Mobile Stroke Units verbessern die Prognose nach Schlaganfall

Mobile Stroke-Units wie die der Berliner Feuerwehr verbessern die Chancen von Schlaganfall-Patienten deutlich. (Foto: Berliner Feuerwehr)

Der Einsatz mobiler Stroke Units geht mit signifikant weniger Folgeschäden für die Betroffenen einher. Allerdings gibt es keinen Effekt auf die Sterblichkeit. Das zeigt eine aktuelle Datenauswertung, auf die die Deutsche Gesellschaft für Neurologie hinweist.

Nach einem ischämischen Schlaganfall gilt „time is brain“. Um die Durchblutung des betroffenen Hirnareals wiederherzustellen,  werden gerinnselauflösende Medikamente eingesetzt. Es sind jedoch nicht alle Betroffenen mit Schlaganfall-Symptomen für eine Thrombolyse geeignet. Insbesondere müssen hämorrhagische Schlaganfälle abgegrenzt werden (in bis zu 20 % die Ursache von Schlaganfällen), da diese durch eine Thrombolyse verschlechtert würden. Daher muss immer vor Beginn einer Lysetherapie zunächst eine zerebrale Bildgebung (CT, MRT) erfolgen.

Ein Stroke-Einsatz-Mobil (STEMO oder Mobile Stroke Unit, MSU) ist ein speziell ausgerüsteter Rettungswagen (RTW), der unter anderem mit einem CT-Gerät ausgestattet ist, sodass die Diagnose direkt nach dem Eintreffen der MSU bei dem Betroffenen erfolgen und gegebenenfalls die Lyse bereits vor der Abfahrt in eine Klinik begonnen werden kann. In Deutschland werden seit mehr als 10 Jahren MSUs eingesetzt; die Studie „B_PROUD“ (2/2017–5/2019) aus Berlin zeigte, dass das Konzept gegenüber dem Einsatz konventioneller RTW bei ischämischen Schlaganfällen zu besseren Behandlungsergebnissen mit weniger bleibenden Behinderungen führt.1 Über die Entsendung einer MSU beziehungsweise den Verdacht auf einen Schlaganfall entscheidet die Rettungsleitstelle nach einem speziellen Abfrage-Algorithmus. Wenn gerade keine MSU verfügbar ist, wird zunächst ein konventioneller RTW geschickt, gegebenenfalls gefolgt von einer MSU.

Nun wurden Daten der Studie sowie des angeschlossenen B-SPATIAL-Schlaganfall-Registers weiter analysiert2, um den Effekt der MSU-Aussendung (verglichen zum Einsatz konventioneller RTW alleine) auf das funktionelle Outcome bei Betroffenen über das gesamte Schlaganfall-Spektrum (einschließlich transitorischer ischämischer Attacken, TIA) zu evaluieren. Der primäre Endpunkt war der Behinderungsgrad auf der modifizierten Rankin-Skala (mRS-Score, 0=keine Behinderung, 6=Tod) nach drei Monaten, im co-primären Outcome wurde der Behinderungsgrad auf einer weniger feinskalierten, dreistufigen Skala erfasst.

Im Ergebnis wurden MSU zu 1125 Patientinnen und Patienten ausgesandt (mittleres Alter 74 Jahre, 46,5 % weiblich); bei 1141 Betroffenen (mittleres Alter 75 Jahre, 49,9 % weiblich) kam ein konventioneller RTW zum Einsatz. Nach umfassender statistischer Adjustierung war der Einsatz von MSU signifikant mit besseren mRS-Scores nach drei Monaten (OR 0,82) assoziiert. Die Assoziationen mit dem co-primären Outcome oder der Sieben-Tages-Mortalität waren hingegen statistisch nicht signifikant. Wurde eine MSU zu Menschen geschickt, die an einer Hirnblutung litten und daher gar nicht für die Thrombolyse infrage kamen, ging das wiederum nicht mit einem schlechteren Outcome einher.

„Die Ergebnisse sind von großer Bedeutung für die Betroffenen – es ist durchaus relevant für die Lebensqualität, ob man nach einem Schlaganfall eine Behinderung des dritten oder vierten Grades auf der modifizierten Rankin-Skala hat. Auch im Hinblick auf die Folgekosten macht das einen Unterschied, kurz gesagt: Je höher der Behinderungsgrad, desto mehr und längere Therapie ist notwendig“, erklärt Prof. Matthias Endres, Direktor der Klinik für Neurologie an der Charité Universitätsmedizin Berlin und einer der Studienleiter.

Die Studie unterstützt somit die aktuelle Leitlinie der „European Stroke Organisation“ (ESO), welche MSUs für die prähospitale Versorgung empfiehlt. Dennoch hinterfragen politisch Verantwortliche zunehmend das Kosten-Nutzen-Verhältnis, da sich im Hinblick auf die Sterblichkeit kein signifikanter Unterschied abzeichnete. Eine Erklärung dafür könnte sein, dass viele Patienten im Schlaf einen Schlaganfall erleiden, der oft erst am Morgen durch den Partner/die Partnerin bemerkt wird. Häufig ist dann das Gehirn bereits stundenlang unterversorgt, sodass die Zeitersparnis durch die MSU von circa 30–60 Minuten dann vermeintlich nicht mehr so deutlich ins Gewicht fällt.

Sollte man die MSU daher einsparen? „Keinesfalls“, sagt Prof. Peter Berlit, Pressesprecher und Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN). „Der Effekt auf den Behinderungsgrad ist deutlich und in Fällen, bei denen der Schlaganfall frühzeitig erkannt wird, kann der Einsatz der MSU dafür sorgen, dass diese Betroffenen den Schlaganfall sogar ganz ohne Folgeschäden überleben, weil sie die Therapie binnen der sogenannten ‚golden hour‘ erhalten. Der Benefit ist also für einzelne Patientinnen und Patienten enorm hoch. Die DGN schließt sich der Empfehlung der europäischen Fachgesellschaft daher an und hofft auf einen weiteren Ausbau der Schlaganfallversorgung mit mobilen Stroke Units in Deutschland.“

Dafür spricht auch eine aktuell publizierte Kosten-Nutzen-Betrachtung.3 Ihr zufolge führte der Einsatz zu mehr qualitätskorrigierten Lebensjahren (QALY), die Mehrkosten pro QALY betrugen knapp 41.000 Euro, ein Wert, der im international akzeptierten Rahmen liegt. „In Deutschland gibt es keine offizielle Festlegung, wie viel ein QALY kosten darf, die ‚WHO Commission on Macroeconomics and Health‘ schlägt einen Schwellenwert des Ein- bis Dreifachen des Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukts vor, das wären zwischen 58.000 und 175.000 US Dollar, also etwa zwischen 53.000 und 162.000 Euro. Die Mehrkosten für den Einsatz von MSU sind somit auch gesamtgesellschaftlich vertretbar“, erklärt der DGN-Generalsekretär.