Molekularer Mechanismus der Charcot-Marie-Tooth Krankheit entdeckt9. Juni 2020 Foto: ©Elnur Amikishiyev – stock.adobe.com Bei hereditären Neuropathien wird durch eine genetische Mutation die isolierende Myelinschicht der peripheren Nerven nach und nach geschädigt. Zusammen mit internationalen Kollegen haben ForscherInnen vom Leibniz-Forschungsinstitut für Molekulare Pharmakologie einen molekularen Mechanismus der Erkrakung entdeckt. Daraus lassen sich möglicherweise auch neue Therapien ableiten. Unsere Nervenbahnen sind von einer Myelinschicht umhüllt, die dafür sorgt, dass Signale vom Gehirn blitzschnell an Muskeln und Organe weitergeleitet werden. Bei der großen Gruppe von angeborenen Neuropathien liegen jedoch genetisch bedingte Defekte in der Myelinisierung vor, sodass die Signalweiterleitung gestört ist. In der Folge kommt es zu diversen neurologischen Ausfällen an den peripheren Nerven und einer Degeneration der Axone. So auch beim Morbus Charcot-Marie-Tooth (CMT), der häufigsten hereditären Neuropathie. Einen besonders frühen Krankheitsbeginn zeigt der CMT-Typ 4B; Betroffene sind oft schon im Teenageralter auf den Rollstuhl angewiesen. Im schlimmsten Fall dehnt sich die Nervendegeneration auf die Atemwege aus und es kann zum Tod durch Atemstillstand kommen. Momentan gibt es keinerlei Aussicht auf Heilung. Unerwartete Interaktionspartner Umso wichtiger ist es, die noch weitgehend unbekannten molekularen Mechanismen der Erkrankung zu erforschen. Genau das haben WissenschaftlerInnen des Leibniz-Forschungsinstituts für Molekulare Pharmakologie (FMP) in Berlin zusammen mit den Forscherteams um Prof. Alessandra Bolino, Mailand, Prof. Arnaud Echard, Paris, und Prof. Genaro Patiño-López, Mexiko-Stadt, getan. Bei Forschungen zum Protein Rab35 entdeckte das Berliner Team um Linda Sawade und Prof. Volker Haucke mehr oder weniger zufällig, dass diese kleine GTPase, die in der Regulation des intrazellulären Membrantransports involviert ist, mit drei CMT-4B-assoziierten Proteinen interagiert: MTMR2, MTMR5 und MTMR13 funktionieren bei CMT-4B-Patienten aufgrund einer Genmutation nicht richtig oder fehlen ganz. Diese drei kritischen Proteine gehören zur Gruppe der Myotubularin Related(MTMR)-Phosphatidylinositol(PI)-Phosphatasen, die spezifisch die endosomalen Signallipide PI(3)P und PI(3,5)P2 an der 3‘-Phosphatgruppe hydrolysieren, also Phosphate von Lipiden abspalten. Rab35 reguliert Myelinscheidenformation „Wir konnten in unserer Arbeit zeigen, dass das Protein Rab35 das Längenwachstum der Myelinscheide reguliert, indem es die beiden Pseudophosphatasen MTMR13 und MTMR5 bindet und rekrutiert, und dadurch auch die mit ihnen im Komplex gebundene aktive Phosphatase MTMR2“, berichtet Sawade, Erstautorin der Studie. Dass Rab35 diesen gesamten Proteinkomplex bindet und somit eine wichtige Rolle bei der Regulierung der Myelinscheidenformation spielt, war neu. Bestätigt wurde der Fund an Knock-Out Mäusen, denen das Protein spezifisch in Schwann-Zellen fehlte, welche die Myelinscheiden im peripheren Nervensystem bilden. Das fehlende Rab35-Protein führte zu einer schweren Demyelinisierung der Myelinscheiden des Ischiasnerven. Inhibition von mTORC1 zeigt Wirkung Parallel dazu beobachteten die Forscher eine abnormal erhöhte Aktivität des mTORC1-Signalweges – einem der zentralen Signalverschaltungskomplexe für die Regulation der Myelinscheidenformation im Nervengewebe. Durch die medikamentöse Hemmung des hyperaktiven Signalkomplexes mit dem Wirkstoff Rapamycin konnten die Nervenschäden in den Knock-out-Mäusen jedoch teilweise wieder rückgängig gemacht werden. Weitere Experimente an kultivierten Zellen, in denen Rab35 unterdrückt wurde, untermauerten die positiven Effekte einer mTORC1-Inhibition auf die geschädigten Myelinsegmente. Zudem konnten die Forscher aus der Abwesenheit des Rab35-Proteins einen wichtigen Rückschluss ziehen: mTORC1 ist hyperaktiv, weil PI(3)-Phosphate nicht mehr reguliert werden, es kommt zu einer Akkumulation von PI(3)P- und PI(3,5)P2-Lipiden. „Wir vermuten, dass dieser pathologische Vorgang aus einer beeinträchtigten Rekrutierung von MTMR-Komplexen resultiert“, erläutert die Biochemikerin und Zellbiologin Sawade. „Das würde im Umkehrschluss bedeuten, dass Rab35 die Aktivität von mTORC1 normalerweise unterdrückt, in dem es MTMR-Phosphatasen zu Lysosomen rekrutiert.“ Bedeutung über die Grundlagenforschung hinaus Kurz zusammengefasst bedeuten die Ergebnisse für die Grundlagenforschung: Rab35 ist ein bisher unentdeckter Regulator der Myelinscheidenformation im peripheren Nervensystem und ein Repressor von mTORC1. Für CMT4B-Patienten haben die Ergebnisse abr auch eine hoffnungsvolle Bedeutung: Die therapeutische Behandlung mit mTORC1-inhibierenden Medikamenten wie Rapamycin könnte zu einer Verbesserung ihres Krankheitsverlaufs führen. Es wäre die erste Behandlungsoption für diese schwere Erkrankung. „Mit unserer Arbeit haben wir einen neuen molekularen Mechanismus von einer besonders schweren Form der erblichen Neuropathie aufgedeckt, der klinisch hoch relevant ist und den wir mit dem Mailänder Team um Alessandra Bolino nun noch tiefergehender erforschen wollen”, erklärte Arbeitsgruppenleiter Prof. Volker Haucke. Originalpublikation: Sawade L et al. Rab35-regulated lipid turnover by myotubularins represses mTORC1 activity and controls myelin. Nat Commun 2020;11(1):2835.
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