Mögliche neue Medikamentenklasse zur Behandlung chronischer Schmerzen26. August 2021 Das aus der Schmetterlingsgardenie gewonnene Alkaloid Conolidin bindet an den atypischen Opioid-Rezeptor ACKR3 und könnte als Vorlage für eine neue analgetische Wirkstoffklasse dienen. Foto: ©Sayeed – stock.adobe.com Das natürliche Schmerzmittel Conolidin interagiert mit dem kürzlich identifizierten Opioid-Rezeptor ACKR3/CXCR7, wie Ergebnisse luxemburgischer Forschender darlegen. Der Wirkstoff und seine synthetischen Analoga geben Hoffnung auf eine neue Behandlungsmöglichkeit für chronische Schmerzen. Opioide vermitteln neben einer Schmerzlinderung auch Emotionen wie Euphorie, Angst, Stress und Depressionen, indem sie mit vier klassischen Opioid-Rezeptoren im Gehirn interagieren. Dr. Andy Chevigné, Leiter des Bereichs Immunpharmakologie und Interaktomik des Department of Infection and Immunity am Luxembourg Institute of Health (LIH), und sein Team haben bereits zu einem früheren Zeitpunkt entdeckt, dass es sich bei dem Chemokin-Rezeptor ACKR3 um eine neue fünfte und atypische Art von Opioid-Rezeptor handelt, der eine hohe Affinität für verschiedene natürliche Opioide aufweist (Nature Communications, Meyrath et al. 2020). Der Rezeptor ACKR3 agiert als „Fänger“, der die ausgeschütteten Opioide „einfängt“ und damit verhindert, dass sie sich an die klassischen Rezeptoren binden. So dämpft er ihre analgetische Wirkung und reguliert das Opioid-System. Conolidin ist ein Alkaloid mit analgetischer Wirkung, welches aus der Schmetterlingsgardenie gewonnen und in der traditionellen chinesischen Medizin als Schmerzmittel eingesetzt wird. Die LIH-Forschenden untersuchten in Kooperation mit dem Center for Drug Discovery des gemeinnützigen Forschungsinstituts RTI International (RTI) mehr als 240 Rezeptoren auf ihre Fähigkeit hin, von Conolidin aktiviert oder gehemmt zu werden. In einem Letter in der Fachzeitschrift „Signal Transduction and Targeted Therapy“ der Nature-Verlagsgruppe präsentieren sie ACKR3 als Target, das am besten auf dieses Molekül anspricht. „Wir konnten bestätigen, dass Conolidin an den neu identifizierten Opioid-Rezeptor ACKR3 bindet, für die anderen vier klassischen Opioid-Rezeptoren aber keine Affinität zeigt. Hierdurch blockiert Conolidin den ACKR3-Rezeptor und verhindert, dass dieser die natürlicherweise abgesonderten Opioide einfangen kann, was wiederum deren Verfügbarkeit für die Interaktion mit den klassischen Rezeptoren erhöht. Wir glauben, dass dieser molekulare Mechanismus für die positiven Effekte verantwortlich ist, die das in der traditionellen chinesischen Medizin eingesetzte Arzneimittel auf die Schmerzlinderung hat“, sagt Dr. Martyna Szpakowska, Erstautorin der Publikation. Die beiden Teams beschränkten sich jedoch nicht nur auf die Charakterisierung der Interaktion zwischen Conolidin und ACKR3. Die Wissenschaftler gingen noch einen Schritt weiter und entwickelten eine modifizierte Variante von Conolidin, die sie RTI-5152-12 nannten. Diese Variante bindet mit noch höherer Affinität ausschließlich an ACKR3. Wie die bereits zuvor von Chevigné und seinem Team entwickelte patentierte Verbindung LIH383 soll RTI-5152-12 die Menge an Opioid-Peptiden erhöhen, die an klassische Opioid-Rezeptoren im Gehirn binden, und damit die schmerzlindernde Wirkung verstärken. Die Forscherteams des LIH und RTI schlossen eine Kooperationsvereinbarung und reichten im Dezember 2020 eine gemeinsame Patentanmeldung ein. „Die Identifizierung von ACKR3 als Target für Conolidin unterstreicht, welch wichtige Rolle der neu entdeckte Rezeptor bei der Modulation des Opioid-Systems spielt – und damit auch bei der Regulierung unserer Schmerzwahrnehmung, so Chevigné. „Dank unserer Ergebnisse könnten Conolidin und möglicherweise auch seine synthetischen Analoga eine neue Hoffnung für die Behandlung von chronischen Schmerzen und Depressionen bedeuten, vor allem wenn man bedenkt, dass Conolidin weniger schädliche Nebenwirkungen wie Abhängigkeit oder Verträglichkeits- und Atmungsprobleme haben soll. Solche Nebenwirkungen treten bei häufig eingesetzten Opioid-Medikamenten wie Morphin und Fentanyl auf.“ „Unsere Arbeit könnte daher als Grundlage für die Entwicklung einer neuen Medikamentenklasse mit einem alternativen Wirkmechanismus dienen und einen Beitrag zur Bewältigung der Krise im öffentlichen Gesundheitswesen aufgrund des zunehmenden Missbrauchs und der steigenden Abhängigkeit von Opioid-Medikamenten leisten“, ergänzt Dr. Ojas Namjoshi, leitender Wissenschaftler der Studie bei RTI. Die Studie wurde vom Fonds National de la Recherche (FNR), dem Ministerium für Hochschulwesen und Forschung und der Europäischen Kommission gefördert.
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