„Maskiertes“ Interleukin-12: Möglichkeit der Krebstherapie mit weniger Nebenwirkungen

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Viele Krebstherapien sind für den Patienten belastend, da sie neben Tumorzellen auch gesunde Zellen angreifen und Nebenwirkungen verursachen. US-amerikanische Forschende hat jetzt eine neue „maskierte“ Version des Immuntherapeutikums Interleukin-12 (IL-12) entwickelt, das nur aktiviert wird, wenn es einen Tumor erreicht.

„Unsere Forschung zeigt, dass diese maskierte Version von IL-12 viel sicherer für den Körper ist, aber dieselbe Anti-Tumor-Wirksamkeit wie das Original besitzt“, berichtet Aslan Mansurov von der Pritzker School of Molecular Engineering (PME) der University of Chicago. Er führte die Studie zum IL-12-Engineering zusammen mit Jeffrey Hubbell, dem Eugene-Bell-Professor für Tissue Engineering, durch, der zusammen mit Prof. Melody Swartz den Bereich Immunoengineering im PME leitet.

Toxizität überwinden

Man weiß, dass IL-12 Lymphozyten stark aktiviert. In den 1990er-Jahren aber wurden frühe klinische Versuche mit IL-12 wegen schwerer toxischer Nebenwirkungen bei Patienten eingestellt. Dieselbe Immunaktivierung, die eine Kaskade von Ereignissen auslöste, die Krebszellen töteten, führte auch zu schweren Entzündungen im ganzen Körper. IL-12 wurde – zumindest in seiner natürlichen Form – für die Therapie zurückgestellt.

Mansurov, Hubbell, Swartz und Kollegen hatten jedoch eine Idee, um die Möglichkeit einer Therapie mit IL-12 neu zu beleben. Was wäre, wenn das Medikament durch den Körper schlüpfen könnte, ohne das Immunsystem zu aktivieren? Die Forschenden entwarfen ein „maskiertes“ Molekül mit einer Art Kappe, die den Abschnitt von IL-12 abdeckt, der normalerweise Immunzellen bindet. Diese Kappe kann nur durch Tumor-assoziierte Proteasen entfernt werden: eine Reihe molekularer Scheren in der Nähe von Tumoren, die dabei helfen, umgebendes gesundes Gewebe abzubauen. Wenn die Proteasen die Kappe entfernen, wird IL-12 aktiv und kann eine Immunantwort gegen den Tumor auslösen. „Das maskierte IL-12 ist überall im Körper weitgehend inaktiv, außer an der Stelle des Tumors, wo diese Proteasen die Maske abspalten können“, erklärt Mansurov.

Abnehmen der Maske

Die Forscher führten eine Reihe von Experimenten durch, die zeigten, dass das maskierte Molekül nicht die Entzündung verursachte, die dem unmodifizierten IL-12 zugeschrieben wird. Als sie die Wirkung des manipulierten IL-12 bei Kolonkarzinomen testeten, stellten sie fest, dass das Medikament zur vollständigen Eliminierung der Krebszellen führte. In Brustkrebsmodellen war maskiertes IL-12 sogar wirksamer als Anti-PD1-Antikörper.

Um den potenziellen Nutzen des neuen Medikamentes bei der Behandlung von Menschen weiter zu untersuchen, wandten sich Mansurov und seine Kollegen Melanom- und Brustkrebsbiopsien zu. Das Team wollte sicherstellen, dass sich bei Krebserkrankungen ausreichend hohe Konzentrationen an tumorassoziierten Proteasen finden ließen, um IL-12 zu demaskieren. Als das manipulierte IL-12 den Biopsieproben ausgesetzt wurde, löste sich die molekulare Maske, sodass die volle Immunleistung freigesetzt wurde.

„Jahrzehntelang hat das Fachgebiet gehofft, dass IL-12 eines Tages ein brauchbares Therapeutikum im Kampf gegen Krebs werden könnte, und wir haben jetzt gezeigt, dass dies möglich ist“, erklärt Mansurov. „Wir möchten dieses Molekül in die Klinik überführen und sprechen jetzt mit einer Reihe potenzieller Partner, um dies zu erreichen.“ Es wird zwar einige Zeit dauern, diese neue Entwicklung den Patienten zugänglich zu machen, aber die neue Therapieoption ist bereits in Sichtweite.