Möglicher neuer Laborwert zur besseren Erkennung zahlreicher Entzündungserkrankungen28. März 2024 Abbildung: © Zerbor/stock.adobe.com Ein erhöhter Verbrauch von Tryptophan kann bei einer Vielzahl chronischer Entzündungserkrankungen einen Hinweis auf minimale Restentzündung geben. Bei Menschen mit chronischen Darmentzündungen wird die essenzielle Aminosäure Tryptophan deutlich stärker als bei Gesunden verbraucht. Das haben vorangegangene Forschungsarbeiten, auch unter Beteiligung von Mitgliedern des Exzellenzclusters „Precision Medicine in Chronic Inflammation“ (PMI), gezeigt. Weitere Studien konnten dies ebenfalls bei einzelnen anderen Entzündungskrankheiten finden. Nun haben Mitglieder des PMI-Clusters in einer systematischen Analyse zeigen können, dass dieser Tryptophanverbrauch als Folge der Entzündung bei einer Vielzahl chronischer Entzündungserkrankungen vorliegt. Tryptophan bei den meisten chronischen Entzündungserkrankungen reduziert Das Kieler Team des Exzellenzclusters PMI hat dazu in den vergangenen zehn Jahren Blutproben von Patienten massenspektrometrisch untersucht, welche aufgrund einer chronischen Entzündungserkrankung im Exzellenzzentrums Entzündungsmedizin (Comprehensive Center for Inflammation Medicine, CCIM) am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH), Campus Kiel, behandelt wurden. Hierbei wurden der Tryptophangehalt und in ausgewählten Patientengruppen ebenfalls der Gehalt verschiedener Abbauprodukte von Tryptophan untersucht. „Wir haben diese Analyse als einen neuen Biomarker in den klinischen Alltag integriert und standardisiert im Laborprofil die Tryptophanwerte mitbestimmt“, erklärt die Erstautorin der Arbeit, Dr. Danielle Harris vom Institut für Klinische Molekularbiologie (IKMB) der Medizinischen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität (CAU) und des UKSH, Campus Kiel. Dadurch wurden über zehn Jahre hinweg Daten von knapp 2000 Patienten zu verschiedenen Zeitpunkten gesammelt. Da die Betroffenen mehrfach in die Ambulanz kamen, wurden insgesamt rund 30.000 Proben genommen. Eingeflossen sind so Daten zu 13 chronischen Entzündungserkrankungen, bei neun waren die Tryptophankonzentrationen im Blut signifikant reduziert. Dazu zählen neben Morbus Crohn und Colitis Ulcerosa ebenfalls zahlreiche rheumatische Erkrankungen (z.B. Rheumatoide Arthritis, Axiale Spondylarthritis, Systemische Lupus Erythematodes). Das Exzellenzzentrum Entzündungsmedizin umfasst je eine große interdisziplinäre Spezialambulanz für chronisch-entzündliche Erkrankungen an beiden Standorten des UKSH, Kiel und Lübeck, die ursprünglich auf Initiative des Exzellenzclusters „Inflammation at Interfaces“, dem Vorgänger des Clusters PMI, gegründet wurden. Durch die enge Zusammenarbeit verschiedener Spezialisten ermöglichen diese eine bestmögliche interdisziplinäre Versorgung von Patienten mit schwerwiegenden chronisch-entzündlichen Erkrankungen. „Unsere Forschungsarbeit zeigt die Stärke des Exzellenzzentrums Entzündungsmedizin auch für die Forschung: Hier konnten wir systematisch über einen längeren Zeitraum anhand einer Vielzahl von Patientinnen und Patienten mit chronischen Entzündungserkrankungen Tryptophan als neuen Biomarker untersuchen“, betont der federführende Autor Konrad Aden, Else Kröner Clinician Scientist Professor an der Medizinischen Fakultät der CAU, Arbeitsgruppenleiter am IKMB, CAU und UKSH, und Oberarzt der Klinik für Innere Medizin I am UKSH, Campus Kiel. „Bisher haben zwar einzelne, kleinere Untersuchungen einen Tryptophanmangel für einzelne chronische Entzündungserkrankungen nachgewiesen, aber wir konnten das nun sehr systematisch für eine Reihe verschiedener Erkrankungen belegen und so die klinische Relevanz von Tryptophan als potentiellen Biomarker der chronischen Entzündung zeigen,“ so Aden weiter. Marker für kleinste Rest-Entzündungen Darüber hinaus machte das Team noch eine weitere Beobachtung: die Tryptophankonzentrationen im Blut waren auch noch bei Personen reduziert, bei denen mit den bisherigen klinischen Untersuchungen keine Entzündung mehr festzustellen war. Ärzte nutzen hier bislang neben sichtbaren Entzündungszeichen vor allem einen etablierten labordiagnostischen Biomarker, das C-reaktive Protein (CRP), um Entzündung im Körper festzustellen. „Mit dem reduzierten Tryptophan-Level haben wir also nun einen neuen, potentiellen Marker, der auch kleinste Rest-Entzündungen noch detektieren kann“, erklärt Aden. „Das kann beispielsweise hilfreich sein bei der Entscheidung, wann und in welcher Intensität eine medikamentöse Therapie begonnen werden soll“, erklärt Aden. „Ein wichtiges Ziel unseres Exzellenzclusters ist es, Krankheitsphänomene zu identifizieren, die übergreifend für die verschiedenen Entzündungserkrankungen gelten, unabhängig von den Organen, die überwiegend von der Erkrankung betroffen sind. Der vorliegenden Arbeit ist dies mit Tryptophan als möglichen Biomarker gelungen“, sagt Prof. Stefan Schreiber, Sprecher des Exzellenzclusters PMI. „Wenn sich dieser Marker in klinischen Studien weiterhin behauptet, könnte er die bisherigen Standardwerte ergänzen und die Diagnostik maßgeblich verbessern“, so Schreiber weiter. Seitdem Mitglieder des Exzellenzclusters 2017 mit anderen Forschenden erstmals einen Tryptophanmangel bei chronischen Darmentzündungen gezeigt hatten, erforschen sie die Bedeutung des Tryptophanstoffwechsels für Entzündungen. In den aktuellen Studien steht auch der Einfluss des individuellen Darmmikrobioms und dessen Einfluss auf Tryptophan als Biomarker im Fokus. Co-Autor Silvio Waschina, Junior-Professor für Nutriinformatik an der der CAU, hebt hervor: „Besonders faszinierend ist der Zusammenhang mit dem Mikrobiom, da bekannt ist, dass mikrobielle Abbauprodukte des Tryptophan-Stoffwechsels eine intensive Wechselwirkung mit dem menschlichen Immunsystem aufweisen.“ Ein Ansatz ist hier auch, den Mangel durch eine zusätzliche Gabe von Stoffwechselprodukten von Tryptophan auszugleichen und so die Entzündung abzuschwächen. Hierzu führen Clustermitglieder aktuell beispielsweise auch klinische Studien durch. Dieser Forschungsbereich soll auch in einer möglichen weiteren Förderphase weitergeführt werden, für den der Exzellenzcluster PMI derzeit einen Folgeantrag vorbereitet.
Mehr erfahren zu: "Durch Alkohol verursachte Leberschäden: Sport und gute Ernährung vermitteln offenbar geringeres Mortalitätsrisiko" Durch Alkohol verursachte Leberschäden: Sport und gute Ernährung vermitteln offenbar geringeres Mortalitätsrisiko In einer neuen Studie haben Wissenschaftler untersucht, wie körperliche Aktivität und die Qualität der Ernährung mit unterschiedlichen Leveln und Mustern des Alkoholkonsums interagieren – mit dem Ergebnis, dass gesundes Essen […]
Mehr erfahren zu: "DMKG: Moderne Migränetherapien werden zu wenig genutzt" DMKG: Moderne Migränetherapien werden zu wenig genutzt Seit Jahren sind wirksame und gut verträgliche Migräneprophylaktika verfügbar, deren Anwendung auch von der aktuellen S1-Leitlinie empfohlen wird. Doch viele Menschen mit schwerer Migräne erhalten diese Medikamente erst spät. Das […]
Mehr erfahren zu: "Typ-1-Diabetes: Gutes Aufwachsen geht nur zusammen und auf Augenhöhe" Typ-1-Diabetes: Gutes Aufwachsen geht nur zusammen und auf Augenhöhe Die Social-Media-Kampagne #SagEsLaut startet ihre dritte Aktion im Jahr 2025: „Kinder und Jugendliche mit Diabetes“. Wie wachsen Kinder mit Typ-1-Diabetes gut auf und wie wachsen Eltern mit ihnen mit? Zwei […]