Luftverschmutzung beschleunigt die Alterung der Lunge

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Eine Studie mit mehr als 300.000 Menschen hat ergeben, dass die Belastung durch Luftverschmutzung mit einer verminderten Lungenfunktion und einem erhöhten Risiko für die Entwicklung einer chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) assoziiert ist.

Normalerweise nimmt die Lungenfunktion mit zunehmendem Alter ab, doch die gerade im „European Respiratory Journal“ veröffentlichten neuen Forschungsergebnisse legen nahe, dass Luftverschmutzung zu diesem Alterungsprozess beitragen kann

Anna Hansell, Professorin für Umweltepidemiologie am Zentrum für Umweltgesundheit und Nachhaltigkeit der Universität von Leicester und eine der Autoren der aktuellen Arbeit, erklärt: „Es gibt überraschend wenige Studien, die untersuchen, wie sich Luftverschmutzung auf die Lungengesundheit auswirkt. Deshalb haben anhand von Daten zu mehr als 300.000 Menschen aus der UK Biobank Study untersucht, ob Luftverschmutzung mit Veränderungen in der Lunge zusammenhängt und ob es das Risiko der Teilnehmer, an COPD zu erkranken, beeinflusst hat.“ Die Forscher verwendeten ein validiertes Luftverschmutzungs-Modell, um das Ausmaß abzuschätzen, mit dem die Menschen bei ihrer Aufnahme in die UK Biobank Study ausgesetzt waren. Zu den Schadstoffen, die die Forscher untersuchten, gehörten Feinstaub (PM10 und PM2,5) und Stickstoffdioxid (NO2), die beim Verbrennen fossiler Brennstoffe aus Fahrzeugabgasen, Kraftwerken und Industrieemissionen entstehen.

Die Teilnehmer der UK Biobank Study füllten im Rahmen der Datenerfassung ausführliche Fragebögen zu ihrem Gesundheitszustand aus. Die Lungenfunktion wurde bei Spirometrien gemessen, die zwischen 2006 und 2010 von Medizinern in Biobank-Assessment-Centern bei der Aufnahme der Probanden in die Studie durchgeführt wurden.

Das Forscherteam nahm dann mehrere Tests vor, um festzustellen, wie die langfristige Exposition gegenüber höheren Konzentrationen der verschiedenen Luftschadstoffe mit Veränderungen der Lungenfunktion der Teilnehmer zusammenhängt. In den Analysen wurden Alter, Geschlecht, Body-Mass-Index (BMI), Einkommen, Bildungsstand, Status des Nikotinkonsums und Exposition gegenüber Passivrauch berücksichtigt. In weiteren Analysen wurde auch untersucht, ob die Arbeit in Berufen, die das Risiko für COPD erhöhen, die Prävalenz von Krankheiten beeinflusst.

Die Daten zeigten, dass für jede jährliche durchschnittliche Zunahme von fünf Mikrogramm pro Kubikmeter PM2,5 in der Luft, der die Teilnehmer zu Hause ausgesetzt waren, die damit verbundene Verringerung der Lungenfunktion vergleichbar war mit den Folgen eines Alterungsprozesses über zwei Jahre. 

Als die Forscher die COPD-Prävalenz bewerteten, stellten sie fest, dass diese bei Teilnehmern aus Gebieten mit PM2,5-Konzentrationen über dem von der Weltgesundheitsorganisation WHO festgesetzten erlaubten Jahresdurchschnitt (10 μg/m3) viermal höher war als bei Menschen, die zu Hause Passivrauch ausgesetzt waren. Die Prävalenz war zudem halb so hoch wie bei Menschen, die rauchten oder jemals geraucht hatten.

Die aktuellen EU-Grenzwerte für PM2,5 liegen bei 25 μg/m3 und damit höher als die Werte, die von den Forschern als mit einer verminderten Lungenfunktion assoziiert erkannt wurden.

Hansell erklärt: „In einer der bislang größten Analysen stellten wir fest, dass die Belastung der Außenluft direkt mit einer verminderten Lungenfunktion und einer erhöhten COPD-Prävalenz zusammenhängt. Wir stellten fest, dass Menschen, die einem höheren Schadstoffgehalt ausgesetzt waren, eine geringere Lungenfunktion aufwiesen als bei mindestens einem Jahr der Alterung. Besorgnis erregend ist unser Befund, dass die Luftverschmutzung viel größere Auswirkungen auf Menschen aus Haushalten mit niedrigerem Einkommen hatte. Die Luftverschmutzung wirkte sich bei Teilnehmern mit niedrigerem Einkommen im Vergleich zu Teilnehmern mit höherem Einkommen, die der gleichen Luftverschmutzung ausgesetzt waren, ungefähr doppelt so stark auf die Abnahme der Lungenfunktion und dreimal so stark auf die Erhöhung des COPD-Risikos aus.“

„Wir berücksichtigten den Status des Nikotinkonsums der Teilnehmer und ob sich ihr Beruf auf ihre Lungengesundheit auswirken könnte“, fährt die Wissenschaftlerin fort. „Wir gehen davon aus, dass diese Ungleichheit mit schlechteren Wohnbedingungen oder schlechterer Ernährung, eingeschränkterem Zugang zur Gesundheitsversorgung oder langfristigen Auswirkungen von Armut auf das Lungenwachstum in der Kindheit zusammenhängen könnte.“

Es war den Forschern nicht möglich, die Exposition der Teilnehmer gegenüber Schadstoffen in deren täglichen Leben zu verfolgen und zu untersuchen. Nach Aussage der Studienautoren waren die Teilnehmer zudem im Allgemeinen finanziell besser gestellt und auch gesünder als die breite Öffentlichkeit; dies könnte in der Analyse dazu geführt haben, dass die Stärke des Zusammenhangs zwischen einer abnehmenden Lungenfunktion und einer Exposition gegenüber Luftverschmutzung unterschätzt worden sein könnte.

Prof. Tobias Welte (Hannover), Präsident der European Respiratory Society, erklärt: „Die Ergebnisse dieser großen Studie bestätigen, dass Luftverschmutzung die Gesundheit der Menschen ernsthaft schädigt, indem sie die Lebenserwartung senkt und anfälliger für die Entwicklung chronischer Lungenerkrankungen macht. Der Zugang zu sauberer Luft ist ein grundlegendes Bedürfnis und Recht aller Bürger in Europa. Die Regierungen haben die Verantwortung, dieses Recht zu schützen, indem sie sicherstellen, dass die von der Weltgesundheitsorganisation angegebenen maximalen Schadstoffwerte in unseren Städten und Gemeinden nicht überschritten werden. Atmen ist die grundlegendste Funktion des menschlichen Körpers, die notwendig ist, um am Leben zu bleiben. Deshalb müssen wir weiter für das Recht kämpfen, saubere Luft zu atmen.“

Das Forscherteam führt weitere Studien durch, um zu untersuchen, ob genetische Faktoren mit der Luftverschmutzung und ihren Auswirkungen auf die Gesundheit interagieren.