Mehr als Landschaftspflege: Wie Rentiere der Biodiversität und dem Klima helfen30. Dezember 2024 Rentiere schützen durch ihre Beweidung die Böden, beeinflussen den Kohlenstoffhaushalt und können die Vielfalt von Pflanzen und Tieren fördern. Foto: © Carsten W. Müller Während Rentiere oft als treue Helfer des Weihnachtsmanns gelten, leisten sie in der realen Welt einen weit größeren Beitrag: In der Arktis spielen die Tiere eine Schlüsselrolle im Kampf gegen den Klimawandel und für den Erhalt der Biodiversität. Prof. Dr. Carsten Müller von der TU Berlin untersucht in Zusammenarbeit mit internationalen Partnern, wie Rentiere durch ihre Beweidung die Böden schützen, den Kohlenstoffhaushalt beeinflussen und die Vielfalt von Pflanzen und Tieren fördern können. Die Erkenntnisse könnten neue Ansätze für den globalen Umwelt- und Klimaschutz liefern.In den arktischen Permafrostböden sind immense Mengen an Kohlenstoff gespeichert – mehr als in der gesamten weltweiten Biomasse. Durch den Klimawandel taut dieser Permafrost, was zur Freisetzung von Kohlendioxid und Methan führt und einen Teufelskreis des Temperaturanstiegs in Gang setzt. „Hier kommen Rentiere ins Spiel“, erklärt Carsten Müller. „Indem sie die Vegetation kurz halten, verhindern sie die durch den Klimawandel hervorgerufene Verbuschung, welche die Isolation der Böden verstärkt. Außerdem befreien sie an einigen Stellen mit ihren Hufen den Boden vom Schnee. Dadurch kann die Winterkälte besser in den Boden eindringen und das Auftauen des Permafrosts wird verlangsamt.“Förderung der BiodiversitätDoch nicht nur für das Klima, auch für die Biodiversität leisten Rentiere einen wichtigen Beitrag. Große Pflanzenfresser wie Rentiere, Moschusochsen oder Wisente schaffen durch ihre Bewegungen und ihre Beweidung ein Mosaik aus unterschiedlichen Landschaftstypen. Diese offenen Flächen bieten Lebensraum für zahlreiche Pflanzen- und Tierarten, die auf solche Bedingungen angewiesen sind. „In unseren Forschungsprojekten, von Grönland bis hin zum Białowieża-Nationalpark in Polen, sehen wir, dass sich die Anwesenheit von großen Huftieren direkt auf die Artenvielfalt auswirkt“, berichtet der Bodenkundler. Ein Beispiel vor der Haustür ist Sielmanns Naturlandschaft in der Döberitzer Heide in Brandenburg, wo Wisente, Wildpferde und Rothirsche auf ehemaligen Truppenübungsflächen heute eine natürliche Beweidung ermöglichen. Diese Tiere tragen dazu bei, offene Lebensräume zu erhalten, die für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten essentiell sind, und schaffen ein Landschaftsmosaik, das mit herkömmlichen Methoden kaum zu erreichen wäre.Mögliche Kohlenstoffsenke durch HuftiereEin spannender Aspekt der Forschung ist der Einfluss von großen Huftieren auf die Kohlenstoffspeicherung im Boden. Erste Daten deuten darauf hin, dass das Beweiden durch Rentiere und andere Pflanzenfresser nicht nur die Vegetation beeinflusst, sondern auch Prozesse im Boden verändert. Der punktuelle Eintrag von Stickstoff über Dung und die natürliche Bodenbearbeitung durch Trittflächen könnten sich positiv auf die langfristige Speicherung von Kohlenstoff im Boden auswirken oder zumindest helfen, die bestehende Speicherkapazität zu erhalten. „Auch wenn noch nicht abschließend geklärt ist, wie groß dieser Effekt ist, zeigt sich, dass der Erhalt von stabilen, funktionalen Ökosystemen durch Huftiere ein Schlüssel sein könnte, um die Kohlenstofffreisetzung zu verringern“, so Müller.Nature-Based Solutions im FokusDie Forschungen zu Rentieren sind Teil eines wachsenden Trends zu sogenannten „Nature-Based Solutions“. Diese naturbasierten Lösungen sind von der Natur oder natürlichen Prozessen inspiriert und nutzen diese gezielt, um Herausforderungen wie den Klimawandel zu begegnen. „Unsere Daten zeigen, dass große Pflanzenfresser nicht nur für eine höhere Biodiversität sorgen, sondern auch stabilere Ökosysteme schaffen können“, so Carsten Müller weiter. „Sie fungieren quasi als Landschaftsgärtner.“Die Forschungen werden in Zusammenarbeit mit der University of California, Davis, der Universität Aarhus, der Universität Cambridge als auch der Universität Kopenhagen durchgeführt.
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