Mehr Lebensqualität für Krebskranke im Endstadium: Essener Forschungsteam testet Herzmedikamente

Tienush Rassaf, Studienleiter und Direktor der Klinik für Kardiologie und Angiologie des Universitätsklinikums Essen. Foto: ©Isabel Hernandez/UK Essen

Kardioonkologie – mit diesem Stichwort verbindet man vermutlich zunächst die Vermeidung und Therapie kardiotoxischer Langzeitschäden durch eine onkologische Behandlung. Dass dieses Fachgebiet auch in der Palliativbehandlung schwerstkranker Krebspatientinnen und Krebspatienten eine wichtige Rolle spielt, zeigen Forschende aus Essen.

Die Arbeitsgruppe um Prof. Tienush Rassaf, Direktor der Klinik für Kardiologie und Angiologie des Universitätsklinikums Essen (UK Essen), untersucht aktuell, ob sich durch eine individuelle Therapie mit kardiovaskulären Medikamenten die Lebensqualität von palliativ betreuten Tumorpatientinnen und -patienten mit Herzerkrankungen verbessern lässt. Ziel ist, den Betroffenen Alltägliches wieder zu ermöglichen, wie beispielsweise sich zu waschen oder zur Toilette zu gehen – was für diese bereits eine unüberwindbare Hürde darstellen kann.

Das Vorhaben wird von der Brost-Stiftung mit Sitz in Essen seit 2021 und noch bis zum Sommer 2024 mit 600.000 Euro gefördert. Die Stiftung unterstützt Projekte im Bereich von Kunst und Kultur, Jugend- und Altenhilfe, Volks- und Berufsbildung sowie mildtätige Zwecke.

Hintergrund der Studie aus Essen ist, dass es sowohl im Rahmen der Tumorerkrankung selbst (Tumorkachexie) als auch durch die spezifische Tumortherapie zu Schädigungen am Herzen kommen kann, die zu einer Herzschwäche führen. „Doch auch wenn die Funktion des Herzens noch weitgehend ungestört ist, leiden viele Patientinnen und Patienten unter Symptomen einer Herzschwäche wie Luftnot und Schwäche“, erläutert Studienleiter Rassaf. Er sieht dringenden Handlungsbedarf: „Nicht zuletzt, weil bisher unklar ist, welche Mechanismen in den Körpern der Betroffenen dafür verantwortlich sind, dass sich ihr Zustand rasch verschlechtert.“ Zudem gebe es keine wirksamen Therapien zur Behandlung von Patientinnen und Patienten mit Krebs im Endstadium und Herzerkrankungen.

Im Jahr 2021 starteten Rassaf und Kollegen daher ein Projekt, dass aufklären soll, ob eine moderne Therapie, wie sie für Patientinnen und Patienten mit Herzinsuffizienz empfohlen wird, auch jenen mit Tumorerkrankung und Herzschwäche-ähnlichen Beschwerden eine Besserung der Symptome im Alltag ermöglicht. „Hierfür setzen wir die Medikamente Sarcubitril/Valsartan, Empagliflozin, Ivabradin und intravenöses Eisen ein. Die individuelle Therapiestrategie hängt dabei von einzelnen Charakteristika des Patienten wie der Herzfrequenz, dem Blutdruck und dem Eisengehalt im Blut ab“, berichtet der Experte auf dem Gebiet der Onkologischen Kardiologie.

An der Studie sollen insgesamt 72 Personen mit soliden Tumoren in einem fortgeschrittenen Tumorstadium teilnehmen, die über Symptome wie Kurzatmigkeit und Schwäche klagen. Eine bestehende Herzinsuffizienz ist dabei kein Einschlusskriterium. Im Vordergrund der Behandlung mit der kardiovaskulären Medikation steht nicht die Therapie des Tumors und die Prognoseverbesserung, sondern die Linderung der Beschwerden sowie die Aufrechterhaltung des Alltags der Betroffenen im Vergleich zur jeweils üblichen Therapie. Um die Veränderung der Lebensqualität zu objektivieren, hat die Studiengruppe vom UK Essen spezielle patientenzentrierte Endpunkte entwickelt. Hierzu zählt laut Rassaf die Möglichkeit zum selbstständigen Waschen, die Gehgeschwindigkeit aber auch Indizes des körperlichen Wohlbefindens.

Die ersten Patientinnen und Patienten konnten in Essen als federführendes Zentrum bereits in die Studie aufgenommen werden. „Weitere Zentren mit ausgewiesener Expertise wie die Charité in Berlin und die Universitätsklinik Heidelberg starten kurzfristig ebenfalls“, berichtet Studienleiter Rassaf. Geplant ist, die Untersuchung bis zum Ende der Förderung durch die Brost-Stiftung im Sommer 2024 abzuschließen. Der Mediziner geht davon aus, dass sich aus den Ergebnissen weitere Fragestellungen ergeben, die in sich anschließenden Studien untersucht werden müssen.

(ah)