Lungengewebe aus dem Labor: Einsatz in der Medikamentenentwicklung, Grundlagenforschung und personalisierten Medizin

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Einem internationalen Forschungsteam ist es gelungen, auf einfache Weise Lungengewebe im Labor zu züchten. Die Organoide könnten in der Diagnose, in der Medikamentenentwicklung und in der Grundlagenforschung eingesetzt werden.

Laboruntersuchungen an Lungengewebe erforderten bisher meist die Entnahme größerer Mengen menschlichen oder tierischen Gewebes. Nun ist es Wissenschaftlern der Medizinischen Fakultät der Universität Freiburg gemeinsam mit amerikanischen Forschenden gelungen, aus wenigen Körperzellen im Labor kleine Einheiten an Lungengewebe zu züchten. Das sich entwickelnde Gewebe bildet eine dreidimensionale Struktur mitsamt der Härchen auf der Oberfläche aus, wie sie für das Lungengewebe typisch ist. Diese Organoide können künftig in der Erforschung von Lungenkrankheiten, der Medikamentenentwicklung oder der personalisierten Medizin eine wichtige Rolle spielen.

„Die von uns entwickelte Methode zur Züchtung von Lungengewebe ist einfach und kostengünstig, und bildet wichtige biologische Aspekte sehr gut ab“, sagt der Freiburger Studienleiter Dr. Peter Walentek, Emmy-Noether-Forschungsgruppenleiter an der Medizinischen Fakultät der Universität Freiburg und Wissenschaftler am Universitätsklinikum Freiburg. Zudem ist er Mitglied im Exzellenzcluster Centre for Integrative Biological Signalling Studies der Universität Freiburg. Die Studie wurde von Wissenschaftlern der University of California in San Francisco (USA) geleitet, die eng mit den Freiburger Forschenden zusammenarbeiteten. Sie kombinierten Lungenzellen nach zweiwöchiger Kultivierung im Labor mit zwei Botenstoffen, woraufhin Stammzellen positiv beeinflusst wurden und sich die Organoide bildeten. Bislang waren dafür viele Schritte notwendig: So mussten entnommene Zellen zunächst mittels komplizierter Methoden in einen Embryo-ähnlichen Zustand gebracht werden. Weiterhin war bisher die Außenseite des Gewebes in solchen Organoiden stets nach innen gerichtet und entsprach deutlich weniger dem natürlichen Vorbild.

Organoide ermöglichen individuelle Therapieplanung

Aus Zellen von Patienten mit Mukoviszidose entwickelten sich im Labor charakteristisch veränderte Organoide. „Mit dieser unkomplizierten Methode könnten wir künftig sogar das Gewebe einzelner Lungenpatientinnen und -patienten im Labor züchten, um hoffentlich schon vorab zu prüfen, ob eine Therapie anschlägt oder nicht“, so Walentek. Anhand der Organoide können die Wissenschaftler außerdem erforschen, wie sich gesundes Lungengewebe entwickelt, und wie sich Erbgut-Veränderungen genau auswirken, etwa auf die Ausbildung der Zilien. „Die Fehlbildung dieser Zilien führt nicht nur zu Lungenkrankheiten, sondern unter anderem auch zu genetischen Nierenerkrankungen, die wir im Rahmen des Sonderforschungsbereichs NephGen (SFB1453) untersuchen“, sagt Walentek.

Methode bietet Ersatz zu Tiermodellen

Bislang werden die gesunde Entwicklung von Lungengewebe und genetische Lungenkrankheiten häufig in Tiermodellen untersucht. Die jetzt etablierte Methode dürfte einen Teil derartiger Untersuchungen ersetzen können: „Gewebe in seiner natürlichen dreidimensionalen Form im Labor zu züchten ist ein wichtiger Weg, um den Einsatz von Tieren in der Forschung zu reduzieren. Auch deshalb ist diese Forschung von so großer Bedeutung“, betont Prof. Dr. Lutz Hein, Dekan der Medizinischen Fakultät der Universität Freiburg.