Mit neuen Augen sehen: Schnecken als System zur Erforschung der Wiederherstellung des Sehvermögens8. August 2025 Der Prozess der Regeneration des Auges der Apfelschnecke von der Amputation bis zur vollständigen Wiederherstellung erfolgt in vier Phasen über einen Zeitraum von 28 Tagen: Wundheilung, Bildung einer speziellen Zellmasse, Entstehung einer Linse und Netzhaut sowie die Reifung aller Augenkomponenten. Foto.©Stowers Institute for Medical Research US-amerikanische Wissenschaftler haben die Apfelschnecke als neuen Forschungsorganismus für die Untersuchung der Augenregeneration etabliert. Das Auge der Apfelschnecke ähnelt ungewöhnlich stark dem menschlichen Auge. Im Gegensatz zum humanen Auge jedoch, kann es sich bei Verletzungen oder sogar Amputationen selbst regenerieren. Neue Studienergebnisse des Stowers Institute for Medical Research, Kansas City, USA, haben die Apfelschnecke als neuartigen Forschungsorganismus für die Untersuchung der Augenregeneration etabliert. Sie könnte den Forschern zufolge das Potenzial haben, Augenerkrankungen beim Menschen wie Makuladegeneration besser zu verstehen und Behandlungsmethoden dafür zu finden. Die Studie aus dem Labor von Alejandro Sánchez Alvarado, Ph.D., Präsident und Chief Scientific Officer von Stowers, wurde in der Fachzeitschrift „Nature Communications“ veröffentlicht. Sie beschreibt ein neues System zur Untersuchung der Regeneration von Sinnesorganen bei der Apfelschnecke Pomacea canaliciulata. Apfelschnecke als Modellorganismus Unter der Leitung der ehemaligen Postdoktorandin Alice Accorsi, Ph.D., jetzt Assistenzprofessorin an der University of California, Davis, USA, entdeckte das Forschungsteam, dass die Apfelschnecke komplexe kameraähnliche Augen wie der Mensch besitzt. Die Wissenschaftler entwickelten Werkzeuge zur Veränderung ihres Genoms, wodurch Schnecken mit stabilen Genvariationen entstanden. Diese können den Forschern helfen, den Regenerationsprozess besser zu verstehen. „Unsere Augen sind für die Wahrnehmung unserer Umgebung äußerst wichtig. Doch wenn sie beschädigt sind, können sie sich nicht regenerieren“, erklärte Accorsi. „Im Wesentlichen hatten wir keine Möglichkeit, Lösungen für die Behandlung von Erkrankungen wie Netzhautdegeneration oder physischen Verletzungen des Auges zu ermitteln“, fügte Alvarado hinzu. „Aber die Natur hat Antworten für uns. Wir verfügen nun über ein handhabbares System, um zu untersuchen, welche Gene für die Regeneration von Kameraaugen verantwortlich sind.“ Regenerationsprozess des Apfelschneckenauges in vier Phasen Der Prozess der Regeneration des Apfelschneckenauges von der Amputation bis zur vollständigen Wiederherstellung erfolgt in vier Phasen über einen Zeitraum von 28 Tagen: Wundheilung, Bildung einer speziellen Zellmasse, Entstehung einer Linse und Netzhaut sowie die Reifung aller Augenkomponenten. Da Wirbeltiere, einschließlich des Menschen, nur die erste Phase, die Wundheilung, durchführen können, untersuchen die Forscher, wo Regeneration und Entwicklung auseinanderlaufen. Sie versuchen herauszufinden, welchen Schalter Schnecken verwenden, um die Entwicklung eines neuen Auges zu reaktivieren. Gen pax6 spielt Rolle bei Agenentwicklung Die Augen der Apfelschnecke besitzen Linse, Hornhaut und Retina wie Wirbeltier- respektive Menschaugen. Die Forscher identifizierten ein Gen namens pax6. Von diesem ist bekannt, dass es eine entscheidende Rolle bei der Augenentwicklung von Wirbeltieren und Fruchtfliegen spielt, so auch bei Apfelschnecken. „Ein Schlüsselgen, das die Augenentwicklung bei Wirbeltieren steuert, ist pax6. Und wir haben zum ersten Mal gezeigt, dass Apfelschnecken nicht nur pax6 haben, sondern dass dieses Gen auch für die Entwicklung ihrer Augen entscheidend ist“, betonte Accorsi. Störung von pax6 führt zum Fehlen der Augen Im Labor optimierte das Team die Gen-Editierungstechnik CRISPR-Cas9 für Apfelschnecken. Dadurch gelang es ihnen, die Funktion des pax6-Gens zu stören. Die neue Schneckenlinie war gesund, aber es fehlten ihr die Augen. „Es gab zwei wichtige Momente, in denen ich spürte, dass dies für die gesamte wissenschaftliche Gemeinschaft von Bedeutung sein könnte“, so Accorsi. „Der erste war die Entdeckung, dass das Schneckenauge genau wie das menschliche Auge aufgebaut ist. Der zweite war die Beobachtung dieser winzigen Embryonen ohne Augen nach der Unterbrechung von pax6 und die Erkenntnis, dass wir Schnecken als System zum Verständnis der Genfunktion nutzen können.“ „Ein Forschungssystem zu haben, das Augen regeneriert, kombiniert mit der Möglichkeit, in diesem System Genetik zu betreiben, gehört zu den ersten Bemühungen in der Geschichte der Wissenschaft, um ein mechanistisches Verständnis der Prozesse zu erlangen, die der Wiederherstellung eines so komplexen Sinnesorgans wie dem Auge zugrunde liegen – von der Verletzung bis hin zu seiner Regeneration“, betonte Alvarado. Angus Davison, Ph.D., Professor an der University of Nottingham, kommentierte das Potenzial der Studie. „Bisher waren die Fortschritte beim Verständnis von Weichtieren und ihren Genomen begrenzt, da es keine weit verbreitete, genetisch manipulierbare Art gibt“, erörterte er. „Diese Arbeit zeigt das Potenzial von Apfelschnecken als neuartiges System zur Aufdeckung der genetischen Mechanismen hinter der Entwicklung von Weichtieren.“ Für jede Phase der Augenregeneration sammelte und analysierte das Team die Genaktivität. Diese Informationen über den Zeitpunkt der Genexpression können verwendet werden, um einzugrenzen, welche Gene für die Augenregeneration am vielversprechendsten sind. „Wir haben jetzt eine Liste mit Kandidaten-Genen“, berichtete Accorsi. „In Zukunft wollen wir diese Gene stören, um zu testen, ob sie für die Regeneration und Entwicklung des Auges erforderlich sind.“ (BIERMANN/SaS)
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