Mit Antikörper-Kombitherapie auf dem Weg zur Heilung von Typ-1-Diabetes

Symbolfoto: Eine Stechhilfe zur Blutzuckermessung. | Quelle: Copyright: Karin Kaiser/MHH

Ein Forscherteam der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) will bei Typ-1-Diabetes(T1D)-Patienten in den Autoimmunprozess eingreifen und die Zerstörung der insulinproduzierenden Betazellen in der Bauchspeicheldrüse stoppen.

T1D betrifft nach Schätzungen der Deutschen Diabetes Gesellschaft hierzulande etwa 400.000 Menschen, davon mindestens zehn Prozent Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren. In den USA ist seit November 2022 der Antikörper Teplizumab zur Behandlung von T1D zugelassen, der in den Autoimmunprozess eingreift. Dieser Antikörper blockiert den TCR/CD3-Rezeptor auf der Oberfläche fast aller T-Zellen, unterbindet so deren Angriff auf die Betazellen und verzögert den Ausbruch der Erkrankung um zwei bis drei Jahre.

Prof. Anne Jörns vom Institut für Klinische Biochemie der MHH möchte diesen Therapieansatz jetzt erweitern. Gemeinsam mit ihrer Arbeitsgruppe „Pancreas molecular morphology and diabetes prevention“ setzt sie auf eine Kombinationstherapie des anti-TCR/CD3-Blockers mit Antikörpern gegen die entzündungsfördernden Zytokine. So hofft sie, den Krankheitsausbruch langfristig verzögern oder nach Krankheitsausbruch die Beta-Zellen schützen und wiederherstellen zu können. Das Forschungsprojekt wird von der gemeinnützigen Stiftung „Breakthrough T1D“ (früher JDRF) aus den USA über drei Jahre mit rund 730.000 Euro gefördert.

Zerstörung der Betazellen aufhalten

Für ihre Arbeit nutzt Jörns ein Rattenmodell für Autoimmundiabetes, das der menschlichen Erkrankung sehr ähnlich ist. Die Tiere mit Diabetesmanifestation überleben ohne Insulingabe maximal eine Woche. In den Studien verwendeten die Forschenden den T-Zell-Antikörper anti-TCR, der dieselben T-Zellen blockiert wie der anti-CD3-Wirkstoff Teplizumab. Diesen kombinierten sie mit verschiedenen therapeutischen Antikörpern gegen entzündungsfördernde Zytokine wie Tumornekrosefaktor-alpha (TNF-alpha), Interleukin-1beta (IL-1beta) und Interferon-gamma (IFN-gamma). „Den größten therapeutischen Effekt hatte die Kombination von anti-TCR mit anti-TNF-alpha“, sagt die Wissenschaftlerin. Der Zytokinantikörper anti-TNF-alpha wird beim Menschen erfolgreich bei entzündlichen Erkrankungen des Magen-Darmtraktes, der rheumatoiden Arthritis und auch bei Autoimmun-Gefäßerkrankungen eingesetzt.

Während eine Monotherapie mit einem einzelnen Antikörper den Diabetes bestenfalls ein wenig lindert, konnte die Kombinationstherapie mit zwei Antikörpern die Zerstörung der Betazellen aufhalten und die Pankreasinseln vor den schädlichen aktivierten Immunzellen schützen. Das Ergebnis: Die Tiere lebten ein Jahr lang diabetesfrei – ein Drittel ihrer gesamten Lebenszeit.

Optimale Behandlung zum frühestmöglichen Zeitpunkt

„Beim Menschen entspricht das einem Gewinn von zehn bis 20 diabetesfreien Jahren, allerdings wollen wir den Therapieerfolg idealerweise lebenslang aufrechterhalten, zumindest aber über viele Jahre“, sagt Jörns. In Genexpressions-Analysen der verschiedenen Therapieansätze untersucht das Forschungsteam nun, welche Gene mit Bedeutung für das Immunsystem, für Zellschädigung und Regeneration sowie für die Insulinproduktion der Betazellen aktiviert werden und welche genetische Information umgesetzt wird. Dafür werden die jeweiligen Proteine von identifizierten Schlüsselgenen mit spezifischen Antikörpern in Pankreasgewebeschnitten nachgewiesen.

„Wenn wir die molekularen Mechanismen hinter dem Therapieerfolg kennen, können wir die optimale Behandlung zum frühestmöglichen Zeitpunkt auswählen und können diese in einem Translationsansatz für die Patientinnen und Patienten als weitere Option in den klinischen Alltag übertragen – und zwar vor und nach Diabetesmanifestation“, stellt Jörns fest. Der Typ-1-Diabetes ließe sich dann bei einer Behandlung vor Krankheitsausbruch entweder ganz verhindern oder im frühen Krankheitsstadium zumindest über eine längere Zeit aufhalten. Wie lange eine solche nicht-diabetische Situation beim Menschen anhält, lässt sich bislang aber noch nicht mit Sicherheit beantworten.

Dieser Therapieansatz zur Verhinderung und Heilung des Diabetes bestätigt die Bedeutung von Zytokinen bei Autoimmunerkrankungen und ist damit eine ideale Brücke zu den Forschungsprojekten „Zytokine bei Entzündungs- und Tumorerkrankungen“ von Prof. Christoph Garbers, Leiter des Instituts für Klinische Biochemie, so die MHH.