffentlich und philanthropisch finanzierte – Grundlagenforschung jene Entdeckung oder zündende Idee, die später in einem Medikament Anwendung findet – und ist gleichzeitig mit hoher Ergebnisunsicherheit und Ressourcenaufwand verbunden.

Puzzeln für Transparenz

Das LBI-HTA will “Licht in das Förderdunkel bringen”. „Tatsächlich mussten wir dazu eine ganze eigene Suchmethodik entwickeln, um aus zahlreichen öffentlichen Quellen Puzzlestücke an Informationen zusammenzusetzen, die am Ende die enormen Fördersummen ergaben“, meint Wild. Die Methodik umfasst drei Stufen:

1.Stufe: Alle generischen wie molekularen Namen und Begriffe des Arzneimittels bzw. dessen Wirkstoffes werden identifiziert. Dies geschieht für den gesamten F&E-Prozess sowie in mehreren relevanten Datenbanken (wie z. B. DrugBank, ChEMBL, Therapeutic Target Database)

2. Stufe: Der Entwicklungspfad des Medikaments bis zur Zulassung wird mittels weiterer Datenbanken eruiert (z. B. Orphanet, WHO international trial register, US Clinical Trials.Gov, EU clinical trials registry, FDA orange book, Espacenet, Health Canada Patent, PubMed u.v.m.)

3. Stufe: Es wird eine systematische Suche nach Forschungsförderungen auf Grundlage der identifizierten Namen und Entwicklungspfade in weiteren Datenbanken (z. B. NIH-RePORTER, CORDIS, IMI, EDCTP und diverse philanthropische Datenquellen) durchgeführt.

Selbst mit dieser strukturierten Methode und trotz eines großen Engagements bleibe das Bild über Förderungen bei der Entstehung der drei Medikamente jedoch lückenhaft, so das LBI-HTA. So konnten für die Entdeckung und Entwicklung von Cerliponase alfa zwar über 20 öffentlich oder philanthropisch finanzierte Projekte gefunden werden – doch deren Fördersummen waren oftmals nicht festzustellen. Dennoch habe sich gezeigt, dass allein in Projekte, die der reinen Produktentwicklung dienten, 31 Millionen Euro Fördermittel geflossen waren. Ähnlich das Bild bei Burosumab: Zahlreiche öffentliche sowie einige philanthropische Projekte unterstützten die Entdeckung und Entwicklung der Arznei, doch die wenigen genannten Summen ließen nur 26 Millionen Euro identifizieren.

“Neben vielen anderen Hindernissen (wie z. B. Sprachbarrieren – so wurde Burosumab maßgeblich in Japan entwickelt) war eine wesentliche Herausforderung der Erhebung die klare Definierung passender Suchfilter in den Datenbanken. Neben der Eingrenzung des Suchzeitraums stellte es sich auch oftmals als notwendig – aber schwierig – heraus, zwischen Grundlagenforschung und Produktentwicklung zu unterscheiden”, erklärt das LBI-HTA weiter.

Bei aller Schwierigkeit erlaube die vom LBI-HTA entwickelte Methode jedoch eine wesentliche Steigerung der Transparenz über den Einsatz öffentlicher und philanthropischer Mittel bei der Entdeckung neuer Wirkstoffe und der darauf aufbauenden Medikamentenentwicklung. So leiste das Projekt einen bedeutenden Beitrag zur aktuellen und internationalen Diskussion über „Public Return on Public Investment“, ist das LBI-HTA überzeugt.

Referenzen:

Schmidt L., Wild C. Public & philanthropic financial contribution to the development of new drugs. LBI-HTA Project Report No.: 120; Year 2019. Vienna: Ludwig Boltzmann Institute for Health Technology Assessment.  http://eprints.hta.lbg.ac.at/1214/