Mechanische Signale steuern Synapsenbildung im Gehirn18. November 2025 Immunfärbung von kultivierten Neuronen (rot: Zellkern; weiß: Tubulin, blau: Aktin; Bild: © Eva Kreysing) Ein internationales Forschungsteam zeigt, dass mechanische Eigenschaften des Gehirngewebes wesentlich zur Ausbildung neuronaler Netzwerke und elektrischer Signalübertragung beitragen. Die Ergebnisse liefern neue Hinweise auf mögliche Mechanismen neurologischer Entwicklungsstörungen. Wie sich Synapsen während der Gehirnentwicklung ausbilden, ist trotz jahrzehntelanger Forschung immer noch nicht vollständig verstanden. Nun hat ein internationales Forschungsteam des Max-Planck-Zentrums für Physik und Medizin Erlangen (MPZPM), der University of Cambridge (England) und der University of Warwick (England) herausgefunden, dass mechanische Eigenschaften des Gehirns eine bedeutende Rolle in diesem Entwicklungsprozess spielen. Die Wissenschaftler zeigten, wie die Fähigkeit von Neuronen, Steifigkeit wahrzunehmen, mit molekularen Mechanismen zusammenhängt, die die neuronale Entwicklung regulieren. Die Studie wurde kürzlich in „Nature Communications“ veröffentlicht. Die Synapsenbildung wird durch die lokale Steifigkeit des Gehirns reguliert Während seiner Entwicklung hat das Gehirn eine sehr weiche Konsistenz, je nach Region variiert jedoch seine Steifigkeit. Bei Embryonen des Afrikanischen Krallenfrosches sahen die Forschenden, dass weichere Gehirnareale eine höhere Anzahl an Synapsen haben als steifere Regionen. Um zu testen, ob die Steifigkeit einen direkten Einfluss auf die Synapsenbildung hat, versteifte das Team unter Leitung von Prof. Kristian Franze das Gehirn künstlich. Dabei war zu beobachten, dass sich die Synapsenentwicklung in allen Regionen verzögerte. Die Wissenschaftler bewiesen so, dass mechanische Eigenschaften des Gehirns aktiv beeinflussen, wie schnell und wo Synapsen gebildet werden. „Dies verändert unser Verständnis davon, wie das Gehirn reift, grundlegend“, berichtet Franze. „Bislang hat sich die Neurowissenschaft vor allem darauf konzentriert, wie chemische Signale die Entwicklung des Gehirns beeinflussen. Die Berücksichtigung mechanischer Signale bietet eine neue Perspektive auf die Entwicklung des Gehirns und könnte zu neuen Erkenntnissen über neurologische Entwicklungsstörungen führen“, fügt Erstautorin Dr. Eva Kreysing hinzu. Mechanosensitives Protein verzögert Synapsenbildung in steiferen Umgebungen Um zu verstehen, wie Nervenzellen ihre mechanische Umgebung wahrnehmen, untersuchte das Team genetisch veränderte Neuronen. So konnten sie bestimmte Proteine in Neuronen eliminieren und Prozesse wie die Synapsenbildung und die elektrische Signalübertragung unter kontrollierten Bedingungen untersuchen. Die Forschenden fanden heraus, dass sowohl die Synapsenbildung als auch die elektrische Aktivität von der Steifigkeit der Umgebung abhängen. Neuronen nehmen diese Steifigkeit über den mechanosensitiven Ionenkanal Piezo1 wahr. Die Wissenschaftler maßen dann die Expression Tausender Gene und entdeckten, dass Piezo1 die neuronale Entwicklung in steiferen Umgebungen verzögert. Der Mechanismus dahinter ist die Reduktion der Expression von Transthyretin – einem Protein, das die Synapsenbildung reguliert. Die Aufdeckung dieses Signalwegs konnte zeigen, wie die Wahrnehmung von Steifigkeit mit molekularen Mechanismen zusammenhängt, die die neuronale Entwicklung steuern.„Diese Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung mechanischer Signale für die Gehirnentwicklung und weisen auf ihre mögliche Rolle bei der Entstehung von neuronalen Schaltkreisen im Gehirn hin“, schlussfolgerte Prof. Thora Karadottir von der University of Cambridge.Die identifizierte Signalkaskade, die die steifigkeitsabhängige Entwicklung von Nervenzellen steuert, bietet Forschenden laut den Autoren zukünftig neue Ansatzpunkte zur Erforschung entwicklungsbedingter Erkrankungen des Nervensystems. Diese Mechanismen könnten eine Rolle bei Störungen wie Schizophrenie oder Autismus spielen.
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