Lungenkrebs: Wissenschaftler beschreiben wichtigsten Mechanismus zur Umgehung von Immunangriffen

Krebszelle, die Stress im endoplasmatischen Retikulum erfährt. (Abbildung: © Ella Marushchenko [2018])

Ein Protein, das häufig in hohen Konzentrationen in Lungenkrebszellen vorkommt, kontrolliert laut den Autoren einer neuen Studie einen wichtigen immunsuppressiven Weg, dank dessen Lungentumoren einem Immunangriff entgehen können.

Die Entdeckung könnte, so meinen die Wissenschaftler, die Entwicklung von Therapien beschleunigen, die diesen Tumorabwehrmechanismus überwinden und die Outcomes für Lungenkrebspatienten verbessern.

In der gerade in „Nature Communications“ publizierten Studie analysierten die Forschenden Datensätze zu menschlichem Lungenkrebs und führten Experimente in präklinischen Lungenkrebsmodellen durch, um zu zeigen, dass der Transkriptionsfaktor XBP1s das Tumorüberleben verbessert, indem er die Antikrebsaktivität benachbarter Immunzellen unterdrückt. Die Studienautoren entdeckten, dass XBP1s diesen Effekt ausübt, indem es die Produktion eines stark immunsuppressiven Moleküls, Prostaglandin E2, antreibt.

„Wir fanden heraus, dass XBP1s Teil eines wichtigen Signalweges in Krebszellen ist, der die lokale Immunumgebung von Lungentumoren reguliert, und deaktiviert werden kann, um die Immunität gegen Krebs zu erhöhen“, erklärt Dr. Vivek Mittal, Professor für Herz-Thorax-Chirurgie und Direktor des Neuberger Berman Lung Cancer Laboratory an der Weill Cornell Medicine (USA). Er ist einer der Seniorautoren der Studie. Die Wissenschaftler konzentrierten sich in ihrer Untersuchung auf den IRE1α-XBP1-Arm der Unfolded Protein Response (UPR), ein Weg, der bei vielen Krebsarten chronisch hochreguliert ist. In älteren Studien zu anderen Tumorarten wurden Hinweise darauf gefunden, dass dieser Signalweg nicht nur direkt das Überleben und die Progression von Tumoren fördert, sondern auch dazu beiträgt, die Antitumoraktivität benachbarter Immunzellen zu unterdrücken. Die Rolle des Signalweges beim Nichtkleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC) blieb jedoch weitgehend unerforscht.

Wenn IRE1α in gestressten Zellen ausgelöst wird, beginnt es mit der Produktion von XBP1s, einem Multitasking-Transkriptionsfaktor, der die Expression verschiedener Genprogramme kontextspezifisch steuert. Die Forscher analysierten die Expressionsniveaus des Gens, das XBP1s kodiert, aus einem großen Satz menschlicher NSCLC-Proben, die in einer nationalen Datenbank katalogisiert waren. Dabei fanden die Wissenschaftler Hinweise darauf, dass Patienten, deren Tumore höhere XBP1s-Spiegel aufwiesen, schlechtere Überlebenschancen hatten. In Übereinstimmung mit dieser Erkenntnis zeigte sich, dass das Ausschalten von IRE1α oder XBP1s in NSCLC-ähnlichen Tumoren bei Mäusen zu einer Tumorregression und einem deutlich verbesserten Überleben führte.

Weitere Untersuchungen ergaben, dass die Deletion von XBP1s in NSCLC-Zellen das Tumorwachstum hauptsächlich dadurch beeinträchtigt, dass das Immunsystem den Tumor viel effektiver angreifen kann. Die Studienautoren fanden heraus, dass XBP1s, wenn sie in Tumorzellen produziert werden, die Produktion des stark immunsuppressiven Moleküls Prostaglandin E2 erhöhen; dieses wird in die Mikroumgebung des Tumors sezerniert, wo es die Antikrebsaktivität von Immunzellen wirksam unterdrückt.

Die Ergebnisse deuten den Forschenden zufolge darauf hin, dass die Deaktivierung von IRE1α-XBP1s eine gute Behandlungsstrategie beim NSCLC sein und besonders gut in Kombination mit anderen Immuntherapieansätzen funktionieren könnte.

„Das Targeting von IRE1α-XBP1 könnte einen sehr nutzbringenden, zweigleisigen therapeutischen Ansatz darstellen, der die Progression von Lungenkrebs kontrolliert und gleichzeitig eine schützende Anti-Tumor-Immunität induziert“, erläutert Dr. Cubillos-Ruiz, ebenfalls Seniorautor der aktuellen Publikation. Er ist einer der Leiter des Cancer Biology Program im Meyer Cancer Center an der Weill Cornell Medicine.

„Jetzt wollen wir Wege finden, um ein IRE1α-blockierendes Medikament selektiv auf Tumorzellen auszurichten“, erklärt Mittal.

Als Teil der Studie kartierten die Forschenden auch die Signatur der Genaktivität, die bei Mäusen durch das Ausschalten von IRE1α in NSCLC-Tumoren verursacht wird. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass das Vorhandensein derselben Gensignatur in menschlichen NSCLC-Tumoren ein besseres Überleben der Patienten vorhersagte. Ein auf dieser Signatur basierender klinischer Test könnte in Zukunft von Nutzen sein, um Ergebnisse vorherzusagen und optimale Behandlungen auszuwählen, erklären die Studienautoren.