Molekularer Bote des Sehens: Einige RBP3-Geheimnisse konnten gelüftet werden23. April 2025 Auge, Netzhaut und Oberflächenwiedergabe der CryoEM-Struktur von RBP3.Illustration.©Nelam Kumar Wissenschaftler haben tief in die Proteinstruktur geblickt, die unser Sehvermögen bestimmen könnte: Das Retinol-bindende Protein 3 (RBP3) ändert nicht nur je nach Belastung seine Form, sondern spielt möglicherweise auch eine Rolle beim Schutz der Netzhaut vor Krankheiten wie diabetischer Retinopathie oder Retinitis pigmentosa. RBP3 ist ein Glykoprotein von etwa 140 kDa, das im Interzellularraum der Netzhaut zu finden ist. Es spielt eine wichtige Rolle beim Transport von Retinoiden, die für das ordnungsgemäße Funktionieren des Sehvorgangs unerlässlich sind. Obwohl die Existenz von RBP3 schon seit Jahren bekannt ist, waren seine Struktur und seine genauen Wirkungsmechanismen bislang noch unerforscht. Ein internationales Team von Wissenschaftlern, darunter auch Forscher des International Centre for Translational Eye Research (ICTER), setzte moderne Methoden der Strukturanalyse ein, um ein Bild der nativen Struktur von RBP3 mit sehr hoher Genauigkeit zu erhalten. Die Ergebnisse der Untersuchungen wurden in der Fachzeitschrift „Open Biology“ veröffentlicht. „Den Wissenschaftlern ist es uns gelungen, die vollständige Struktur des nativen RBP3 im Schwein mit einer Auflösung von 3,67 Å zu erfassen. Dies ist ein wichtiger Schritt zum Verständnis der Funktion dieses Proteins, insbesondere im Zusammenhang mit seiner Rolle beim Transport von Retinoiden und Fettsäuren im Auge“, erklärt Dr. Humberto Fernandes vom ICTER. Wie wurde die Studie durchgeführt? Um die dreidimensionale Struktur von RBP3 zu erfassen, nutzten die Forscher die Kryo-Elektronenmikroskopie (KryoEM). Die Studie nutzte auch die Analyse der Röntgenkleinwinkelstreuung (SAXS), mit der die Konformationsänderungen des Proteins in Lösung bestimmt werden konnten. Die Forscher isolierten RBP3 aus Schweinenetzhäuten, um das Protein in seiner nativen Form zu erhalten. Die Gewebe wurden unter Bedingungen gelagert, die den Proteinabbau minimierten. Anschließend wurde RBP3 mit Hilfe fortschrittlicher Chromatographietechniken gereinigt. Jeder Schritt des Verfahrens zielte darauf ab, eine stabile und funktionelle Form des Proteins zu erhalten. Nachdem die Forscher reine Proben des Proteins erhalten hatten, begannen sie mit Experimenten unter Verwendung der Kryo-Elektronenmikroskopie. Die RBP3-Proben wurden auf extrem niedrige Temperaturen abgekühlt und in einen Elektronenstrahl gelegt, wodurch sie Hunderttausende von Bildern einzelner Moleküle aufnehmen konnten. Die Zusammenstellung dieser Bilder zu einem dreidimensionalen Modell ermöglichte die Rekonstruktion der Proteinstruktur mit einer Auflösung von 3,67 Å. Parallel dazu wurde eine SAXS-Analyse durchgeführt, die zusätzliche Informationen über die Konformationsplastizität von RBP3 in Lösung lieferte. Mit diesen Experimenten konnten sie beobachten, wie das Protein seine Form ändert, wenn es an verschiedene Moleküle gebunden ist, darunter Retinoide und Fettsäuren. So entdeckten die Forscher, dass RBP3 je nach Art der transportierten Ladung unterschiedliche Konformationen annimmt, was für seine Funktion als dynamischer Retinoid-Transporter entscheidend sein könnte. „Dies ist eine der detailliertesten Strukturstudien von RBP3, die jemals durchgeführt wurden. Durch die Kombination von Kryo-EM und SAXS haben wir einen einzigartigen Einblick in die Funktionsweise dieses Proteins gewonnen“, betont Fernandes vom ICTER. Was wurde gefunden? Eines der wichtigsten Ergebnisse dieser Studie ist den Forschern zufolge die Fähigkeit von RBP3, seine Form in Abhängigkeit von der Art des gebundenen Moleküls zu verändern. Experimente haben gezeigt, dass das Protein nach der Bindung von 11-cis-Retinal (11c-RAL) und all-trans-Retinol (at-ROL) verschiedene Konformationen annimmt – von kompakt bis offen. Zudem haben die SAXS-Analysen ergeben, dass RBP3 bei höheren Konzentrationen dieser Retinoide gestreckt ist, was laut den Forschen auf den Mechanismus seiner Wirkung als dynamischer Retinoid-Transporter hindeuten könnte. „Dieser Befund ist besonders interessant, weil er darauf hindeutet, dass RBP3 als flexibler Retinoid-Transporter fungieren könnte, der seine Form verändert, um den Transport dieser Moleküle zwischen dem retinalen Pigmentepithel und den Photorezeptoren zu optimieren“, erörtert Dr. Vineeta Kaushik vom ICTER. Um zusätzliche Informationen über die Plastizität des Proteins zu erhalten, führten die Forscher molekulare Docking-Analysen durch. Diese wiesen auf das Vorhandensein von zwei Hauptbindungsstellen für Liganden hin. Die SAXS-Analyse zeigte, dass die Bindung von Fettsäuren wie DHA (Docosahexaensäure) nicht zu signifikanten Veränderungen in der Struktur von RBP3 führte. Das deute darauf hin, dass sich seine Rolle beim Transport dieser Moleküle von derjenigen der Retinoide unterscheiden könnte. RBP3 ist nicht nur passiver Transporter von Retinoiden, erörtern die Forscher, sondern ein aktiver, adaptiver Mechanismus, der die Zufuhr von Schlüsselmolekülen zu den Photorezeptoren genau regulieren kann. Das Verständnis dieser Dynamik könnte den Wissenschaftlern zufolge neue Wege für die Erforschung des Sehzyklus und potenzielle Therapien für degenerative Erkrankungen der Netzhaut eröffnen. „Dies ist erst der Anfang. Jetzt, da wir ein 3D-Modell von RBP3 haben, können wir untersuchen, wie genau es mit anderen Netzhautproteinen interagiert und wie wir diese Informationen nutzen können, um neue Behandlungen zu entwickeln“, schließt Fernandes. (SaS)
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