Mit dem Handy zur richtigen Therapie: Smartphonebasierte biomechanische Analyse funktioneller Bewegungen in Kliniken

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Bioingenieure in den Vereinigten Staaten haben eine App entwickelt, die eine objektive Bewegungsanalyse mit Videoaufnahmen vom Smartphone ermöglicht. Dr. Anna Bartsch vom Universitäts­spital Basel, Schweiz, ist mit ihrem Team nun Vorreiter für die Implementierung dieser Technik an Kliniken im deutschsprachigen Raum und referiert darüber auf dem 39. Jahreskongress der GOTS in Nürnberg.

Bartsch hat im vergangenen Jahr ein Kooperationsprojekt mit der Stanford University in Kalifor­nien, USA, zur klinischen Umsetzung der App aufgebaut und erklärt: „Die zurzeit klinisch verwendeten Bewertungskriterien für Bewegung sind meist sehr subjektiv und als Verlaufspara­meter ungenau. Zur Objektivierung braucht es ein gut ausgerüstetes Bio­mechaniklabor mit Marker- oder infrarotbasierten Bewegungserfassungs­systemen, Kraftmessplatten und vieles mehr. Eine solche Analyse bei allen Patienten durchzuführen, ist ein zu großer Aufwand. Die Zukunft der objektiven Bewegungsanalyse im medizinischen Arbeitsalltag liegt daher in smartphonebasierten Untersuchungen, die sich auf kleinem Raum im Sprechstundenzimmer aufbauen lassen.

Dabei werden die Patienten in der Bewegung mit zwei bis drei Smart­phonekameras aus unterschiedlichen Perspektiven gleichzeitig gefilmt. Aus den Videoaufnahmen berechnet die OpenCap-App mithilfe von Künstlicher Intelligenz dynamische Parameter wie Gelenkbewegungen, Muskelaktivierungen und Krafteinwirkung auf Bänder und Muskulatur.

Aufgrund des unkomplizierten Aufbaus innerhalb weniger Minuten und der zügigen Erfassung der Bewegungen ist die Analyse in der Klinik einfach implementierbar.
Ärzte und Sporttherapeuten könnten damit viele Fragen im Präventions- und Rehabilitationssetting beantworten: Hat der Patient aufgrund einer unvorteilhaften Bewegungsweise ein höheres Kreuzbandverletzungsrisiko und muss an einem Präventionsprogramm teilnehmen? Gibt es auch Monate nach der Operation noch Bewegungskompen­sationen? Sind muskuläre Ungleich­gewichte vorhanden, die physiotherapeutisch behandelt werden müssen?

„Wir können mit diesem Ansatz eine Vielzahl biomechanischer Parameter bei verschiedenen Bewegungen objektiv und kosteneffektiv erfassen. Je nach Erkrankung und Intention interessieren uns unterschiedliche Faktoren wie Gelenkwinkel, Muskelaktivierung oder mechanischer Stress auf Bänder oder Knorpel“, so Bartsch.

Das System kann sowohl für die Erstdiagnose als auch zur Verlaufskontrolle verwendet werden, was die Auswahl und Überwachung von Therapien in diversen Bereichen verbessern kann. Die von Bartsch untersuchten Anwendungsbereiche umfassen Verletzungen an den Beinen wie Kreuzband-, Meniskusverletzungen und Kniescheiben­instabilitäten sowie Anwendungen in der Prothetik. An der Feinjustierung des Systems für Bewegungsanalysen an den Armen wird derzeit noch geforscht. Aktuell finden Gespräche statt, um die Verarbeitung von Patientendaten auch in Europa zu ermöglichen.