Mit sprachbegabten Algorithmen gegen die Fettleber

Carolin Schneider (RWTH Aachen) ist von der Aventis Foundation mit einem von drei Life Sciences Bridge Awards ausgezeichnet worden. (Foto: © Uwe Dettmar)

Aus riesigen Datensätzen filtert Prof. Carolin Schneider mithilfe sprachbegabter Algorithmen evidenzbasierte Kriterien für eine präzisere Diagnostik der Fettleber heraus. Dafür wurde die Forscherin nun ausgezeichnet.

Um Schneider den Weg zu einer unbefristeten Professur zu ebnen, hat die Aventis Foundation ihr gerade einen Life Sciences Bridge Award verliehen.

Als Post-Doktorandin bei Prof. Daniel Rader an der Universität von Pennsylvania in Philadelphia (USA) durchforstete Schneider mit Natural Language Processing-Programmen die Penn Medicine Biobank. In jeweils mehr als zwei Millionen Berichten über Biopsien und bildgebende Untersuchungen der Leber entdeckte sie mithilfe sprachbegabter Algorithmen Tausende von Patienten mit einer bisher undiagnostizierten Steatohepatitis. In derselben Studie gelang es ihr, hunderte von Kriterien zu entdecken oder zu bestätigen, die eine rechtzeitige Diagnose ermöglichen könnten.

Big Data für den medizinischen Fortschritt zu erschließen, hat Schneider während ihrer Doktorarbeit im Rahmen der European Alpha-1 Liver Study Group unter der Ägide von Prof. Pavel Strnad an der RWTH Aachen gelernt. Darin ging es um die durch einen erblichen Mangel des Enzyms Alpha1-Antitrypsin (AAT) ausgelöste Leberkrankheit. Sie wird meist durch eine Punktmutation ausgelöst, die kodominant vererbt wird. Schneiders Forschungsfrage war nun, wie hoch das Erkrankungsrisiko für heterozygote Menschen ist, bei denen nur ein Allel mutiert ist. Sie beteiligte sich daran, eine europaweite klinische Studie mit rund 1000 Probanden aufzubauen. Die Ergebnisse glich sie anschließend mit etwa 450.000 Datensätzen aus der UK Biobank ab. So konnte sie unvermeidliche Verzerrungen im Design der klinischen Studie korrigieren und nachweisen, in welchem Umfang auch heterozygote Träger gefährdet sind und von Veränderungen ihres Lebensstils und Präventionsmaßnahmen profitieren würden.

Ausgestattet mit einer Fördersumme von 1,25 Millionen Euro, die ihr das Land Nordrhein-Westfalen im Rahmen seines Rückkehrprogramms für herausragende Forscherinnen gewährt, baut Schneider an der RWTH Aachen seit Juli 2022 eine eigene Forschungsgruppe auf. Diese sucht mit ihren mittlerweile 15 Mitgliedern aus medizinischen Datenbanken neue Präventions- und Therapieansätze für Stoffwechselkrankheiten abzuleiten. „Wir stellen mit unserer Forschung zwar zunächst nur Zusammenhänge fest“, sagt Schneider. „Aber wir überprüfen diese Assoziationen dann bald in klinischen Pilotstudien.“ Ihr Ziel ist es, vor allem niedergelassenen Ärzten einfach einsetzbare Verfahren anzubieten, damit sie Erkrankungen wie die Fettleber besser erkennen und präventiv eindämmen können. Zum Beispiel durch den evidenzbasierten Hinweis darauf, dass Vitamin E-haltige Lebensmittel wie Olivenöl, Haferflocken und frisches Gemüse leberprotektiv sind.

Als Physician Scientist befindet sich Schneider noch mitten in ihrer Ausbildung zur Fachärztin für Innere Medizin. Neben der Krankenversorgung und Forschung liegt ihr nach eigenem Bekunden die Lehre am Herzen, besonders auch die Förderung junger Frauen. Im September 2023 wurde sie an der RWTH zur W1-Professorin für die Prävention und Genetik von metabolischen Erkrankungen der Leber ernannt und ist damit eine der jüngsten Juniorprofessorinnen Deutschlands.

„Wir möchten ihr mit diesem Preis über die Brücke zu einer unbefristeten Professur helfen“, sagt Prof. Werner Müller-Esterl, Vorsitzender der Jury des Life Sciences Bridge Award. „Big Data für die Prävention von Krankheiten zu nutzen, ist eine innovative Strategie, der Carolin Schneider mit bisher schon vielversprechenden Ergebnissen beharrlich folgt.“

Der Life Sciences Bridge Award wird jährlich an drei Preisträger vergeben, die an deutschen Universitäten forschen. Sie erhalten jeweils 100.000 Euro. Zehn Prozent davon dürfen sie für persönliche Zwecke nutzen, der Rest ist der Finanzierung ihrer Forschung vorbehalten.

Die Aventis Foundation ist eine unabhängige, gemeinnützige Stiftung mit Sitz in Frankfurt am Main. Sie dient der Förderung von Kunst und Kultur sowie von Wissenschaft, Forschung und Lehre.