Mangelernährung bei älteren Menschen besser erkennen11. Dezember 2023 Dr. Nicolas Fabian Graeb mit den Gutachtern Prof. Reinhold Wolke (HS Esslingen) und Prof. Petra M. Lührmann sowie Dekan Prof. Thomas Weiß (rechts) nach der Verteidigung der Dissertation. Bildquelle: PH Schwäbisch Gmünd Ein hohes Risiko von Mangelernährung und Muskelabbau bei geriatrischen Patienten hat Dr. Nicolas Fabian Graeb in seinem Dissertationsprojekt ermittelt. Ernährungsstatus und -entwicklung werden dabei bislang in den Krankenhäusern kaum erfasst, so dass während und nach dem Klinikaufenthalt nicht adäquat interveniert bzw. wiederaufgebaut wird. In mehreren Erhebungen wertete Graeb mit einem Forschungsteam zum einen Routinedaten aus der Altenpflege von Bewohnern und Bewohnerinnen mit mindestens dreitägigem Krankenhausaufenthalt aus. So sollte ermittelt werden, wie sich das Körpergewicht im Zusammenhang mit der akut-stationären Behandlung verändert. Zum anderen erhob das Forschungsteam auf mehreren Stationen in zwei Kliniken Daten zum Ernährungsmanagement, dem Ernährungszustand der älteren Patienten, deren Essverhalten und erfolgten Ernährungstherapien. Zu guter Letzt maßen die Wissenschaftler in einer kleinen Stichprobe auf denselben Stationen unter anderem die Körperzusammensetzung und den Muskelstatus zu Beginn des Klinikaufenthaltes und kurz vor der Entlassung. Ziel war es herauszufinden, wie der Muskelstatus der geriatrischen Patienten ist und ob weitere Muskelmasse im Verlauf verloren geht. Es zeigte sich, dass bereits bei der Aufnahme viele Personen ein Mangelernährungsrisiko aufweisen und der Anteil bis zur Entlassung weiter zunimmt, von 36,2 Prozent auf 48,6 Prozent. Häufig wird in einem relativ kurzen Zeitraum erheblich an Gewicht verloren, 21,9 Prozent verlieren mindestens fünf Prozent ihres Körpergewichtes. Hiervon sind auch übergewichtige Patienten betroffen. In der Folge erhöht sich das Mortalitätsrisiko. Der schlechte Ernährungszustand wird aber nur selten erkannt. Gleichzeitig wird auch eine geringe Nahrungszufuhr in der Klinik selten bemerkt, entsprechende Interventionen finden kaum statt und erreichen auch nicht unbedingt die Betroffenen. Es zeigt sich in allen Datenanalysen ein Zusammenhang mit der Dauer des Klinikaufenthaltes. Anhand der Analyse der Körperzusammensetzung wird deutlich, dass fast zwei Drittel der Älteren bei Aufnahme ins Krankenhaus bereits einen kritisch reduzierten Muskelstatus aufweisen. Im Verlauf verliert fast die Hälfte der untersuchten Personen mindestens ein Kilogramm Muskelmasse, Frauen weisen dabei ein höheres Risiko auf. Die Daten zeigen, dass selbst in den kurzen Zeiträumen der akut-klinischen Versorgung bei älteren Patienten häufig ein erheblicher Gewichtsverlust eintritt. Gleichzeitig ist der Ernährungszustand auch schon bei Einweisung oftmals reduziert, was aber aufgrund der fehlenden oder nicht zuverlässig durchgeführten Mangelernährungsscreenings selten erkannt wird. So sind gezielte Interventionen kaum möglich und erfolgen eher zufällig bzw. vermutlich auch personenabhängig. Es ist daher erforderlich das Ernährungsmanagement in den Kliniken besser zu organisieren, angefangen beim Risikoscreening, über strukturierte Interventionskonzepte bis hin zum Entlassmanagement. Hierfür sind eine gute interprofessionelle Kooperation und eine allgemeine Sensibilisierung für die Problematik grundlegend. Eingeleitete Therapien müssen auch nach Entlassung fortgeführt werden, ein besonderes Augenmerk sollte hierbei auf den Wiederaufbau von Muskelmasse und Kraft gelegt werden, um bei den älteren Menschen Mobilität und damit Selbstständigkeit im Alltag zu erhalten. Zudem sollte über alle Settings eine Mangelernährung möglichst früh erkannt und am besten weitestgehend vorgebeugt werden. Hierfür ist es erforderlich Probleme wie Kau- und Schluckschwierigkeiten, Vereinsamung, Medikamentennebenwirkungen und Appetitverlust aus anderen Gründen möglichst frühzeitig zu registrieren und entsprechend zu intervenieren. In den Einrichtungen, sowohl im Krankenhaus als auch der Langzeitpflege, müssen vor allem ein bedürfnisgerechtes Nahrungsangebot, eine bedarfsgerechte Unterstützung bei der Nahrungsaufnahme und die interprofessionelle Kooperation zwischen Pflege, Medizin, Ernährungsberatung und Hilfskräften verstärkt in den Mittelpunkt gestellt werden. Veröffentlichungen zu den Teilstudien Graeb F, Wientjens R, Wolke R, Essig G (2020): Veränderungen des Ernährungsstatus geriatrischer PatientInnen während der stationären Krankenhausbehandlung. Aktuelle Ernährungsmedizin, 45(1), S. 16-24. doi.org/10.1055/a-0942-9070 Graeb F, Wolke R, Reiber P (2021): Gewichtsverluste und Mangelernährungsrisiko bei geriatrischen PatientInnen. Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie, 54(8), S. 789-794. doi.org/10.1007/s00391-021-01900-z Graeb F, Reiber P, Wolke R (2021): Malnutrition risk in obese geriatric patients? A routine data based analysis for patients living in nursing homes. Ernährungs Umschau, 68(5), S. 95–101. Graeb F, Wolke R (2021): Malnutrition and Inadequate Eating Behaviour during Hospital Stay in Geriatrics – An Explorative Analyses of NutritionDay Data in Two Hospitals. Nurs. Rep.,11(4), S. 929-941. doi.org/10.3390/nursrep11040085 Graeb F, Wolke R (2021): Mangelernährung bei geriatrischen Patient*innen: Risikofaktor stationäre Langzeitpflege? HeilberufeScience, 12(3-4), S. 58-66. https://doi.org/10.1007/s16024-021-00353-z Graeb F, Manegold C, Rein J, Wolke R (2022): Reduzierter Muskelstatus und Muskelabbau bei geriatrischen Patient*innen. Aktuelle Ernährungsmedizin, 47(1), S. 15-25. https://doi.org/10.1055/a-1528-7018
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