Mit Nanopartikeln gegen Tuberkulose: Direkter Transport neuer Antibiotika in die Lunge20. Juni 2023 Die Mikroskopaufnahme eines Lungenschnittes einer mit Tuberkulose infizierten Maus zeigt in Rot die Wirkstoff-Nanopartikel, in Blau die Kerne der Lungenzellen, und in Grün die Makrophagen, die von den Tuberkulosebakterien als Wirtszelle ausgenutzt werden. (Abbildung: © FZB Zelluläre Mikrobiologie, Dr. N. Redinger). Die Tuberkulose stellt eine besondere Herausforderung in der Gesundheitsversorgung dar: Erstens kapseln sich die Bakterien im Gewebe ein, können über Jahre inaktiv bleiben und lösen dann lange nach der primären Infektion Symptome aus. Zweitens zeigen Tuberkulosebakterien häufig Resistenzen, mindestens gegen zwei der gängig eingesetzten Antibiotika. Das vermehrte Auftreten therapieresistenter Erregerstämme ist auf unzureichende Wirkstoffkonzentrationen am Ort der Infektion und vorzeitigen Behandlungsabbruch unter anderem wegen der häufig erheblichen Nebenwirkungen der Antibiotika zurückzuführen. Ein nanomedizinischer Ansatz kann dabei helfen, die Entwicklung weiterer Resistenzen zu verringern: Nanopartikel sollen als Träger neuer Antibiotika dienen und diese zielgerichtet zu Infektionsherden und infizierten Zellen bringen. So lässt sich die Wirkstoffkonzentration in der Lunge lokal erhöhen. „Die neu entwickelten Antibiotika sind allerdings häufig lipophil, das heißt fettlöslich, und lassen sich in Wasser nicht oder schwer verabreichen. Daher werden sie aus Magen, Blut und Zellflüssigkeit bisher nur schlecht aufgenommen“, erklärt Prof. Claus Feldmann, Leiter einer Forschungsgruppe am Institut für Anorganische Chemie des Karlsruher Institutes für Technologie (KIT). Aktuell werden an Tuberkulose erkrankte Patienten mit hohen Dosen über einen langen Zeitraum behandelt, um die Erreger in den Infektionsherden zu erreichen. Die zum Teil schweren Nebenwirkungen wie Leberschädigungen sind häufig Gründe für Therapieabbrüche mit der Folge weiterer Resistenzentwicklung. Künftig sollen die Nanopartikel dabei helfen, Antibiotika zielgerichtet zu transportieren. „Wir haben schon einige Nanocarrier für den Transport von Antibiotika gegen die Tuberkuloseerreger in Mäusen getestet, aber erst die neuen Nanocarrier unserer Kolleginnen und Kollegen vom KIT haben mich davon überzeugt, dass es möglich ist, gezielt und hochdosiert Antibiotika in die Tuberkuloseherde der Lunge zu bringen, ohne dabei andere Organe in Mitleidenschaft zu ziehen“, sagt Prof. Ulrich E. Schaible, Leiter der Zellulären Mikrobiologie und Direktor des Forschungszentrums Borstel, Leibniz Lungenzentrum. Am KIT entwickelte Partikel weisen extrem hohe Wirkstoffgehalte auf Am Institut für Anorganische Chemie des KIT ist es gelungen, Nanopartikel mit Tuberkulose-Antibiotika herzustellen, die extrem hohe Wirkstoffgehalte aufweisen. „Der Antibiotikumgehalt beträgt bis zu 99 Prozent des Gesamtgewichtes der Partikel“, berichtet Feldmann. „Bisher waren nach dem Stand der Literatur höchstens zehn Prozent möglich.“ Die am KIT entwickelten Nanocarrier lassen sich in Wasser dispergieren, also fein verteilen, und als Aerosol tief in der Lunge verabreichen. Am Forschungszentrum Borstel haben Forschende unter Leitung des Tuberkulose-Experten Schaible in Kooperation mit weiteren Partnern in Deutschland, Österreich und Belgien die Wirksamkeit der Nanopartikel getestet und eine hohe Wirksamkeit sowohl im Labor als auch im lebenden Organismus festgestellt. Die Arbeit lief innerhalb des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Verbundvorhabens ANTI-TB. Die Forschenden berichten in der von der American Chemical Society (ACS) herausgegebenen Zeitschrift „ACS Nano“. Inzwischen haben sich das KIT und das Forschungszentrum Borstel die Methode gemeinsam patentieren lassen. „Bis diese Aerosolformulierung beim Menschen angewendet kann, sind jedoch noch viele Vorarbeiten notwendig“, räumt Schaible ein. Nanocarrier überwinden biologische Barrieren Die zum Inhalieren bestimmten amorphen Nanopartikel enthalten das Antibiotikum Bedaquilin mit einem Wirkstoffgehalt von 69 Prozent oder das Antibiotikum BTZ-043 mit einem Wirkstoffgehalt von 99 Prozent. Beide Antibiotika wirken auch gegen multiresistente Tuberkulosebakterien. In den Nanopartikeln sorgen Tenside dafür, dass sich die hoch lipophilen Antibiotika in Wasser dispergieren lassen. Dispersionen mit 4,1 Milligramm Bedaquilin pro Milliliter oder 4,2 Milligramm BTZ-043 pro Milliliter bleiben über mehrere Wochen stabil. Bei Tests an Mäusen zeigten die Nanopartikel-Dispersionen eine um 50 Prozent höhere Wirksamkeit als herkömmliche BTZ-043-Lösungen zur pulmonalen Inhalation. Die Nanocarrier bewiesen eine gute Fähigkeit, die verschiedenen biologischen Barrieren zu überwinden und waren in hohen Mengen in der Lunge, aber nicht in Leber und Milz nachzuweisen.
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