Medikamentöse Blutdrucktherapie senkt Demenzrisiko

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Seit einigen Jahren ist ein Zusammenhang zwischen Demenz und Bluthochdruck bekannt; Menschen, die chronisch zu hohe Blutdruckwerte haben, erkranken offensichtlich häufiger an Demenz. Doch lässt sich dieses erhöhte Demenz-Risiko umgekehrt auch durch eine medikamentöse Blutdrucktherapie senken?

Eine Demenz kann Ausdruck und Folge verschiedener Erkrankungen sein wie der Alzheimer-Krankheit, der Lewy-Körperchen-Demenz oder gefäßbedingter Schädigungen im Gehirn. Laut S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie1 sind etwa 50 bis 70 Prozent der Demenzerkrankten der Alzheimer-Demenz und ca. 15 bis 25 Prozent der vaskulären Demenz zuzuordnen.

Nachgewiesen ist, dass die medikamentöse Blutdrucksenkung beispielsweise das Schlaganfall- und Herzinfarktrisiko signifikant reduziert – doch hat sie auch einen Effekt auf die Demenzrate? Und wenn ja, welche Substanzklasse von Blutdrucksenkern – ACE-Hemmer, Angiotensin-II-Rezeptor-Blocker, Betablocker, Calciumkanalblocker oder Diuretika – ist diesbezüglich besonders effektiv?

Eine aktuelle Arbeit2 wertete sechs große Kohorten prospektiver Beobachtungsstudien mit insgesamt mehr als 31.000 Menschen ohne vorbestehende Demenzerkrankung im Alter von über 55 Jahren aus – und stratifizierte sie in zwei Gruppen: Eine Gruppe umfasste Studienteilnehmer, die zum Zeitpunkt des Studieneinschlusses normale Blutdruckwerte (<140/<90 mm Hg) aufwiesen (n=15.553), die andere jene mit erhöhten Blutdruckwerten (n=15.537). Der Anteil der Studienteilnehmer, die eine medikamentöse blutdrucksenkende Therapie erhielten, variierte in den sechs Studien, die in die Analyse eingegangen waren, und lag zwischen 32,5 Prozent und 62,1 Prozent.

Im Ergebnis erkrankten insgesamt 3728 Studienteilnehmer während des Beobachtungszeitraums neu an einer Demenz, bei 1741 Patienten handelte es sich um eine Alzheimer-Demenz. Verglich man die Erkrankungsrate von Patienten mit Bluthochdruck, die medikamentöse Blutdrucksenker einnahmen, mit denjenigen, die unbehandelt waren, zeigte sich nach Adjustierung der Daten, dass die medikamentöse Bluthochdrucktherapie vor Demenz schützt: Die Patienten, deren Bluthochdruckerkrankung behandelt wurde, hatten ein um 12 Prozent signifikant geringeres Risiko, an Demenz (HR: 0,88; p = 0,019) bzw. ein um 16 Prozent niedrigeres Risiko an Alzheimer (HR: 0,84; p = 0,021) zu erkranken. Hatte es zuvor zum Teil widersprüchliche Daten zur Rolle des Bluthochdruckdrucks gegeben, zeigt diese Metaanalyse deutlich einen positiven und klinisch relevanten Einfluss der Bluthochdruckkontrolle.

Prof. Richard Dodel, DGN-Experte für demenzielle Erkrankungen, sieht hier ein großes Potenzial für die Prävention: „Bluthochdruck ist ein immenses Gesundheitsproblem in unserer Bevölkerung. Im Alter von über 60 ist fast jeder Zweite davon betroffen und viele Patienten sind unbehandelt oder unzureichend eingestellt. Wir wissen nun, dass diese Menschen durch die medikamentöse Blutdrucksenkung nicht nur ihr Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen verringern können, sondern auch das Risiko, später an Demenz zu erkranken. Dieses Präventionspotenzial sollte unbedingt ausgeschöpft werden, letztlich auch, weil wir bis heute keine krankheitsmodifizierende Therapie gegen Demenz haben und die Zahl der Erkrankten weiter steigt.“

Die Auswertung zeigte außerdem, dass es nicht entscheidend war, mit welcher Substanzklasse die Patienten behandelt worden waren, keine der fünf verschiedenen Substanzklassen erwies sich hinsichtlich der Risikoreduktion gegenüber den anderen als überlegen. „Es ist also nicht so, dass eine bestimmte Klasse von Blutdrucksenkern einen ‚Anti-Demenz-Effekt‘ hätte, sondern, dass eine erfolgreiche Blutdrucksenkung in den Zielwertbereich unter 140/90 mm Hg zur Reduktion des Demenzrisikos führt“, so der Experte weiter. Dementsprechend zeigte sich auch bei den Studienteilnehmern mit normalen Blutdruckwerten, die – aus welchen Gründen auch immer – Blutdrucksenker eingenommen hatten, im Hinblick auf die Demenzrate kein Effekt.

„Wir Neurologen können gar nicht oft genug appellieren, Menschen mit Bluthochdruck konsequent zu behandeln und die Blutdrucksenker wie verschrieben regelmäßig einzunehmen. Das schützt gleich vor zwei neurologischen ‚Volkskrankheiten‘: Schlaganfall und Demenz“, erklärt Prof. Hans-Christoph Diener, Essen, Pressesprecher der DGN, abschließend.

Literatur:
1. S3-Leitlinie „Demenzen“ (Langversion–Januar 2016)
2. Ding J et al.: Antihypertensive medications and risk for incident dementia and Alzheimer´s disease: a meta-analysis of individual participant data from prospective cohort studies.
Lancet Neurology 2020;19:61-70.