Mehr Embolien, höhere Sterblichkeit: Wie sich die Pandemie auf die Gefäßgesundheit auswirkt

Blood clot made of red blood cells, platelets and fibrin protein strands. Thrombus, 3D illustration

Die SARS-CoV-2-Pandemie wirkt sich auf Menschen mit Gefäßleiden besonders drastisch aus. Darauf verweist die Deutsche Gesellschaft für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin e.V. (DGG) und ruft angesichts des hohen Gefährdungspotenzials alle betroffenen Patientinnen und Patienten auf, sich sowohl gegen Corona als auch gegen Grippe impfen zu lassen.

SARS-CoV-2 hat in der zweiten Pandemiewelle zu einer deutlichen Zunahme von Lungenembolien geführt. Das belegt eine Analyse von Versichertendaten der Barmer Krankenkasse. Auch ist die Anzahl der Notfallbehandlungen wegen Durchblutungsstörungen in den Beinen während des ersten Lockdowns zurückgegangen, zugleich sind Schweregrad und Sterblichkeit dieser Notfälle jedoch angestiegen. Auf diesen Umstand verweist jüngst die DGG.

Verglichen wurden Behandlungsdaten aller Patientinnen und Patienten, die in den ersten beiden Pandemiewellen mit lebensbedrohlichen Gefäßproblemen als Notfälle in Kliniken eingeliefert wurden – insgesamt etwa 64.000 Barmer-Versichertenfälle. Das Ergebnis des Vergleichs: Lungenembolien stiegen von etwa 9,9 pro 100.000 Fälle während der ersten Welle auf 15,3 während der zweiten, intensiveren Pandemiewelle. „Das entspricht einer Zunahme um 15 Prozent“, berichtet PD Dr. Christian-Alexander Behrendt, Leiter der Forschungsgruppe GermanVasc an der Klinik und Poliklinik für Gefäßmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Etwa 15 Prozent der Patientinnen und Patienten mit Lungenembolien waren SARS-CoV-2 positiv.

Andere Untersuchungen kommen zu ähnlichen Ergebnissen, was den Zusammenhang von COVID-19 und einer verstärken Bildung von Blutgerinnseln betrifft – darunter eine Meta-Analyse, die 42 Studien weltweit mit etwa 8000 Patientinnen und Patienten umfasst, die zwischen Januar 2020 und Juni 2020 behandelt wurden. „Auch diese systematische Übersicht bestätigt eine überdurchschnittliche Häufung von Lungenembolien bei COVID-Erkrankten, insbesondere bei schweren Verläufen“, erklärt DGG-Experte Behrendt. „Die Lungenembolien traten oft trotz Gabe von Gerinnungshemmern auf“, setzt der Gefäßchirurg hinzu.

Wie die Versichertendaten der Barmer weiter zeigen, ist die Zahl der Notfallbehandlungen wegen akuter Beinischämien im April und Mai 2020 um etwa zwölf Prozent gesunken. „Parallel dazu ist der Schweregrad der akuten Beinischämien, die in den Kliniken ankamen, gestiegen, was wir am Case-Mix-Index und der erhöhten Krankenhaussterblichkeit ablesen können“, berichtet Behrendt. Ab Ende März 2020 erfolgte in Deutschland der erste Lockdown, der mit starken Kontaktbeschränkungen verbunden war und etwa sieben Wochen andauerte.

DGG-Experte Behrendt vermutet, dass Betroffene in dieser Zeit darauf verzichteten, mit Gefäßverschlüssen zum Arzt zu gehen und stattdessen leichtere Beschwerden wie taube, blasse, kalte Beine und blaue Zehen klaglos ertrugen. „Sie kamen dann – wenn sie nicht verstarben – verzögert in die Kliniken, was zu schlechteren Behandlungsergebnissen geführt haben könnte“, erläutert der Gefäßexperte. „Auf Gefäßerkrankungen haben sich die pandemiebedingten Umstände der medizinischen Priorisierung insgesamt nachteilig ausgewirkt.“

Einen sehr ungünstigen Einfluss übt auch eine SARS-CoV-2-Infektion auf Patientinnen und Patienten mit akuten Beinischämien aus, die sich zur Behandlung im Krankenhaus befinden. „Ohne SARS-CoV-2-Infektion versterben fünf Prozent dieser Gefäßpatientinnen und -Patienten im Krankenhaus, mit einer SARS-CoV-2-Infektion sind es 14 Prozent“, erklärt Behrendt. Die DGG ruft daher alle, die an einer Schaufensterkrankheit leiden – einer pAVK –, ausdrücklich sowohl zur COVID- als auch zur Grippe-Impfung auf. „Da pAVK-Erkrankte häufig in ihrer Mobilität eingeschränkt und auf Unterstützung ihres Umfeldes angewiesen sind, richten wir den Appell auch an deren Angehörige und betreuende Hausärzte“, betont der Hamburger Gefäßmediziner.