Molekulare Analyse unterstützt Therapieentscheidung bei seltenen Krebserkrankungen22. Juni 2021 Bild: © ipopba – stock.adobe.com Wissenschaftler des Deutschen Konsortiums für Translationale Krebsforschung (DKTK) und am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) in Heidelberg und Dresden konnten erstmals belegen, dass PatientInnen mit seltenen Tumorerkrankungen von einer umfassenden molekularen Analyse profitieren. Retrospektive Analysen zeigen, dass etwa ein Drittel aller Krebspatienten von Therapieentscheidungen auf Basis von Biomarkern profitiert. Bei seltenen Krebsarten war die klinische Relevanz präzisionsonkologischer Ansätze bisher nicht belegt. Das liegt im Wesentlichen daran, dass diese Tumorarten nur wenig erforscht sind und ihre Häufigkeit in den einzelnen Krebszentren so gering ist, dass die PatientInnengruppen für aussagekräftige Untersuchungen zu klein sind. Im DKFZ/NCT/DKTK-MASTER*-Programm haben sich daher Zentren in ganz Deutschland zusammengeschlossen, um größere Stichproben betrachten und erforschen zu können. Denn tatsächlich machen die seltenen Krebsarten in ihrer Gesamtheit bis zu einem Viertel aller Tumorerkrankungen aus. Und anders als bei den häufigen Krebsarten wie Brust-, Darm- oder Lungenkrebs gibt es bei diesen seltenen Erkrankungen in der Regel keine oder nur wenige etablierte Therapiestandards und somit einen erheblichen ungedeckten medizinischen Bedarf.In der prospektiven Beobachtungsstudie im Rahmen des DKFZ/NCT/DKTK-MASTER-Programms haben WissenschaftlerInnen die vollständigen molekularen Profile und klinischen Daten von 1310 KrebspatientInnen analysiert. 75,5 Prozent davon litten an seltenen Tumoren. Basierend auf 472 einzelnen und sechs zusammengesetzten Biomarkern empfahl ein institutionenübergreifendes molekulares Tumorboard in 88 Prozent der 1310 Fälle eine evidenzbasierte Behandlung mit teilweise neuen, experimentellen Therapien. Die jeweiligen Empfehlungen wurden bei etwa einem Drittel dieser PatientInnen umgesetzt und führten zu signifikant verbesserten Gesamtansprech- und Krankheitskontrollraten im Vergleich zu Standardtherapien.“Unsere Daten belegen den Nutzen der sogenannten molekularen Stratifizierung bei seltenen Krebsarten. Dies bildet die Basis für neue klinische Studien und erleichtert die Zulassung von Medikamenten in dieser unterversorgten PatientInnen-Population,” sagt Prof. Stefan Fröhling, Geschäftsführender Direktor am NCT Heidelberg und einer der Leiter der Studie.Einmal mehr werde an der vorliegenden Studie deutlich, “dass das Zusammenspiel multizentrischer Netzwerke wie des DKTK für die translationale Forschung und des NCT für die klinische Forschung zu Pionierleistungen auf dem Gebiet der personalisierten Onkologie in Deutschland führen kann,” sagt Prof. Hanno Glimm, Geschäftsführender Direktor am NCT/UCC Dresden und ebenfalls einer der Leiter der Studie. “Insgesamt haben mehr als 100 Partner zum Erfolg des Programms beigetragen,” ergänzt Glimm. Diese repräsentieren alle Ebenen der Versorgung von KrebspatientInnen in Deutschland – von den onkologischen Spitzenzentren bis zu den niedergelassenen Onkologen.Im Rahmen des DKFZ/NCT/DKTK-MASTER-Programms kooperieren neben dem NCT Heidelberg und dem NCT/UCC Dresden sechs Partnerstandorte des DKTK (Berlin, Essen/Düsseldorf, Frankfurt/Mainz, Freiburg, München, Tübingen). Das Programm dient der multidimensionalen Charakterisierung von PatientInnen mit fortgeschrittenen seltenen Krebserkrankungen sowie von PatientInnen, bei denen eine unheilbare Krebserkrankung in einem ungewöhnlich frühen Alter diagnostiziert wird. Die beteiligten ÄrztInnen und ForscherInnen entwickeln dazu die Charakterisierungsmethoden auf allen Ebenen weiter, z. B. indem sie proteomische und epigenomische Untersuchungen inkludieren. Zusätzlich werden in Zukunft Behandlungsansätze jenseits der medikamentösen Therapie mit einbezogen, z. B. die Strahlentherapie oder die Chirurgie. Ein besonderer Fokus des Programms liegt in der Entwicklung und Durchführung klinischer Studien, in denen Behandlungen überprüft werden, die sich an den Eigenschaften jeder einzelnen Krebserkrankung orientieren. Ziel dieser multidisziplinären Bemühungen ist es, möglichst vielen PatientInnen eine moderne, präzisionsonkologische Behandlung zu ermöglichen.Der NCT-Standort Heidelberg nimmt dabei eine Vorreiterrolle ein, wie auch an verwandten Programmen deutlich wird – etwa der DKFZ/KiTZ/DKTK-INFORM-Studie, die sich auf Kinder mit fortgeschrittenen Krebserkrankungen fokussiert und am KiTZ (Hopp-Kindertumorzentrum Heidelberg) durchgeführt wird.*Molecularly Aided Stratification for Tumor Eradication ResearchPublikation: P. Horak, C. Heining, S. Kreutzfeldt et al. (2021) Comprehensive Genomic and Transcriptomic Analysis for Guiding Therapeutic Decisions in Patients with Rare Cancers. Cancer Discovery (a journal of the American Association for Cancer Research) doi.org/10.1158/2159-8290.CD-21-0126
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