Mit Immunzellen des Darms Nahrungsmittelallergien verhindern?

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Forschende der Washington University fanden heraus, dass eine kleine Population von Immunzellen im Darm von Mäusen allergische Reaktionen auf Nahrungsmittel verhindert.

Meistens kann das Immunsystem des Darms Freund von Feind unterscheiden, toleriert unzählige Nahrungsmittel und vernichtet gleichzeitig krankheitserregende Eindringlinge. Doch bei Menschen mit Nahrungsmittelallergien erkennen Immunzellen Nahrungsmittel fälschlicherweise als Bedrohung und lösen potenziell lebensbedrohliche Reaktionen aus. US-amerikanische Forschende haben nun bei Mäusen nachgewiesen, dass essenzielle Immunzellen im Darm einen unerwünschten Angriff auf harmlose Nahrungsmittelallergene verhindern. Fehlten solche Zellen, entwickelten Mäuse Darmentzündungen und eine allergische Reaktion auf Nahrungsmittel.

„Wir beobachten weltweit einen rasanten Anstieg von Nahrungsmittelallergien, die die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen“, sagte Marco Colonna, Professor für Pathologie an der Washington University Medicine in St. Louis, USA. „Der Mangel an Therapeutika zur Vorbeugung und Behandlung von Nahrungsmittelallergien verschärft dieses wachsende Problem der öffentlichen Gesundheit. Da wir nun die Faktoren kennen, die die Toleranz gegenüber Nahrungsmittelallergenen aufbauen, können wir innovative Strategien entwickeln, um diese therapeutisch zu bekämpfen und Nahrungsmittelallergien potenziell vorzubeugen oder zu behandeln.“

Das Immunsystem begegnet häufigen Nahrungsmittelallergenen, ohne einen selbstsabotierenden Immunangriff zu starten. Eine gestörte Toleranz gegenüber Nahrungsmitteln löst eine allergische Reaktion mit Symptomen aus. Im Rahmen der aktuellen Studie untersuchten die Forschenden die Akteure, die solche Reaktionen verhindern.

RORγt+ Zellen im Fokus der Forschung

An der Toleranz gegenüber Nahrungsmitteln sind mehrere Immunzellen beteiligt. Bestimmte Immunzellen nehmen Nahrungsmittelpartikel auf, zerkleinern sie und präsentieren sie den T-Zellen des Immunsystems. Diese Zellen werden angewiesen, auf den harmlosen Eindringling nicht zu reagieren. Kürzlich wurde eine kleine Zellpopulation – die RORγt+ dendritischen Zellen – unter den präsentierenden Immunzellen des Darms bei mehreren Spezies entdeckt. Colonnas Labor war das erste, das diese Zellen 2023 beim Menschen identifizierte. Ihre Rolle bei der Vorbeugung von Nahrungsmittelallergien war bisher unerforscht.

Patrick Rodrigues und Shitong Wu aus Colonnas Labor und Co-Erstautoren der Studie, wollten herausfinden, ob RORγt+ dendritische Zellen die Immunzellen des Darms sind, die Nahrungsmittelallergien vorbeugen. Sie behandelten Mäuse oral und anschließend intranasal mit Ovalbumin, einem hochallergenen Protein aus Eiweiß. Mäuse ohne RORγt+ dendritische Zellen im Darm zeigten Anzeichen einer allergischen Lungenentzündung, Mäuse mit diesen Zellen hingegen nicht. Eine Analyse der Darmimmunzellen ergab ein Ungleichgewicht zwischen den T-Zellen, die bei den allergischen Mäusen Immunreaktionen auf Nahrungsmittelpartikel auslösen bzw. dämpfen, wobei erstere überwogen.

Therapeutisches Potenzial auch beim Menschen?

„Indem wir RORγt+ dendritische Zellen aus dem Darm von Mäusen entfernten, brachen wir die Toleranz gegenüber Nahrungsmittelallergenen“, sagte Rodrigues. „Diese Entdeckung inspiriert uns nun zu der Frage, ob wir das Gegenteil erreichen können: Nahrungsmittelallergien vorbeugen, indem wir die Aktivität dieser Zellpopulation unterstützen. Da RORγt+ dendritische Zellen auch beim Menschen vorkommen, eröffnet unsere Entdeckung eine spannende neue Möglichkeit zur Behandlung von Nahrungsmittelallergien und anderen darmbezogenen Immunerkrankungen wie Zöliakie oder entzündlichen Darmerkrankungen.“

Kürzlich hat die US-amerikanische Food and Drug Administration (FDA) ein injizierbares Medikament zugelassen, das bei kontinuierlicher Verabreichung allergische Reaktionen auf versehentlichen Kontakt mit geringen Mengen von Allergenen verhindert, indem es die Antikörper blockiert, die durch eine aktivierte Immunreaktion entstehen. Personen, die das Medikament einnehmen, wird weiterhin empfohlen, das Allergen zu meiden und einen Autoinjektor mitzuführen.

„Die gezielte Beeinflussung der Aktivität von RORγt+ dendritischen Zellen könnte sogar noch weiter vorangeschritten wirken und so die Auslösung einer Immunreaktion verhindern“, so Wu. „Sollte sich dies bewahrheiten, könnte eine Therapie, die die Aktivität dieser kleinen Zellpopulation unterstützt, eine dauerhafte Toleranz gegenüber Nahrungsmittelallergenen ermöglichen.“