Mini-Schlaganfall – doch nicht so „mini“?24. Februar 2025 Bei einer transitorischen ischämischen Attacke (TIA) ist die Blutversorgung des Gehirns nur vorübergehend gestört. (Foto: © freshidea – stock.adobe.com) Eine aktuelle Studie deutet darauf hin, dass eine transitorische ischämische Attacke (TIA) mehr ist als „nur“ ein möglicher Vorbote eines ischämischen Schlaganfalls. Denn möglicherweise stößt auch eine TIA eine Schädigungskaskade im Gehirn an, die in eine Demenz münden kann. Dies berichtet die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN). Eine in JAMA publizierte Studie1 sorgt für Aufsehen: Die Längsschnitt-Kohortenstudie verglich über einen Zeitraum von im Median 14 Jahren die kognitiven Verläufe von 356 Patientinnen und Patienten nach einer TIA und 965 Personen nach einem Schlaganfall mit 14.882 gesunden Kontrollpersonen. In der Gesamtkohorte wurden mehrfach kognitive Tests durchgeführt – bei den von einer TIA oder einem Schlaganfall Betroffenen lagen also Testergebnisse vor und nach dem Ereignis vor. Wie sich im Ergebnis zeigte, hatten diejenigen, die im Verlauf einen Schlaganfall erlitten, einen niedrigeren Ausgangswert (-0,25; 95%-KI -0,32 bis -0,17) als jene mit TIA (-0,05; 95%-KI -0,17 bis 0,07; p=0,005) und jene, die im Studienverlauf ereignisfrei blieben (0; 95%-KI -0,03 bis 0,03; p<0,001). Nach dem Schlaganfall sank der kognitive Gesamtwert deutlicher ab (-0,14; 95%-KI -0,21 bis -0,07) als in der Gruppe mit TIA (0,01; 95%-KI -0,10 bis 0,12; p=0,02) und in der Kontrollgruppe (-0,03; 95%-KI -0,05 bis -0,01; p=0,003). Der Schlaganfall ging also unmittelbar mit einer signifikanten Abnahme der Kognition einher, die TIA nicht, erklärte die DGN. Was der Fachgesellschaft zufolge aber überraschte, war die Entwicklung im Verlauf: Der jährliche Rückgang der Kognition war in der TIA-Gruppe ebenso rasant wie in der Schlaganfallgruppe (-0,05; 95%-KI -0,06 bis -0,01 vs. -0,04; 95%-KI -0,05 bis -0,03) – und damit signifikant schneller als in der Kontrollgruppe. Die Sekundäranalyse zeigte, dass Kovariablen wie LDL-Wert, Adipositas sowie der Einsatz von Statinen oder Antikoagulantien kaum einen Einfluss auf diese Entwicklung hatten. Diskutiert wird, dass bei einer TIA trotz des schnellen Rückgangs der Symptome ein pathologischer Prozess in Gang gesetzt wird, der zu langfristigen Veränderungen der Kognition führt. Diese Ergebnisse stehen in Einklang mit denen eines systematischen Reviews2, das eine um 29 bis 68 Prozent höhere Rate einer leichten kognitiven Einschränkung (mild cognitive impairment; MCI) und eine acht bis 22 Prozent höhere Demenzrate nach TIA fand. Bei Schlaganfall seien kognitive Beeinträchtigungen ein seit langer Zeit bekanntes Phänomen, etwa 20 Prozent aller Schlaganfall-Betroffenen entwickelten im ersten Jahr nach der Erkrankung eine Demenz3, erklärte die DGN. Die Folgen einer TIA auf die Kognition seien hingegen noch wenig erforscht. „Die vorliegende Studie hat verschiedene Limitationen“, erklärt Prof. Peter Berlit, Generalsekretär der DGN. „Es wurden keine Bildgebungsdaten ausgewertet, was bedeutet, dass Menschen mit einer beginnenden Demenzerkrankung nicht sicher ausgeschlossen werden konnten. Auch handelt es sich um eine Kohorten-Beobachtungsstudie mit nur begrenztem Aussagewert. Dennoch müssen wir diese Ergebnisse, auch weil sie konsistent mit denen anderer Studien sind, ernst nehmen. Bisher haben wir eine TIA vornehmlich als Vorbote eines Schlaganfalls gesehen und entsprechend abgeklärt und behandelt. Wie diese Studiendaten zeigen, müssen wir in Zukunft konsequent auch strukturierte Nachsorge- und Präventionsangebote im Hinblick auf die Kognition umsetzen. “ So hält es der Experte nicht für ausgeschlossen, dass TIA durchaus einen relevanten Anteil an der dynamischen Entwicklung von Demenzerkrankungen haben. Schlaganfälle sind mit 270.000 Fällen pro Jahr in Deutschland eine häufige Krankheit, bei einem Drittel aller Fälle ist eine TIA vorausgegangen. Bei einer geschätzten TIA-Inzidenz von 1,19/1000 Personenjahre4 muss man in Deutschland jährlich von 95.000 TIA-Fällen ausgehen. „Wenn, wie die Studien zeigen, bis zu ein Fünftel der Betroffenen in der Folge eine Demenzerkrankung entwickelt, sind TIAs genauso wie Schlaganfälle ein relevanter Treiber der steigenden Demenzzahlen.“ Erschwerend komme hinzu, dass sich die Schlaganfallraten – und damit wohl auch die TIA-Raten – zwar bei älteren Personen verringern, bei Menschen unter 55 Jahren aber nicht rückläufig sind.5 „Bei jüngeren Menschen kommen Langzeitfolgen der TIA natürlich mehr zum Tragen als in einer hochbetagten Population.“ Als Konsequenz aus diesen Erkenntnissen ist nach Berlits Ansicht eine verbesserte Information der Bevölkerung über TIA und ihre möglichen Folgen notwendig. „Noch immer gehen zu viele Menschen nicht zum Arzt, wenn die neurologischen Beschwerden von selbst wieder nach ein paar Minuten verschwinden. Damit nehmen sie sich die Möglichkeit einer medikamentösen Schlaganfallprophylaxe, sei es durch Blutdrucksenker, Blutfettsenker oder Blutverdünner.“ Im Hinblick auf mögliche kognitive Einschränkungen sollten TIA-Patienten nach Ansicht des Experten zudem eine Nachsorge erhalten, die neuropsychologische Tests und, bei Bedarf, frühzeitige gezielte Interventionen miteinschließe. Ganz wichtig sei es zudem, die Prävention von TIA zu stärken. „Die Menschen müssen wissen, dass eine TIA nicht ‚nichts‘ ist“, erklärt Berlit und betont die Relevanz eines gesunden und aktiven Lebensstils, eines normalen Körpergewichts und des Nichtrauchens zur Vorbeugung von TIA.
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