Medizin für die Lebenden und die Toten

Elke Doberentz ist neue Direktorin des Instituts für Gerichtliche Medizin Innsbruck. (Foto: © Florian Lechner/MUI)

Seit Juli 2023 steht das Institut für Gerichtliche Medizin Innsbruck (Österreich) unter einer neuen Leitung: Mit Elke Doberentz hat das Institut eine Expertin gewonnen, die in ihrem Forschungsgebiet, der forensischen Medizin, einen weiteren Schwerpunkt etablieren möchte. Doberentz und ihrem Team ist es bereits gelungen, Biomarker bei Brandopfern und zur Bestimmung des Wundalters zu identifizieren.

Doberentz ist seit Juli 2023 neue Direktorin des Instituts für Gerichtliche Medizin Innsbruck (GMI) an der Medizinischen Universitätbekommen. „Es freut mich, dass wir mit Elke Doberentz eine hervorragende Rechtsmedizinerin und Wissenschafterin gewinnen konnten, die das große Spektrum der Innsbrucker Gerichtsmedizin mit den etablierten Forschungsschwerpunkten Forensische Genomik und Toxikologie um weitere wichtige forensisch medizinische Aspekte erweitern wird“, sagt Wolfgang Fleischhacker, Rektor der Medizinischen Universität Innsbruck. Doberentz, die zuletzt das Institut für Rechtsmedizin am Universitätsklinikum Bonn kommissarisch geführt hat, beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Vitalitätsmarkern von Brandopfern. „Es ist mein Ziel, für die verschiedensten rechtlichen Fragestellungen mikromorphologische Marker zu finden, die unmittelbar in die Routine einfließen können“, sagt sie.

(Vermeintlicher) Tod in den Flammen

Ist ein Mensch in den Flammen umgekommen, oder war er möglicherweise schon vor Ausbruch des Feuers tot? Handelt es sich vielleicht um ein Tötungsdelikt, das verschleiert werden sollte? In Ermittlungen sind das wesentliche Fragen, die bei einer Obduktion zunächst oft nicht sicher zu beantworten sind. Doberentz hat sich mit ihren KollegInnen daher auf die Suche nach einem aussagekräftigen Biomarker gemacht – und sie wurden bei der retrospektiven Untersuchung von mehreren hundert Fällen fündig.

Das Team hat entdeckt, dass sich Hitzeschockproteine bei extremen Temperatureinwirkungen in den Organen von lebendigen Menschen – hauptsächlich in Nieren und Lungen – vermehrt bilden. „Bei Stress schützt sich die Zelle damit. Anhand von Proben, die bei der Obduktion entnommen und im Labor immunhistochemisch gefärbt werden, kann man diese Proteine sichtbar machen. Es ist ein sehr verlässlicher Marker, der anzeigt, ob eine Person zur Zeit des Brandausbruchs noch gelebt hat“, sagt Doberentz. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass bei Menschen, die schon vor Brandausbruch verstorben sind, keine Hitzeschockproteine mehr gebildet wurden. Mit ihrem Innsbrucker Team will die Expertin hierzu weitere molekularbiologische Untersuchungen (mRNA, microRNA) anschließen. Außerdem ist die Gerichtsmedizinerin auch auf der Suche nach einem zuverlässigen Marker bei Erfrierungsopfern.

Bei der Untersuchung von Strangmarken von Erhängungstodesfällen hat Doberentz einen wichtigen Marker in Gewebeproben identifiziert: „Aquaporine sind Zellmembran-Strukturen, die sich nach einer Reizung bzw. Verletzung der Haut intensiv anfärben lassen und dadurch Rückschlüsse auf die Vitalität der Verletzung erlauben. Sind sie nachweisbar, ist davon auszugehen, dass die Verletzung der Haut noch zu Lebzeiten entstanden ist. Aquaporine sind daher Vitalitätsmarker, für eine Tatrekonstruktion ist das bedeutsam“, schildert die neue Direktorin. In Zukunft plant sie auf diesem Gebiet Gewebeproben auch auf molekularbiologischer Ebene zu analysieren.