Lungenfibrose: Behandlung durch Steigerung der Telomeraseaktivität

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Um Alterungsprozesse in Lungenzellen und die Entwicklung von Fibrose zu verringern, schleusen Forschende von der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) mRNA mit dem Baustein für Telomerase ein.

Bei Patienten mit Lungenfibrose kommt es häufig schneller als normal zur Verkürzung der Telomere, Aufgabe der Zellteilung und damit Gewebealterung. Daher sehen die Forschenden einen vielversprechenden Therapieansatz im Enzym Telomerase, das die Telomere vor Schädigung und Verkürzung während der Zellteilung bewahrt.

In einer kürzlich veröffentlichten Studie hat ein Wissenschaftlerteam um Prof. Christian Bär, Forschungsgruppenleiter am Institut für Molekulare und Translationale Therapiestrategien der MHH und seine Mitarbeiterin Dr. Shambhabi Chatterjee die Telomeraseaktivität in menschlichen Lungenzellen und Lungengewebe gesteigert. Dadurch ließ sich die Alterung der Zellen sowie die Fibroseentwicklung deutlich verringern. Die Ergebnisse wurden in der Zeitschrift „Aging Cell“ publiziert.

Risikofaktor verkürzte Telomere

Haben untersucht, wie der Erhalt der Schutzkappen für unser Erbgut die Lungengesundheit verbessern kann: Molekularbiologin Shambhabi Chatterjee (re.) und Erstautorin Jia Li Ye. (Foto: © Karin Kaiser/MHH)

Bär und Chatterjee beschäftigen sich schon lange mit der Rolle der Telomerase im Zusammenhang mit Krankheiten. So haben sie herausgefunden, dass die Gabe von Telomerase im Mausmodell die Lebensspanne sogar bei bereits erwachsenen und gealterten Tieren deutlich verlängert. Selbst nach einem Herzinfarkt wirkt sie sich noch schützend für das Herz aus.

Nun haben Wissenschaftler untersucht, wie dieser Therapieansatz in der Lunge funktionieren könnte. Denn ein Risikofaktor für die Idiopathische Lungenfibrose (IPF) ist die vorzeitige Verkürzung der Telomere in der Lunge. Hier spielt die Telomerase beziehungsweise ihre Untereinheit Telomerase Reverse Transkriptase (TERT) eine entscheidende Rolle. TERT verlängert Telomere während der Embryonalentwicklung. Da TERT beim erwachsenen Menschen in der Regel abgeschaltet ist, kann dieses Enzym die Chromosomenenden und damit auch die DNA nicht schützen.

Die Forschenden haben nun untersucht, ob sich ein biomedizinisch erzeugtes Überangebot an Telomerase positiv auf die Telomerlängen und damit auf die Erkrankung auswirken könnte.

Präzisions-Lungenschnitte aus Fibrosegewebe

Dafür schleusten die Studienautoren eine Messenger-RNA (mRNA) mit dem TERT-Bauplan in Bindegewebszellen der menschlichen Lunge ein. „Wir konnten sehen, dass unsere mRNA funktioniert und die Zellen den Bauplan ablesen und umsetzen“, berichtet Bär. „Die Telomerase wurde aktiviert, die Alterungs-Biomarker gingen zurück und die Telomere der Chromosomen wurden wieder verlängert.“

Auch in Zellkulturen mit Lungen-Vorläuferzellen produzierten die Zellen TERT für die Telomerase-Aktivierung. Der therapeutische Ansatz funktionierte sogar in menschlichem Lungenfibrose-Gewebe. Dafür hatte man in Kooperation mit dem Fraunhofer-Institut für Toxikologie und Experimentelle Medizin ITEM spezielle Präzisions-Lungenschnitte (PCLS) aus operativ entferntem Patientenmaterial hergestellt. Diese behandelte man dann mit der TERT-mRNA. „Auch hier haben sich die Marker für Alterung und Fibrose deutlich verbessert“, erklärt Chatterjee. „Zudem waren die Entzündungsmarker rückläufig, was bedeutet, dass unsere TERT-mRNA funktioniert und die mRNA Struktur selbst keine schädliche Immunantwort ausgelöst hat.“

Modifizierte RNA trickst Immunsystem aus

Dies gelang, weil die Forschenden den TERT-Bauplan in eine modifizierte mRNA (modRNA) eingesetzt haben. Diese ist im Gegensatz zur normalerweise im Körper vorkommenden mRNA ganz leicht verändert. So kann sie in den Körper hineingeschmuggelt werden, ohne ihn zu alarmieren und Entzündungsreaktionen hervorzurufen.

Die modRNA-Technologie wurde bereits erfolgreich während der Corona-Pandemie genutzt, um den COVID-19-Impfstoff zu entwickeln. Ein Vorteil des Verfahrens ist, dass dieser Fremdbaustein zwar in die Zellen, nicht aber in den Zellkern eindringt und nur wenige Tage im Körper verbleibt. „Daher ist die Technologie viel sicherer als konventionelle Gentherapien, bei denen die Gene direkt in den Körper eingeschleust werden und dort dauerhaft verbleiben“, stellt Bär fest.

Zirkuläre RNA erweitert Therapiefenster

Doch der kurze Verbleib bedeutet auch, dass der eingebrachte Bauplan nur über eine kurze Zeit umgesetzt werden kann. Um das Therapiefenster weiter zu öffnen, haben die Forschenden die mRNA ein weiteres Mal modifiziert und den RNA-Strang zu einem Ring geschlossen. „Diese zirkuläre RNA kann nicht so schnell von den Abbau-Enzymen zerstört werden“, erläutert Chatterjee. Der verlangsamte Abbau sorgt dafür, dass im Vergleich zur linearen RNA mehr Telomerase in den Zellen vorhanden ist, wodurch diese effektiver ist.

„Die TERT-Therapie ist nach unseren Ergebnissen ein vielversprechender Ansatz, um die Zellgesundheit von Lungenzellen zu verbessern und die Fibroseentwicklung zu drosseln und vielleicht sogar umzukehren“, bilanziert Bär. Verpackt in Lipid-Nanopartikel, könnte die therapeutische RNA irgendwann einfach inhaliert werden.