Mikroglia sorgen für den richtigen Kapillartonus im Gehirn

Das Gehirn hat einen hohen Energiebedarf. Umso wichtiger ist eine gut funktionierende Blutversorgung. (Foto: © mshynkarchuk – stock.adobe.com)

Forschende der University of Virginia School of Medicine in Charlottesville, USA, zeigen in einer aktuellen Studie die Bedeutung der Mikroglia für die Funktion der Kapillaren im Gehirn. Durch gezielte Beeinflussung der Immunzellen hoffen sie, neurodegenerative Erkrankungen künftig lindern oder verhindern zu können.

„Seit einiger Zeit wird vermutet, dass Mikroglia eine wichtige Rolle bei der Regulierung der Gefäßfunktion spielen. Mit dieser Studie haben wir den eindeutigen Nachweis erbracht, dass sie tatsächlich die Durchblutung des Gehirns regulieren, den Ort dieser Funktion in den kleinen Gefäßen oder Kapillaren des Gehirns lokalisiert und ein Enzym identifiziert, das sie dafür verwenden“, erklärte Dr. Ukpong B. Eyo vom Center for Brain Immunology and Glia (BIG Center) der UVA und dem UVA Brain Institute. „Damit eröffnet unsere Arbeit die Möglichkeit, Durchblutungsstörungen des Gehirns durch gezielte Beeinflussung der Mikroglia zu verbessern.“

Die hohen Anforderungen des Gehirns

Um seinen hohen Energiebedarf zu decken, ist das Gehirn von einem kilometerlangen Netzwerk aus Blutgefäßen durchzogen, die sich in winzige Kapillaren verzweigen. Die ordnungsgemäße Funktion dieser Gefäße und Kapillaren ist für eine gute Gesundheit des Gehirns unerlässlich.

Mikroglia und grenzzellassoziierte Makrophagen wurden in früheren Studien bereits mit Hyperkapnie in Verbindung gebracht, aber es war nicht bekannt, welche myeloische Zelle welchen Gefäßtyp moduliert.

Mithilfe molekularer Ansätze zur Unterscheidung von Mikroglia und perivaskulären Makrophagen konnten Eyo und sein Team nun zeigen, dass ausschließlich Mikroglia mit Kapillaren assoziiert sind. An genetisch veränderten Mäusen ohne Mikroglia stellten die Forschenden eine signifikante Verringerung des Kapillardurchmessers und des Flusses roter Blutkörperchen fest, was auf eine vasodilatatorische Regulation durch Mikroglia hindeutet.

Ein Enzym im Fokus

Vermittelt wird diese Funktion durch Cyclooxygenase-1 (COX1), ein Enzym mit bekannter vasodilatatorischer Wirkung, das vorwiegend von Mikroglia exprimiert wird. Versuchstiere, die kein COX1 bilden konnten, zeigten Eyo et al. zufolge eine signifikante Verringerung des Kapillarfluxes und -durchmessers. Dies beweist laut den Forschern die Bedeutung von COX1 in Mikroglia für die Regulierung des zerebralen basalen Kapillardrucks in vivo.

„Nachdem wir nun eine neue Rolle der Mikroglia für die Struktur und Funktion der Blutgefäße sowie ein spezifisches Enzym identifiziert haben, können wir untersuchen, wie sich dieses Enzym und die Funktionen der Mikroglia bei neurodegenerativen Erkrankungen im Allgemeinen und bei Alzheimer im Besonderen verändern, und anschließend Therapien entwickeln, um diese Veränderungen  zu reduzieren“, zeigt sich Eyo optimistisch.

„Es gibt jedoch noch viele Fragen, denen unsere Gruppe nachgehen wird – regulieren die Mikroglia die kleinen Kapillaren unabhängig oder in Zusammenarbeit mit anderen Gehirnzellen? Wann während der Entwicklung beginnen die Mikroglia, diese Rolle zu übernehmen, und ist diese Rolle auch bei neurologischen Entwicklungsstörungen wichtig, bei denen die Gefäßfunktion ebenfalls beeinträchtigt ist? Kann der Ersatz von Mikroglia die Durchblutung bei neurodegenerativen Erkrankungen verbessern? Das sind spannende Fragen, die wir hoffentlich in naher Zukunft beantworten können.“ (BIERMANN/ej)