Macht Luftverschmutzung Birkenpollen allergener?

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Einer polnischen Studie zufolge sind Birkenpollen an Orten mit hoher Luftverschmutzung allergener als an Orten mit sauberer Luft. Für die Autoren eine Erklärung dafür, dass Menschen in Gebieten mit hoher Luftverschmutzung häufiger trotz Desensibilisierung unter Allergien leiden.

Dass Menschen in Städten mehr Allergien haben, als Menschen in Regionen mit weniger Luftverschmutzung ist nicht neu, auch der Einfluss der Luftverschmutzung auf Pollen oder Allergene in Pflanzen wird diskutiert. So zeigte etwa eine Studie von Forschenden im der MedUni Wien, dass Ambrosia-Pollen durch bestimmte Umwelteinflüsse aggressiver werden. Die aktuelle Studie der Autorinnen und Autoren um Iwona Stawoska von der Jagiellowian University in Krakow, Polen, ging der Frage nach welchen Einfluss Luftschadstoffe auf die chemische Zusammensetzung von Allergenen in Birkenpollen, insbesondere auf die Sekundärstruktur des Hauptallergens Bet v1 haben.

Die Forschenden sammelten Birkenblüten von mindestens drei Bäumen an sieben Standortorten im Süden Polens: drei davon in Krakow, verschiedene Standorte in kleineren Städten in Südpolen und ein Standort im Wald. Letzter diente als Referenz für wenig belastete Luft. Mittels Raman-Spektroskopie wurde die Sekundärstruktur von Bet v1 untersucht und Unterschiede zwischen den verschiedenen Standorten festgestellt.

Pollen von Standorten mit den höchsten Konzentrationen an Nitrit und Feinstaub wiesen die größten Strukturveränderungen auf, die wahrscheinlich wesentlichen Einfluss haben auf die chemische Zusammensetzung der Pollen, die Bet v1-Konzentration und die Sekundärstruktur des Proteins, was die Funktion beeinflusse. Auf die physiologische Beschaffenheit der Pflanzen selbst hingegen haben die Umweltfaktoren wenig Einfluss. Verstädterung und Luftverschmutzung beeinflussen der Studie zufolge die Ausbildung bestimmter Sekundärstrukturen der Pollenproteine und deren Funktion. Letztendlich könne dies zu einer stärkeren Allergenität der Proteine führen und somit zu einer höheren Inzidenz von Allergien bei desensibilisierten Personen, so das Fazit der Autoren. Für sie können die Ergebnisse das Therapieversagen bei Pollenallergikern erklären, die in Gegenden mit hoher Luftverschmutzung leben, erklären. Dies sollte von Ärzten – insbesondere während der Blühsaison von Birken – berücksichtigt werden, aber auch von Stadtplanern. Auf allergische Bäume sollte verzichtet werden.

„Das Thema ist sexy“, kommentiert Prof. Jeroen Buters, stellvertretender Direktor des ZAUM-Zentrums für Allergie & Umwelt und Leiter der Arbeitsgruppe „Umwelt“ am TUM-Helmholzzentrum München, die Studienergebnisse. Allerdings hält er die Ergebnisse für möglicherweise nicht relevant. Zwar sei ein höherer Allergengehalt – wie in der Studie festgestellt – indikativ für eine stärkere Allergenität, so Buters. Sein Einwand: „Woher weiß man, dass die unterschiedlichen Bet v1-Gehalte nicht ein Artefakt der Probennahme sind?“ Buters zufolge ist die Bet v1-Konzentration sehr stark von der Reifung der Pollen abhängig, jeden Tag im Reifeprozess nehme die Menge des Proteins „dramatisch zu“ – damit spiele der Sammelzeitpunk eine entscheidende Rolle. „Drei Bäume pro Ort als Probe reichen nicht aus“, betont Buters. Sein Fazit: „Luftverschmutzung ist nicht gut für die Gesundheit. Der Effekt von Feinstaub auf Allergien ist aber umstritten.“ Allerdings sei eine Städteplanung mit weniger Verkehr „immer gut“.

Für PD Stefanie Gilles, Leiterin des Fachbereichs „Umwelt-Immunologie“ an der Universität Augsburg behandelt die Studie ein „äußerst wichtiges Thema: Den Zusammenhang zwischen Luftverschmutzung und der Allergenität von Birken.“ Diese seien die am stärksten allergenen Bäume in den gemäßigten Klimazonen. Aber Gille kritisiert, dass an den ausgewählten Standorten keine direkten Messungen der Schadstoffe durchgeführt wurden. Auch mit den Schlussfolgerungen der Autoren aus ihren Ergebnissen ist die Expertin nicht ganz einverstanden: „Die Schlussfolgerung, dass die beobachteten Unterschiede an den Pollen tatsächlich zu einer verstärkten Immunreaktion bei Allergikern führen, ist jedoch nicht zulässig, da keinerlei entsprechende Tests an Patienten mit den Pollenproben durchgeführt wurden.“ In-vitro-Versuche wie Immunoblots mit Patientenseren oder Basophilen-Aktivierungstests, Versuche am Mausmodell oder an Birkenpollenallergikern – nasale Provokation, Haut-Pricktest oder Aktivierungstest – wären für Gille „unerlässlich, um eine solche Schlussfolgerung zu stützen“.

Mit Blick auf die Stadtplanung konstatiert die Wissenschaftlerin: „Da Birken noch immer sehr häufig in Städten vorkommen, ist der Befund, dass die Allergenität von Birkenpollen durch Verkehrsemissionen verstärkt werden könnte, durchaus ernst zu nehmen. Bei der Planung neuer Grünflächen könnte in Zukunft darauf geachtet werden, keine stark allergenen Pflanzen wie Hasel, Erle oder Birken an Stellen zu pflanzen, an denen die Belastung mit Luftschadstoffen hoch ist.“ (ja)