Migränekopfschmerz: Forscher entdecken neuen zugrundeliegenden Mechanismus11. Juli 2024 Symbolbild: ©peterschreiber.media/stock.adobe.com Neue Erkenntnisse im Wissenschaftsmagazin „Science“ weisen auf einen Kommunikationsweg zwischen dem zentralen und dem peripheren Nervensystem hin, der möglicherweise an der Auslösung von Migräne beteiligt ist. Bei etwa einem Viertel aller Migränepatienten geht den Kopfschmerzattacken eine Aura voraus. Während mit einiger Sicherheit bekannt ist, warum Patienten eine Aura erleben, sind die Gründe für den Kopfschmerz selbst und die einseitige Migräne im Speziellen eher unbekannt. Bis jetzt. In einer neuen Studie an Mäusen, die von Forschern der Universität Kopenhagen, des Rigshospitalet und des Bispebjerg-Krankenhauses (Dänemark) durchgeführt wurde, konnte erstmals nachgewiesen werden, dass mit der Liquorflüssigkeit Proteine, die bei Migräne mit Aura aus dem Gehirn freigesetzt werden, zu den für die Kopfschmerzen verantwortlichen Neuronen transportiert werden. Trigeminusganglion ist direkt dem Liquor ausgesetzt „Wir haben herausgefunden, dass diese Proteine eine Gruppe sensorischer Nervenzellen an der Schädelbasis, das sogenannte Trigeminusganglion, aktivieren, das als Tor zum peripheren sensorischen Nervensystem des Schädels bezeichnet werden kann“, sagt Postdoc und Erstautor Martin Kaag Rasmussen vom Center for Translational Neuromedicine an der Universität Kopenhagen. Das Besondere: An der Wurzel des Trigeminusganglions fehlt die Barriere, die normalerweise das Eindringen von Substanzen in die peripheren Nerven verhindert. In ihrer Untersuchung zeigen die Wissenschaftler, dass dadurch Signalproteine aus dem Liquor in die sensorischen Schmerznerven gelangen und diese aktivieren können, was zu Kopfschmerzen führt. Bislang ging man davon aus, dass sich die Trigeminusganglien „außerhalb“ der Blut-Hirn-Schranke befinden und daher nicht direkt dem Liquor ausgesetzt sind. „Unsere Ergebnisse legen nahe, dass wir den primären Kommunikationskanal zwischen dem Gehirn und dem peripheren sensorischen Nervensystem identifiziert haben. Es handelt sich um einen bisher unbekannten Signalweg, der für die Entstehung von Migränekopfschmerzen wichtig ist und möglicherweise auch bei anderen Kopfschmerzerkrankungen eine Rolle spielt“, sagt Studienleiterin Prof. Maiken Nedergaard. Identifikation Migräne-relevanter Proteine im Liquor Die Studie wurde an Mäusen durchgeführt. Mit Hilfe von Massenspektrometrie analysierte die Forschungsgruppe den Cocktail von Substanzen, die während der Aura-Phase eines Migräneanfalls freigesetzt werden. „Die Konzentration von elf Prozent der 1425 Proteine, die wir im Liquor identifiziert haben, veränderte sich während eines Migräneanfalls. Davon wirkten zwölf Proteine, deren Konzentration erhöht war, als Transmittersubstanzen, die in der Lage sind, sensorische Nerven zu aktivieren“, erläutert Kaag Rasmussen. „Das bedeutet, dass die Proteine, wenn sie freigesetzt werden, über die besagten Signalwege zum Trigeminusganglion gelangen, wo sie an einen Rezeptor eines schmerzsignalisierenden sensorischen Nervs binden, den Nerv aktivieren und den Migräneanfall auslösen, der auf die Aurasymptome folgt.“ Weiterhin umfasste die Studie magnetresonanztomographische Scans des menschlichen Trigeminalganglions. Nach Ansicht der Wissenschaftler deutet alles darauf hin, dass die Funktion des Signalwegs bei Mäusen und Menschen gleich ist und dass die Proteine auch beim Menschen durch die Liquorflüssigkeit transportiert werden. „Die meisten Patienten leiden unter einseitigen Kopfschmerzen, und dieser Signalweg kann zur Erklärung beitragen. Unsere Studie über den Transport von Proteinen aus dem Gehirn zeigt, dass die Substanzen nicht in den gesamten Hirnraum transportiert werden, sondern vor allem in das sensorische System der gleichen Seite, was die einseitigen Kopfschmerzen verursacht“, beschreibt Kaag Rasmussen. Proteine könnten zu neuen Behandlungsmöglichkeiten führen Zu der von den Forschern identifizierten Gruppe von Proteinen gehörte neben dem als Migräneauslöser bekannten Calcitonin Gene-Related Peptide (CGRP) auch eine Reihe anderer Proteine, die den Weg für neue Behandlungsmöglichkeiten ebnen könnten. „Wir hoffen, dass die von uns identifizierten Proteine – abgesehen von CGRP – bei der Entwicklung neuer präventiver Behandlungen für Patienten verwendet werden können, die auf die verfügbaren CGRP-Antagonisten nicht ansprechen. Der nächste Schritt besteht für uns darin, das Protein mit dem größten Potenzial zu identifizieren“, sagt Kaag Rasmussen. So ist eines der identifizierten Proteine dafür bekannt, eine Rolle bei der menstruellen Migräne zu spielen. „Zunächst hoffen wir, die Proteine zu identifizieren, die Migränephänotypen auslösen. Dann werden wir Provokationstests an Menschen durchführen, um festzustellen, ob die Exposition gegenüber einem der identifizierten Proteine einen Migräneanfall auslösen kann“, beschreibt Kaag Rasmussen das geplante weitere Vorgehen. Sollte dies der Fall sein, könnten die so identifizierten Substanzen als Angriffspunkte für die Behandlung und Prävention der Migräne genutzt werden.
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