Lungenfibrose: Ist eine potenzielle neue Therapie gefunden?22. Oktober 2025 Abbildung: © Rama/stock.adobe.com Wissenschaftler aus den USA haben einen wichtigen zellulären Schalter identifiziert, der bei Patienten mit Lungenfibrose die Bildung von Narbengewebe steuert. Die gute Nachricht: In einem Mausmodell fanden sie auch einen Weg, diesen Schalter zu blockieren. Die Wissenschaftler veröffentlichten zu der möglichen neuen Therapieoption Daten im „Journal of Clinical Investigation“. Bei dieser Behandlungsmöglichkeit handelt es sich um die Umwandlung gesunder Lungenzellen in einen schädlicheren Zelltyp. Bei Mäusen mit Lungenfibrose reduzierte einer derartige Therapie die Vernarbung der Lunge drastisch. Bislang begrenzte Behandlungsmöglichkeiten „Wir freuen uns, ein neues molekulares Ziel gefunden zu haben und damit beginnen zu können, um dieses Ziel auf den Weg zu klinischen Studien bringen“, erklärt Dr. Feroz Papa, Professor für Medizin an der University of California San Francisco (UCSF) und einer der Autoren der neuen Arbeit. Denn bekanntermaßen seien die Behandlungsmöglichkeiten bei Lungenfibrose begrenzt. Die Ergebnisse der neuen Studie geben auch Aufschluss darüber, wie Zellen unter Stress ihre Identität auf ungünstige Weise verändern können – ein Prozess, der nicht nur bei Lungenfibrose, sondern auch für anderen Erkrankungen relevant ist, bei denen Zellen ihre normale Funktion verlieren. Dazu gehören beispielsweise Diabetes, Neurodegeneration und chronische Lebererkrankungen. „Diese Arbeit ist das Ergebnis langjähriger Grundlagenforschung zu den Zelltypen und molekularen Signalwegen, die bei Lungenfibrose gestört sind“, betont Prof. Dean Sheppard, ebenfalls von der UCSF und ehemaliger Leiter der Abteilung für Lungenheilkunde, Intensivmedizin, Allergie- und Schlafmedizin. „Sie unterstreicht, welche Bedeutung die Grundlagenforschung für die Entwicklung neuer Behandlungsmethoden für Krankheiten hat, die bisher nicht therapiebar zu sein schienen.“ Vom Kurs abgekommene Lungenzellen In den vergangenen Jahren haben Wissenschaftler gezeigt, dass die Lungenfibrose durch einen abnormalen Reparaturprozess in der Lunge verursacht wird. Normalerweise tragen Alveolarzellen Typ 2 (AT2), zur Gesunderhaltung der Lungenbläschen bei und können sich in andere Zelltypen umwandeln – zu Reparaturzwecken. Bei der Lungenfibrose bleiben jedoch viele AT2-Zellen mitten in dieser Transformation stecken. Das Ergebnis sind Zellen, die sich zwischen zwei Zuständen befinden, nicht richtig funktionieren und stattdessen Signale aussenden, die die Narbenbildung verstärken. Protein als Schuldiger ausgemacht In seiner neuen Arbeit fand das UCSF-Team heraus, dass das Protein IRE1α direkt dafür verantwortlich ist, AT2-Zellen in diesen gefährlichen Schwebezustand zu drängen. IRE1α erkennt normalerweise, wenn Proteine in Zellen nicht korrekt gefaltet sind – ein Zeichen dafür, dass die Zellen unter abnormalem Stress stehen. Die neue Studie zeigte, dass IRE1α als Reaktion auf dieses Signal einen Prozess namens RIDD aktiviert, bei dem bestimmte genetische Anweisungen zerstört werden, sodass die Zelle die entsprechenden Proteine nicht mehr herstellen kann. Eines der von RIDD angegriffenen Gene ist FGFR2 – ein Rezeptor, der AT2-Zellen normalerweise signalisiert, ihre Identität zu bewahren. Schwebezustand von AT2-Zellen führt zu Fibrose „Wenn IRE1α die Anweisungen von FGFR2 zerstört, verliert die Zelle ihre Orientierung“, erklärt Dr. Vincent Auyeung, Assistenzprofessor für Medizin an der UCSF und Erstautor der aktuellen Studie. „Sie hört auf, die Zelle zu sein, die sie war – wird aber auch nicht zu der Zelle, die sie sein sollte. Und dieser Übergangszustand selbst führt zur Fibrose.“ In anderen Körperzellen könnten Krankheiten durch die Zerstörung anderer wichtiger genetischer Anweisungen durch denselben RIDD-Prozess verursacht werden, vermutet das Team. Neue Hoffnung für Patienten Um zu testen, ob die Blockierung von IRE1α erkrankten Lungen helfen könnte, bedienten sich die Wissenschaftler eines Mausmodells zur Lungenfibrose. Sie behandelten die Tiere mit PAIR2. Dabei handelt es sich um ein Medikament, das die schädliche RIDD-Aktivität von IRE1α selektiv blockiert und gleichzeitig seine normalen Stressabbaufunktionen intakt lässt. PAIR2 ist ein selektiver IRE1α-Kinase-Inhibitor, der von Wissenschaftlern an der UCSF und der University of Washington (USA) entwickelt wurde. Das Medikament PAIR2 kann in einer „Goldlöckchen-Zone“ – also, wenn alle Bedingungen ideal sind – fein abgestimmt werden, um nur bestimmte Aktionen eines Proteins zu kontrollieren. Dies ermöglichte es dem Forscherteam, die negative Aktivität von IRE1α zu unterbinden, ohne seine wichtige alltägliche Funktion in den Zellen zu beeinträchtigen. „Es war wichtig, IRE1α nicht in allen Körperzellen vollständig zu deaktivieren, da wir seine normale, gesunde Funktion nicht beeinträchtigen wollten“, berichtet Auyeung. „Wir wollten lediglich den RIDD-Prozess blockieren.“ Reversibilität von Fibrose? Bei Mäusen mit bereits vernarbter Lunge bremste PAIR2 nicht nur weitere Schäden, sondern konnte auch einen Teil der entstandenen Fibrose teilweise rückgängig machen. Das Medikament half den AT2-Zellen, ihre Identität zu bewahren, reduzierte die Anzahl der Zellen, die sich in einem Schwebezustand befanden, und verringerte die Bildung von Narbengewebe deutlich. Die Ergebnisse seien ein „Schritt in Richtung neuer Therapien für menschliche Patienten, der Mut macht“, erklären die Studienautoren. Es müsse jedoch weiter geforscht werden, um festzustellen, wie sicher und wie wirksam genau PAIR2 oder ähnliche Verbindungen sind. (ac/BIERMANN)
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