Mehr als 7,5 Millionen Neudiagnosen psychischer Erkrankungen in 202229. November 2024 Bei jungen Menschen hat die Zahl psychischer Neuerkrankungen im Jahr 2022 deutlich zugenommen. (Foto: © fizkes – stock.adobe.com) Im Jahr 2022 erhielten mehr als 7,5 Millionen gesetzlich Versicherte ab 18 Jahren eine neue Diagnose einer psychischen Störung. Vielfach zeigen sich rückläufige Trends, das Inzidenzniveau bei Belastungsreaktionen, psychosomatischen Störungen und Depressionen bleibt aber weiter hoch. Das zeigen Daten des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland (Zi). Danach ist im Jahr 2022 bei 7,52 Millionen gesetzlich versicherten Patientinnen und Patienten ab 18 Jahren mindestens eine psychische Störung oder Verhaltensstörung nach jeweils zwei diagnosefreien Jahren neu diagnostiziert worden. Das mittlere Alter in dieser Patientengruppe lag bei 49 Jahren. Am häufigsten wurden Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen (29 % Anteil an allen Erstdiagnosen aus diesem Diagnosebereich), gefolgt von somatoformen Störungen (27 %) und depressiven Episoden (18 %) erstmals diagnostiziert. Bei den depressiven Störungen zeigen die Abrechnungsdaten von 2015 zu 2022 bei den 18- bis 24-Jährigen sowie den 25- bis 29-Jährigen deutliche Inzidenzanstiege (+26 bzw. +12 %). Dagegen war die Inzidenz in den Altersgruppen ab 30 Jahre durchweg rückläufig (im Durchschnitt -17 %). Frauen sind mit einem Anteil von 63,7 Prozent der Erstdiagnosefälle 2022 deutlich häufiger betroffen als Männer. Die Inzidenz depressiver Störungen ging von 2015 bis 2022 in 15 Regionen der Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) zurück, am stärksten in Bremen (-33 %). In Sachsen-Anhalt (+1 %) und Sachsen (+8 %) stieg die Inzidenz hingegen an. Im letzten Studienjahr wies Thüringen mit 365,9 neu diagnostizierten Patienten pro 10.000 Personen die niedrigste Inzidenz auf, während sie in Berlin (580,1/10.000) am höchsten war. Die Inzidenz somatoformer Störungen ging mit Ausnahme der ab 80-Jährigen im Beobachtungszeitraum in den meisten Altersgruppen zurück. Besonders große Abnahmen waren bei den 18- bis 54-Jährigen (durchschnittlich -20 %) zu beobachten. Im Jahr 2022 nahm die Inzidenz bis zur Altersgruppe 55–59 Jahre zu. Über den gesamten Studienzeitraum hinweg zeigten sich starke Geschlechtsunterschiede mit vielfach höherer Inzidenz bei Frauen (ca. 70 %). Die Inzidenz somatoformer Störungen sank im Studienzeitraum in allen KV-Regionen (um durchschnittlich -14 %). Am niedrigsten war sie 2022 in Westfalen-Lippe und am höchsten in Berlin (411,9 vs. 908,2/10.000). Das Krankheitsbild der nichtorganischen Schlafstörungen zeigte von 2015 zu 2022 Inzidenzanstiege in allen Altersgruppen zwischen zehn Prozent (70–74 Jahre) und 38 Prozent (25–29 Jahre). Die Altersverteilung blieb über beide Jahre nahezu unverändert mit einem ersten Höchstwert nach kontinuierlicher Zunahme bei den 55- bis 59-Jährigen und einem zweiten Altersgipfel nach Wiederanstieg bei den ab 85-Jährigen. In allen Altersgruppen waren Frauen häufiger betroffen. Insgesamt lag ihr Anteil 2022 bei 64,6 Prozent. Für die Inzidenz diagnostizierter nichtorganischer Schlafstörungen waren mit Ausnahme von Rheinland-Pfalz (-10 %) in allen anderen KV-Regionen von 2015 zu 2022 relative Anstiege zwischen 5 Prozent (Schleswig-Holstein) und 72 Prozent (Sachsen-Anhalt) zu verzeichnen. Auch hier wurde die niedrigste Inzidenz in Westfalen-Lippe beobachtet, die höchste in Berlin (37,9 vs. 83,6/10.000). Weitere längerfristige Anstiege zeigten sich bei Angst- und Belastungsstörungen. Auch bei den Essstörungen waren 2021 und 2022 leichte Inzidenzzunahmen zu beobachten. Das sind zentrale Ergebnisse einer aktuellen Versorgungsatlas-Studie zu „Inzidenztrends für 37 psychische Störungen bei Erwachsenen in der ambulanten Versorgung 2015-2022“, die das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) heute veröffentlicht hat. „Die mentale Gesundheit der Bevölkerung ist in den letzten Jahren, vor allem im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie und weiteren krisenhaften Entwicklungen, zunehmend in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Dies wird durch eine zunehmende Entstigmatisierung psychischer Störungen begleitet. Hohe Arbeitsunfähigkeits- und Erwerbsminderungsrentenzahlen infolge von psychischen Störungen verdeutlichen die enormen gesellschaftlichen Folgewirkungen dieser Krankheitsbilder“, erklärte der Zi-Vorstandsvorsitzende Dr. Dominik von Stillfried. Die damit verbundenen direkten und indirekten Kosten hätten einen signifikanten Einfluss auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung in Deutschland, so von Stillfried weiter: „Unsere aktuelle Studie liefert erstmals Erkenntnisse zu Inzidenztrends über einen Zeitraum von acht Jahren für ein breites Spektrum psychischer Störungen und Verhaltensstörungen bei Erwachsenen. Die psychotherapeutische Versorgung in Deutschland gilt im internationalen Vergleich als nahezu beispiellos. Dennoch werden vielfach Forderungen nach einem weiteren Ausbau laut. Vor diesem Hintergrund liefern unsere Analysetrends eine wichtige Diskussionsgrundlage für die evidenzgestützte Weiterentwicklung der ambulanten Versorgungsstrukturen.“ Datengrundlage der Studie waren die bundesweiten vertragsärztlichen und -psychotherapeutischen Abrechnungsdaten gemäß § 295 SGB V aus den Jahren 2013 (1. Quartal) bis 2023 (3. Quartal). Für 37 psychische und Verhaltensstörungen sind die rohe sowie die altersstandardisierte kumulative Diagnoseinzidenz pro 10.000 GKV-Versicherte ab 18 Jahre nach zwei Jahren diagnosefreier Vorbeobachtungszeit berechnet worden. Weiterhin werden rohe und altersstandardisierte Inzidenzwerte auf Ebene der Kassenärztlichen Vereinigungen (n=17) sowie der Landkreise und kreisfreien Städte (n=401, Gebietsstand 31. Dezember 2016) berichtet. Die Standardbevölkerung zur direkten Altersstandardisierung bildete die deutsche Bevölkerung ab 18 Jahre zum Stichtag 31. Dezember 2022.
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