Medizinische Innovation: Mit Bluetooth und Schwingungen schwere Brüche schneller heilen4. Dezember 2023 Theo Höring (2.v.r.) mit dem Direktor der Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie, Michael J. Raschke (r.), Studienassistentin Britta Kirsch und Assistenzarzt Moritz Lodde. (Foto: UKM) Im Rahmen einer Studie an der Universität Münster wird ein fixierendes und doch bewegliches Implantat, das über Bluetooth Belastungsdaten aus dem Bein ans Smartphone sendet eingesetzt. Es soll die Heilung einer Pseudarthrose nach einer Oberschenkelfraktur ermöglichen. Es ist eine Premiere in der Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie des Universitätsklinikums Münster (UKM): Erstmalig wurde hier einem Patienten im Rahmen einer seit November 2023 laufenden klinischen Studie nach einem Knochenbruch des Oberschenkels eine flexible Fixierplatte („Biphasic Plate“) eingesetzt, die über einen sogenannten „Fracture Monitor“ verfügt; ein kleines Gerät, dessen Sensor per Bluetooth in Echtzeit Belastungsdaten aus dem Bein ans Smartphone sendet. „Mithilfe der ,Fracture Monitor Biphasic Plate‘ kann die Knochenheilung erstmalig patientenindividuell überwacht werden und zudem können individuelle Nachbehandlungen und Belastungsschemata für jeden Patienten erstellt werden“, erklärt Prof. Michael J. Raschke, Direktor der Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie am UKM. Ein Patient, der von den Vorteilen dieser Behandlung profitiert, ist der 57-jährige Theo Höring, der als Maschinenbauingenieur in Münster arbeitet. Bei einem schweren Motorradunfall Anfang 2021 erlitt er mehrere Brüche, von denen ihm vor allem der im Oberschenkel bis heute Probleme bereitet. In etwa zehn Prozent der Fälle, in denen Brüche mit festen Platten fixiert werden, kommt es laut Studien zu Heilungsproblemen. So auch bei Höring, dessen Knochen nach einer Marknagelung eine Pseudarthrose entwickelte. Abhilfe soll hier eine neuartige Form der Fixierung schaffen, die sogenannte „Biphasic Plate“, die Höring Anfang November implantiert wurde. „Die Platte erlaubt eine dosierte Beweglichkeit und regt somit den Knochen durch Schwingung zum Heilen an“, erläutert Assistenzarzt Dr. Moritz Lodde. „Dabei bewegt sie sich bei geringer Belastung mehr als eine übliche Platte und wird bei höherer Belastung im weiteren Heilungsprozess deutlich steifer.“ Die „Biphasic Plate“ ist in Deutschland und der Schweiz schon über 60 Mal eingesetzt worden; neu in Münster – und bislang einzigartig in Deutschland und der Schweiz – ist, dass sie bei der Operation von Höring mit einem „Fracture Monitor“ bestückt war. Dieses kleine Gerät ist direkt auf dem Implantat angebracht, misst die dortige Belastung und sendet die Daten in Echtzeit per Bluetooth an ein Smartphone. „Das ist ein großer Vorteil für die Patienten, für nachbehandelnde Ärztinnen und Ärzte oder Physiotherapeuten“, sagt Raschke. Statt sonst üblicher bildgebender Verfahren während der Nachsorgetermine könne der Heilungsprozess anhand der Daten aus dem „Fracture Monitor“ bewertet werden. Eine Verminderung der Strahlenbelastung durch Röntgenbilder ist ein weiterer Vorteil dieser Innovation. „Zudem lässt sich ganz unmittelbar und kontinuierlich bestimmen, welche Belastung des Beins aktuell möglich ist und wann beispielsweise wieder mit dem Sporttraining begonnen werden kann“, ergänzt Lodde. Maximal zwei Jahre darf der „Fracture Monitor“ im Körper bleiben – da das Implantat bei gutem Verlauf aber schon nach acht bis zwölf Monaten entfernt werden kann, wird der Monitor diese Frist vermutlich nicht ausreizen. Auch Höring ist zuversichtlich. „Ich bin begeistert von der Möglichkeit, die Knochenheilung auf dem Smartphone überwachen zu können und hoffe, dass der Bruch so jetzt vollständig verheilen wird.“ Sollte das Projekt erfolgreich sein, könnten „Fracture Monitor Bipahsic Plates“ künftig bei vielen komplizierten Frakturen standardmäßig zum Einsatz kommen. Ein Ziel, das dann nicht nur den Patientinnen und Patienten zugutekäme, wie Raschke betont: „Ein kürzerer Krankheitsausfall führt zu weniger Einbußen der Lebensqualität und des sozialen Lebens der Patienten und damit auch zu einem geringeren wirtschaftlichen Schaden für die Gesellschaft.“
Mehr erfahren zu: "Kampf gegen Antibiotikaresistenzen: Keime wegleuchten" Kampf gegen Antibiotikaresistenzen: Keime wegleuchten Schweizer Forschende entwickeln eine Beschichtung, deren keimtötende Wirkung mittels Infrarotlicht aktivierbar ist. Zudem ist die Kunststoffschicht hautverträglich und umweltfreundlich. Eine erste Anwendung wird derzeit für die Zahnmedizin umgesetzt.
Mehr erfahren zu: "Warken offen für finanzielle Anreize bei Vergabe von Arztterminen" Warken offen für finanzielle Anreize bei Vergabe von Arztterminen Die Gesundheitsversorgung soll effizienter werden. Können Gebühren und Boni bei einer stärkeren Steuerung von Praxisterminen helfen? Gesundheitsministerin Nina Warken sieht verschiedene Optionen.
Mehr erfahren zu: "Künstliche Intelligenz sagt Risiko von mehr als 1000 Erkrankungen vorher" Künstliche Intelligenz sagt Risiko von mehr als 1000 Erkrankungen vorher Während ChatGPT darauf trainiert wurde, Textbausteine vorherzusagen, kann ein neues GPT-Modell offenbar das Risiko für eine Vielzahl von Krankheiten Jahre im Voraus abschätzen. Kommt jetzt „HealthGPT“?