Migration als Herausforderung für europäische Urologen31. Juli 2019 Foto: © Heiko Küverling – Adobe Stock In den letzten Jahrzehnten gibt es weltweit immer mehr Migration, die durch verschiedene lokale Konflikte und zunehmende Globalisierung verursacht wurde. Im Jahr 2017 lebten bereits mehr als 250 Millionen Menschen außerhalb ihres Geburtslandes. Insbesondere Europa ist von der Einwanderung betroffen, hauptsächlich aus Ländern südlich der Sahara. Bei der Migration zahlreicher Menschen, können diese jedoch auch als Krankheitsvektoren fungieren und möglicherweise zu einer beträchtlichen Anzahl von Erkrankungen führen. Das Risiko der Übertragung von Infektionskrankheiten während der Migration ist bei Migranten selbst höher als bei der Gastbevölkerung, obwohl auch die Gastbevölkerung betroffen sein kann. Wie hoch das individuelle Risiko ist, hängt von vielen Faktoren wie beispielsweise dem Gesundheitszustand der Migranten, der Zugänglichkeit zur Behandlung und Prävention in ihren Herkunftsländern und den Bedingungen, wegen denen die Migration stattfindet, ab. Die örtliche Bevölkerung hat häufig eine schlechtere Prognose, da sie gegen neue Infektionen nicht immun ist. Die schlechte Vorbereitung des Gesundheitspersonals und der Gesundheitssysteme auf das Diagnostizieren und Behandeln ungewöhnlicher Erkrankungen verschlimmert die Situation zusätzlich und führt häufig, aufgrund unnötiger Diagnosetests, zu einer Verschwendung von Ressourcen. Wenn sie ein günstiges Substrat finden, können einige infektiöse Krankheitserreger sogar endemisch werden und eine Herausforderung für Ärzte, einschließlich Urologen, darstellen. Schistosomiasis und weitere Erkrankungen Das beste Beispiel in Europa gab es 2013 auf Korsika mit dem Vorkommen urogenitaler Bilharziose (Schistosomiasis), die Hunderte von Touristen und Einheimischen infizieren konnten. Der Import von Schistosoma haematobium wurde damals infizierten Personen aus bestimmten Gebieten Westafrikas, insbesondere aus dem Senegal, zugeschrieben. Untersuchungen ergaben, dass der importierte Parasit eine lokalen Varianten der Bulinus-Schnecke (z.B. Bulinus contortus, Bulinus truncatus und Planorbarius metidjensis) im Fluss Cavu als Wirt gefunden hatte, was eine Verbreitung ermöglichte, da sie Zwischenwirte von Schistosomen sind. Die Bulinus-Schnecken sind auch in einigen Gebieten Spaniens und Portugals vorhanden und stellen damit ein mögliches Risiko für das Wiederauftreten dieser Krankheit dar. Die mögliche Ausbreitung von Schistosomiasis in Länder, in denen die Krankheit bisher unbekannt war, könnte zu erheblicher Verzögerung bei der Diagnose führen, das Risiko einer Ausbreitung weiter verschärfen und die klinische Prognose der betroffenen Patienten verschlechtern. Tatsächlich könnte die typische Symptomatik der Bilharziose, die durch Hämaturie, erhöhte Harnfrequenz, brennende Miktions- und suprapubische Beschwerden gekennzeichnet ist, von europäischen Ärzten leicht falsch interpretiert und für eine Harnwegsinfektion oder Neoplasien des Harntrakts gehalten werden. In der im Ausland geborenen Bevölkerung wurden zudem in einigen europäischen Ländern Krankheiten wie Urogenitaltuberkulose, Filariose und Echinokokkose festgestellt. Online Umfrage deckt Wissenslücken auf Um ihre Kenntnisse über diese Krankheiten zu bewerten wurde 2018 eine Online-Umfrage mit ca. 200 Urologen und urologischen Assistenzärzten verschiedener europäischer Länder durchgeführt. Die von südafrikanischen Urologen verfasste Umfrage umfasste Multiple-Choice-Fragen zur Diagnose, Pathophysiologie und Behandlung dieser wichtigen Krankheiten. Die Fragen wurden für afrikanische Studierende als leicht/mittelschwer eingestuft. Die Ergebnisse waren schockierend: Mehr als 80% der Befragten wiesen einen sehr schlechten Wissensstand auf, wobei fast 90% dieser Untergruppe urologische Assistenzärzte waren. Die Ergebnisse waren bei jenen Ärzten besser, die einen Teil ihrer Ausbildung oder Berufserfahrung in afrikanischen Ländern absolviert hatten. Fast alle Befragten hielten ihr Wissen für unzureichend und würden sich nicht sicher fühlen, diese Erkrankungen selbstständig zu behandeln. Die Beantwortung der Fragen wurde mit den Ergebnissen einer Kontrollgruppe bestehend aus afrikanischen Urologen und Auszubildenden der Urologie (Mitglieder der African Urological Association und South African Urological Association) verglichen. Obwohl europäische Urologen nicht das gleiche Wissen benötigen wie ihre afrikanischen Kollegen, zeigen die Daten doch, dass wir insgesamt unzulänglich und unzureichend auf eine weitere Zunahme neu auftretender Erkrankungen vorbereitet sind. Das Anbieten von Präsenz- und Webinar-Lernkursen könnte ein erster Schritt in die richtige Richtung sein und das Bewusstsein und den Wissensstand für dieses Gebiet zu stärken, um im Ernstfall bestens auf neue potenzielle Bedrohung vorbereitet zu sein.
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