Medikament aus Krebs-Chemotherapie hilft, tödliche Pilzinfektionen zu bekämpfen28. Februar 2023 Haben den Aspergillus-Biofilm im Blick: Françoise Routier (rechts) und ihre Wissenschaftliche Mitarbeiterin Patricia Zarnovican. (Foto: © Karin Kaiser/MHH) Infektionen mit dem Pilz Aspergillus fumigatus sind schwer zu bekämpfen – insbesondere, weil der Pilz einen Biofilm bildet und sich so vor Antimykotika und der Immunabwehr schützen kann. Das Krebsmedikament Imatinib verhindert die Abschottung. Bis zu 10.000 Pilzsporen befinden sich in jedem Kubikmeter Luft, die beim Einatmen in unseren Körper gelangen können. Einige davon gehören zur Art A. fumigatus, einem weit verbreiteten Pilz, der überall in der Umwelt vorkommt. Bei immungeschwächten Menschen – etwa nach Transplantation oder schweren Atemwegserkrankungen wie Grippe oder COVID-19 – kann der Pilz in die Lunge eindringen und eine Aspergillose auslösen. Die Infektion ist besonders schwer zu behandeln – insbesondere, weil sich der Pilz mit einem Biofilm umgibt. Dieser wirkt wie eine Art Klebstoff und ermöglicht es Aspergillus, sich im Gewebe festzusetzen. Zudem schottet sich der Pilz auf diese Weise ab und schützt sich vor Angriffen durch das Immunsystem und speziell gegen Antimykotika. Ein Forschungsteam um Prof. Françoise Routier vom Institut für Klinische Biochemie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) hat einen Weg gefunden, mithilfe eines Medikamentes aus der Krebs-Chemotherapie die Bildung eines solchen Aspergillus-Biofilms zu verhindern. Die Studie erfolgte mit Unterstützung durch den Exzellenzcluster RESIS. Zuckermolekül ist wichtig für die Biofilm-Bildung A. fumigatus ist ein opportunistischer Pilz, der ein geschwächtes Immunsystem ausnutzt und unterschiedlich schwere Krankheiten von Allergien bis zu tödlichen Mykosen verursachen kann. Die Infektion beginnt in der Lunge, kann sich jedoch über die Blutbahn in Gehirn, Herz, Leber und Nieren ausbreiten und betrifft jedes Jahr mehr als 300.000 Menschen. In den Atemwegen ist Aspergillus in einen Biofilm eingebettet, der eine Barriere gegen die Abwehrzellen des Immunsystems und antimikrobielle Substanzen bildet. „Einer der Hauptbestandteile dieses Biofilms ist ein Zuckermolekül, das der Pilz selbst herstellt und dann nach außen in seine unmittelbare Umgebung transportiert“, erklärt Routier. Dort wird das Zuckermolekül vom Enzym Deacetylase Agd3 chemisch verändert. Dieser Schritt ist wesentlich dafür, dass sich der Pilz an das Körpergewebe kleben kann. Das konnten die Forschenden nachweisen: Biotechnologisch veränderte Pilze, denen das Enzym Agd3 fehlte, konnten keinen Biofilm mehr herstellen. Die Idee der Biochemikerin war nun, eine Substanz zu suchen, die das Enzym Agd3 hemmt und so die Bildung des Biofilms verhindert. Dafür hat sie mit Computerhilfe Arzneimittelbibliotheken nach Wirkstoffen durchsucht, die bereits zugelassen sind und genau diese Agd3-Aktivität hemmen. Dieses In-silico-Screening führte auf die Spur des Medikamentes Imatinib, das in der Chemotherapie eingesetzt wird. In Zellkultur konnte Imatimib den Aspergillus-Biofilm deutlich verringern. Auch Untersuchungen an Larven des Schmetterlings Galleria mellonella bestätigten die Wirkung. Die Raupen der „Großen Wachsmotte“ dienen der Forschung als Modellorganismus für die Untersuchung von Biofilmen, die von Mikroorganismen wie etwa Pilzen oder auch Bakterien verursacht werden. „Wir haben die Larven mit Aspergillus infiziert und gesehen, dass durch Behandlung mit dem Chemotherapeutikum weniger Raupen gestorben sind“, berichtet Routier. Imatinib muss seine Wirkung als Zellgift verlieren Bevor Imatinib gegen Biofilme beim Menschen eingesetzt werden kann, muss der Wirkstoff allerdings noch chemisch verändert werden. „Das Medikament zerstört zwar die Schutzschicht der Pilzkolonie, wirkt aber als Chemotherapeutikum auch als Zellgift, was für diese Anwendung ja unerwünscht ist“, erläutert die Biochemikerin. Lässt sich die zytotoxische Wirkung entfernen, ohne dass die Agd3-Hemmwirkung verloren geht, könnte der Biofilm-Zerstörer das Problem der zunehmenden Resistenzen gegen die eingesetzten Antimykotika zumindest abschwächen. „Das gibt uns große Hoffnung für die Entwicklung neuer Kombinationstherapien gegen den Pilz“, erklärt Routier.
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