Mikrostrukturelle Muskelveränderungen als mögliche Ursache für Post-COVID-Myalgien

Lara Schlaffke (links) während der Untersuchung einer Probandin im 3-Tesla-MRT des Research Departments for Neuroscience im Bergmannsheil. Foto: ©BG Universitätsklinikum Bergmannsheil

Muskelschmerzen und frühzeitige Muskelermüdung sind bei Menschen mit einer Post-COVID-Diagnose weit verbreitet. Ein neurowissenschaftliches Forschungsteam am BG Universitätsklinikum Bergmannsheil, Klinikum der Ruhr-Universität Bochum, hat untersucht, ob sich bei Menschen mit diesem Symptombild krankhafte Muskelveränderungen nachweisen lassen.

Das Forschungsteam der Neurologischen Klinik unter der Leitung von Prof. Elena Enax-Krumova und PD Dr. Lara Schlaffke hat die Beinmuskulatur von betroffenen Patientinnen und Patienten analysiert. Dazu nutzten sie ein etabliertes bildgebendes Verfahren: die quantitative Magnetresonanztomografie der Skelettmuskultur. Zum Vergleich zogen sie eine Kontrollgruppe gesunder Probandinnen und Probanden heran. In den Muskelpartien von Patientinnen und Patienten mit einem Post-COVID-Syndrom zeigten sich gegenüber der Kontrollgruppe mikrostrukturelle Veränderungen. Allerdings fanden sich keine Anzeichen von Entzündungsprozessen oder krankhafter Muskelumwandlung (Dystrophie). Die Ergebnisse der Studie wurden am 24. Januar 2023 im „European Journal of Neurology“ veröffentlicht.

Ein Viertel der Post-Covid-Betroffenen leidet unter Muskelschmerz

Post-Covid ist ein äußerst vielschichtiges Krankheitsbild. Es bezeichnet Langzeitbeschwerden, die nach durchlebter Akutphase einer COVID-19-Erkrankung auftreten können. Die Symptome können sehr vielfältig sein und zum Beispiel das Nervensystem, die Lunge, das Herz-Kreislaufsystem, den Stoffwechsel, die Haut oder die Psyche betreffen. Häufige Symptome, die von Betroffenen beklagt werden, sind Muskelschmerzen (Myalgien) und frühzeitige Muskelermüdung: Mindestens 25 Prozent der Menschen mit einer Post-COVID-Diagnose leiden nach aktuellem Kenntnisstand daran.

Hochspezielle Bildgebung fördert feinste Auffälligkeiten zutage

„Wir wollten herausfinden, ob sich bei betroffenen Menschen Veränderungen der Skelettmuskulatur nachweisen lassen, die als mögliche Ursachen für anhaltende muskuloskelettale Beschwerden und vorzeitige Erschöpfung in Betracht kommen könnten“, erklärt die neurologische Schmerzforscherin Enax-Krumova. Die innovative Methode der quantitativen Magnetresonanztomografie der Skelettmuskulatur (Muskel-MRT) wurde bereits vor der Pandemie von Schlaffke zur Untersuchung von neuromuskulären Erkrankungen validiert. Das bildgebende Verfahren ermöglicht es, abnorme Mikrostrukturen zu erkennen, das genaue Verhältnis von Wasser und Fett im Muskel zu quantifizieren und selbst minimale Entzündungsprozesse aufspüren.

Nun untersuchte das Team die Beine von 20 Patientinnen und Patienten mit einem Post-COVID-Syndrom. Weiterhin wurden klinische Untersuchungen, Nervenleitfähigkeitsstudien und Serumuntersuchungen hinsichtlich des Muskelzellenzyms Kreatinkinase durchgeführt, um bei den Probandinnen und Probanden krankhafte Prozesse zu identifizieren. Schließlich korrelierten die Forschenden die Ergebnisse der quantitativen Muskel-MRT mit den Ergebnissen eines standardisierten Sechs-Minuten-Gehtests und standardisierten Fragebögen zur Beurteilung von Lebensqualität, Fatigue und Depression – und verglichen die Ergebnisse mit denen der gesunden Kontrollgruppe.

Mikrostrukturelle Anomalien, aber keine Entzündungsprozesse

„In unseren Untersuchungen der Post-COVID-Betroffenen zeigten sich keine Anzeichen einer fortschreitenden Entzündung oder eines dystrophen Prozesses, die die frühzeitige Muskelermüdung erklären könnten“, resümiert Enax-Krumova. Allerdings konnte das Forschungsteam bei dieser Fallgruppe im Vergleich zur gesunden Kontrollgruppe mikrostrukturelle Unterschiede in den Beinmuskeln finden. Diese könnte auf ein Schrumpfen von Muskelgewebe durch Dekonditionierung hinweisen. Denkbar wäre nach Ansicht der Forscherinnen und Forscher, dass sich diese Veränderungen im Rahmen eines Rehabilitationsprogramms mit gezieltem Muskelaufbau rückgängig machen ließen. „Unsere Ergebnisse liefern wichtige Anhaltspunkte, um die beschriebenen Krankheitssymptome besser zu verstehen. Allerdings bedarf es noch weiterer Arbeiten, um unsere Erkenntnisse und Hypothesen in Längsschnitt- und Interventionsstudien zu erhärten.“