MDR-TB: Mit künstlicher Intelligenz neuen Wirkstoffkombinationen auf der Spur

Mithilfe selbstlernender Algorithmen wollen die Forscher das Zusammenspiel verschiedener Medikamente bei der Wirkung auf den Stoffwechsel von TB-Erregern verstehen. (Foto: © momius/Adobe Stock)

Grundlegend neue Ansätze gegen multiresistente Keime zu entwickeln – das ist das Ziel des Baye­rischen Forschungsnetzwerks „Neue Strategien gegen multiresistente Krankheitserreger mittels digitaler Vernetzung“ (bayresq.net). Der Freistaat Bayern fördert ab 2020 sechs interdisziplinäre Forschergruppen für ihre wegweisende Zukunftsforschung. Eines der Projekte nutzt das Potential neuer digitaler Methoden und Künstlicher Intelligenz (KI) zur Bekämpfung multiresistenter Tuberkulose (MDR-TB). Geleitet wird es von den Wissenschaftlern PD Dr. Andreas Wieser vom Tropeninstitut am LMU Klinikum München und vom Max von Pettenkofer-Institut der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU), Prof. Michael Hoelscher vom Tropeninstitut am LMU Klinikum und Prof. Fabian Theis sowie Dr. Michael Menden von der Technischen Universität München (TUM)/Helmholtz Zentrum München.

Für die erfolgreiche Behandlung der Tuberkulose (TB) wird ein Mix aus verschiedenen Medikamenten verabreicht. Problematisch wird es, wenn die bakteriellen Erreger Resistenzen bilden. Um die Ausbreitung der Tuberkulose zu verhindern, müssen daher nicht nur neue Antibiotika entwickelt, sondern auch immer neue Wirkstoffkombinationen gefunden werden.

Geeignete Medikamenten-Cocktails, die auch gegen resistente Bakterien wirksam sind, können bislang nur durch teure klinische Studien identifiziert werden. Es mangelt an nicht klinischen, im Labor durchführbaren Ansätzen, die das Zusammenspiel neuer Wirkstoffe vorhersagen können.

Die Münchner Wissenschaftler wollen dies ändern: „Mit unserem Projekt wollen wir das dringend benötigte präklinische Labormodell entwickeln, um neue Wirkstoffkombinationen für die TB-Behandlung bereits im vorklinischen Stadium vorherzusagen“, beschreibt Hoelscher das Forschungsvorhaben. „Wir setzen selbstlernende Algorithmen ein, um das Zusammenspiel von verschiedenen Medikamenten bei der Wirkung auf den Stoffwechsel der TB-Erreger, den Mykobakterien, zu verstehen“, erläutert Theis (TUM)/Helmholtz Zentrum München.

„Besonderes Interesse besteht darin, biologische Moleküle zu bestimmen, die Resistenzmechanismen wiederspiegeln, und herauszufinden, wie wir dies gezielt mit Medikamenten reversieren können“, fügt Menden hinzu.

Einsatz neuer experimenteller Techniken und von KI

Durch eine neue, an der LMU entwickelte experimentelle Technik kann die Neubildung von vielen Biomolekülen in Mykobakterien dynamisch, das heißt über die Zeit, gemessen werden. „Dadurch können wir die Veränderung der Stoffwechselwege von TB-Erregern während der Behandlung mit Antibiotika beobachten. Dies ermöglicht es uns, die Wirkung verschiedener Antibiotika sowohl einzeln als auch in Kombination zu charakterisieren“, schildert Wieser das Vorgehen.

Die dabei entstehenden dynamischen Daten über die Wirkungsweise werden mithilfe von KI und Systembiologie modelliert, um ein besseres Verständnis des Erregers zu erhalten. Damit wollen die Forscher herausfinden, welche Wirkstoffe ideal zusammenpassen. Auf dieser Basis könnten künftig neue Kombinationen von Medikamenten für die Behandlung von Tuberkulose entwickelt werden, die auch gegen resistente Erreger wirksam sind.