Massensterben der Kraniche geht weiter – Vogelgrippe breitet sich rasant aus

(Symbolbild) Foto: © Studio Lichtfang – pixabay.com

Die Vogelgrippe trifft Brandenburg hart. Kraniche sterben massenhaft und in noch nie dagewesenem Ausmaß. Landwirte müssen den Verlust tausender Tiere verkraften. Und dies ist wohl erst der Anfang. Der Kontakt zu toten Vögeln ist zu vermeiden, so das FLI.

Nach dem massenhaften Sterben von Kranichen an der Vogelgrippe sind Krisenstäbe im Land in Alarmbereitschaft.

Freiwillige Helfer und Artenschützer sind in Schutzanzügen im Linumer Teichgebiet im Nordwesten Brandenburgs im Einsatz, um tote Kadaver einzusammeln.

In Brandenburg wurde Kritik laut, die betroffene Region mit um die 1.000 toten Kranichen bekomme nicht genügend professionelle Unterstützung. Landesagrarministerin Hanka Mittelstädt (SPD) sagte, es werde geprüft, ob der Krisenfall ausgerufen wird und möglicherweise das Technische Hilfswerk (THW) zum Einsatz komme.

Derweil lief in einem Agrarbetrieb in Kremmen die Tötung von 5.000 Gänsen an.

Wichtige Fragen zur Seuchenlage im Überblick: 

Wie ist die Seuchenlage und die Gefahr für Wildvögel?

Das Agrarministerium und Artenschützer rechnen damit, dass noch weit mehr tote Wildvögel an der Vogelgrippe sterben, da der Vogelzug gen Süden andauert. „Wir sind erst beim Beginn und das heißt, wenn die Temperaturen runtergehen, dann wird die Seuchenlage sich noch deutlich verschärfen (…)“, sagte Ministerin Mittelstädt bei Radio Eins vom RBB. 

„Jetzt geht es wirklich um ein Massensterben“, meinte der Leiter des Artenschutzzentrums Rhinluch, Norbert Schneeweiß. Innerhalb weniger Tage sind nach Schätzungen bereits mehr als 1.000 Kraniche im Linumer Teichland gestorben. Aber auch innerhalb von Orten werden tote Kraniche gefunden, wie der Fehrbelliner Bürgermeister Mathias Perschall (SPD) sagte. 

Zudem herrscht die Sorge, dass sich die Seuche verstärkt auf andere Vogelarten ausweitet. Laut Friedrich-Loeffler-Institut sollen die toten Kraniche schnell eingesammelt und weggebracht werden, um weitere Infektionen vor allem von Aasfressern wie Krähen, Raben und Seeadlern zu vermeiden. 

Die Vogelgrippe bedroht inzwischen Wildvögel in ganz Europa. Die Organisation Kranichschutz Deutschland teilte mit: „Die Zahlen der toten Glückvögel gehen bereits jetzt in die tausende.“ Es sei nur der „Anfang eines Massensterbens“.

Wie läuft der Einsatz im Linumer Teichland?

Seit Tagen sind Helfer in Schutzanzügen und mit Mundschutz im Einsatz, waten durchs Wasser, um tote Kraniche einzusammeln. Es handelt sich beim Linumer Teichland, das sich auf mehrere Landkreise erstreckt, um ein bedeutendes Rastgebiet für jährlich zehntausende Zugvögel. 

Der Vogelgrippe-Einsatz wird aus Sicht des Artenschützers Schneeweiß inzwischen schwieriger. „Es wird problematischer, weil wir jetzt schwer zugänglichere Gebiete haben.“ Ein kleines Team von fünf bis zehn Helfern sei im Einsatz und suche nun mehr und tiefere Gewässer ab. Zur Erkundung der Lage sei auch eine Drohne über das Gebiet geflogen. Die Kadaver kommen dann in Container und müssen entsorgt werden. 

Wer stellt Hilfe bereit und warum gibt es Kritik?

Bislang wird das Technische Hilfswerk (THW) nicht eingesetzt zur Bewältigung der Vogelgrippe, weil dazu der Krisenfall ausgesprochen werden muss. Das sagte Agrarministerin Mittelstädt Radio Eins. Dies werde aber geprüft und abgestimmt. „Ich denke, wenn wir wirklich flächendeckend, auch deutschlandweit flächendeckend, diese Seuchenlage haben (…), dann werden wir da zugreifen müssen“, so Mittelstädt. Im Krisenzentrum werde jederzeit geprüft, wie die aktuelle Lage sei und „wo wir Unterstützung geben können“. 

Es hatte Kritik gegeben, die Bewältigung der Seuchenlage könne nicht ehrenamtlichen Helfern überlassen werden. Die Zuständigkeit liegt laut Ministerium aber zunächst bei den Landkreisen. 

Inzwischen hat der Landkreis Ostprignitz-Ruppin Hilfe beim Land angefordert. „Wir haben zwischen 60 und 100 Kräfte beim Land angemeldet“, sagte Landrat Ralf Reinhardt (SPD) der Deutschen Presse-Agentur. Sie sollen beim Einsammeln der Kadaver im Linum Teichland unterstützen. Der Landrat will sich am Freitag auch vor Ort ein Bild der Lage machen.

Wie groß ist die Sorge bei Geflügelhaltern? 

Der Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft e. V. (ZDG) warnte, die hochpathogene Aviäre Influenza gefährde die gesamte Geflügelproduktion in Deutschland. Gemeint ist die Geflügelpest, die umgangssprachlich Vogelgrippe genannt wird. Betroffen sind vor allem Freiland-Haltungen und Tiere mit Auslauf. 

In Brandenburg sind bislang drei Fälle eines Vogelgrippe-Ausbruchs bei Geflügelbetrieben in den Landkreisen Märkisch-Oderland, Potsdam-Mittelmark und Oberhavel bekannt. Mehr als 14.000 Enten, Puten und Gänse sind betroffen und mussten getötet werden. 

Zuletzt war ein Kranich mitten in die Gänseherde des Spargelhofs Kremmen gestürzt – er liegt im Zuggebiet der Wildvögel. 5.000 Gänse müssen gekeult werden. Die Aktion lief am Donnerstagmittag an.

In den betroffenen Gebieten werden Schutz- und Überwachungszonen gezogen. Geflügel soll dann möglichst in Ställen oder unter Schutzvorrichtungen untergebracht sein, damit ein Kontakt mit Wildvögeln vermieden werden kann. Die Landkreise erließen umfangreiche Auflagen zum Schutz vor einer Ausbreitung der Vogelgrippe.

Von Monika Wendel, dpa

Friedrich-Loeffler-Institut zur aktuellen Lage

Die Ausbreitung der Vogelgrippe unter Kranichen hat nach Einschätzung des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) ein in Deutschland bislang nicht gekanntes Ausmaß angenommen. Eine Häufung verendeter Tiere, so wie in diesem Herbst, sei bislang noch nicht beobachtet worden, sagte eine Sprecherin des für Tierseuchen zuständigen Bundesinstituts. Bei eingesandten Tierkadavern habe das FLI als nationales Referenzlabor die Infektion mit der besonders ansteckenden Variante des Vogelgrippe-Virus H5N1 bestätigt.

Erste Schätzungen gehen davon aus, dass bisher etwa 2.000 Kraniche auf dem alljährlichen Vogelzug nach Süden in den deutschen Rastgebieten an der Geflügelpest verendeten. Allein in Nordbrandenburg wurden nach Behördenangaben zwischenzeitlich fast 1.000 tote Kraniche geborgen, die Suche hält an. An einem Stausee an der Landesgrenze zwischen Thüringen und Sachsen-Anhalt wurden mehr als 500 tote Tiere gefunden, über 100 in der Mecklenburgischen Seenplatte. Der Höhepunkt der Kranichrast wird ernst noch erwartet, sodass Fachleute auch mit deutlich höheren Zahlen toter Tiere rechnen.

Das Ausmaß erinnert an Fälle im Ausland in den vergangenen Jahren:

Bei einem Seuchenzug im Winter 2023 seien in Ungarn mehr als 10.000 Kraniche der Vogelgrippe zum Opfer gefallen, teilte die FLI-Sprecherin mit. Im Jahr 2021 seien in Israel 8.000 tote Kraniche gezählt worden.

Auch andere Wildvögel und Nutzgeflügel betroffen  

Das Virus befällt aber auch andere Wildvogelarten. In den zurückliegenden 15 Jahren seien besonders Reiherenten, Lachmöwen, Seeschwalben und auch Basstölpel betroffen gewesen, hieß es vom Loeffler-Institut. Doch auch vor Nutzgeflügel wie Legehennen, Mastgänsen oder Puten macht das hochansteckende Virus nicht Halt. 

Zuletzt brach die Geflügelpest unter anderem in zwei Großbetrieben mit Legehennen in Vorpommern aus. Nach Angaben des Schweriner Landwirtschaftsministeriums mussten dort knapp 150.000 Tiere vorsorglich getötet werden. Bereits Mitte Oktober waren im niedersächsischen Landkreis Cloppenburg 20.500 Puten gekeult worden.

Die Gesamtzahl der seit Jahresbeginn getöteten Nutztiere liegt noch weitaus höher. 

Als Reaktion auf die wachsende Zahl nachgewiesener Infektionen hat das Friedrich-Loeffler-Institut in seiner aktuellen Bewertung das Risiko für weitere Ausbrüche in Geflügelhaltungen und auch für Wildvögeln von niedrigeren Stufen auf „hoch“ gesetzt. 

Kontakt zu toten Vögeln vermeiden

Laut Institut ist es besonders wichtig, tote Wildvögel wie die Kraniche schnell einzusammeln und sicher zu entsorgen, um die Übertragung des Virus zu unterbinden. Auch Aasfresser wie Krähen, Raben und Seeadlern können die Krankheit weitertragen. Zudem werden Tierhalter aufgefordert, die Hygienebestimmungen sehr genau einzuhalten, das Geflügel möglichst in Ställen unterzubringen und Kontakte zu Wildvögeln und deren Ausscheidungen zu verhindern.

Die Vogelgrippe wird auch Geflügelpest genannt. Sie ist hochansteckend und nimmt bei vielen Vogelarten rasch einen tödlichen Verlauf. Für die Bevölkerung besteht laut FLI kein besonderes Risiko.

Doch sollte der Kontakt zu toten Vögeln in jedem Fall vermieden werden. Ehemals war das Virus im Zusammenhang mit dem Vogelzug nur während der kalten Jahreszeit hierzulande präsent. Mittlerweile gibt es das ganze Jahr hindurch Nachweise, wenn auch mit saisonalen Schwankungen.

Vogelgrippe – Auch Nabu gibt Tipps für umsichtiges Verhalten

Angesichts mehrerer Geflügelpest-Ausbrüche in Niedersachsen warnt der Naturschutzbund (Nabu) davor, tote Vögel anzufassen. Wer ein verendetes Tier oder eins mit neurologischen Auffälligkeiten in Niedersachsen sehe, solle das Veterinäramt informieren, teilte das Nabu-Artenschutzzentrum in Leiferde bei Gifhorn mit.

Die Einrichtung betonte, dass sie ebenso wie andere Tierauffangstationen oder Artenschutzeinrichtungen wegen der Gefahrenlage derzeit nicht in der Lage sei, die Tiere aufzunehmen.

Der Nabu empfiehlt zudem, Hunde an die Leine zu nehmen, um die Ausbreitung nicht noch weiter anzutreiben. Sie würden sonst Vögel aufschrecken, die den Erreger so weiter verbreiten könnten oder geschwächt werden.

Aktuelle Fälle:

Am Nachmittag/Abend gab es Vogelgrippemeldungen aus Garrel in Niedersachsen, aus dem Alb-Donau-Kreis in Baden-Württemberg, sowie aus der Stadtmitte von Essen in Nordrhein-Westfalen, wo das Virus bei einer Kanadagans nachgewiesen wurde.