Mit Virtual Reality Phantomschmerzen bekämpfen

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Ein neues Forschungsprojekt am Life Sciences Campus Bergedorf soll mithilfe von virtueller Realität (VR) Abhilfe bei Phantom- und Deafferenzierungsschmerzen schaffen.

Die Amputation eines Armes oder die Verletzung der Armnerven bedeutet für die Betroffenen oftmals eine radikale Veränderung ihres Alltags. Eine Arbeitsgruppe um Prof. Meike Wilke an der Fakultät Life Sciences der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) Hamburg, forscht nun an neuartigen Therapieformen. Durch den spielerischen Einsatz von VR soll der fehlende Arm wieder gespürt und bewegt werden.

Das Forschungsprojekt „Prothesen und Orthesen zur Mobilen und spezifischen Phantom- und Deafferierungsschmerztherapie“, abgekürzt PROMPT, wird durch das BMBF gefördert. Die Forscherinnen und Forscher erhoffen sich durch eine VR-basierte Therapieform eine Reduktion der sogenannten Phantom- und Deafferenzierungsschmerzen.

Phantomschmerzen werden trotz des Verlustes einer Extremität in dieser noch wahrgenommen, Deafferenzierungsschmerzen werden in einer nach einem Unfall tauben und unbeweglichen Extremität gespürt. „90 Prozent der Betroffenen, deren Armnerven durchtrennt wurden, leiden an entsprechenden Schmerzen“, sagt Wilke, Leiterin des Forschungsprojektes. „Bisherige Behandlungsmöglichkeiten führen bisher zu wenig bis zu gar keiner Linderung der Schmerzen. Hier gehen wir mit PROMPT neue Wege in der Therapieforschung.“

Die Arbeitsgruppe entwickelt im Forschungsprojekt PROMPT ein neuartiges, dynamisches und leichtgewichtiges mobiles Therapieunterstützungssystem. Dafür werden zunächst Prothesen und Orthesen entwickelt, die im Bereich der noch vorhandenen Nerven die elektrische Aktivität der Muskeln messen. Mit Hilfe von eingebauten Mikrovibratoren geben sie ein somatosensorisches – also die eigene Körperwahrnehmung betreffendes – Feedback.

Diese Prothese beziehungsweise Orthese wird in einem nächsten Schritt dann mit VR-Spielen verknüpft. In der VR sehen die Patientinnen und Patienten neben dem gesunden Arm auch den fehlenden oder unbeweglichen Arm. In den einzelnen Spielen führen sie jeweils verschiedene beidhändige Bewegungen aus. Dabei wird die Muskelaktivität mit der Ansicht in der VR synchronisiert, sodass während der Bewegungsausführung sowohl somatosensorische Feedbacksignale über die Prothese oder Orthese als auch visuelle Feedbacksignale über die VR an das Gehirn gesendet werden. „So, wie es vormals der gesunde Arm getan hat. Der fehlende oder unbewegliche Arm kann so wieder gespürt und bewegt werden“, erklärt die Professorin für Biotechnologie, Wilke. Das Gehirn, so die Forscherin, nehme diese neuen Feedbacksignale durch VR sehr realistisch wahr. So könne die fehlende nervale Rückmeldung an das Gehirn ersetzt und damit die Ursache des Schmerzes direkt bekämpft werden.

Derzeit werde noch interessierte Probanden mit Schmerzen nach Unterarmamputation (transradial) oder Armlähmung für die Teilnahme an dem Forschungsprojekt gesucht.