Morbus Parkinson: Biomarker sind der Schlüssel zu Früherkennung und neuen Therapien18. April 2025 Brit Mollenhauer, Chefärztin der Paracelsus-Elena-Klinik Kassel und Professorin für Translationale Biomarkerforschung für neurodegenerative Erkrankungen der Universitätsmedizin Göttingen widmet sich seit Jahren der Entwicklung von Biomarkern für Parkinson, um Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung in die klinische Anwendung zu überführen. (Quelle: Deutsche Gesellschaft für Parkinson und Bewegungsstörungen e.V.) Aktuell arbeitet die Forschung intensiv an ursächlichen Therapien für die Parkinson-Krankheit. Ein Schlüssel hierfür ist die Identifikation von Biomarkern, die eine frühe Diagnose ermöglichen. Anlässlich des Welt-Parkinson-Tages 2025 gab Prof. Brit Mollenhauer, dritte Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Parkinson und Bewegungsstörungen (DPG) einen Überblick über den aktuellen Forschungsstand. Die Biomarker-Forschung ist besonders für die Früherkennung der Parkinson-Krankheit von großer Bedeutung. Bislang basiert die Diagnose ausschließlich auf der Beobachtung typischer Symptome und neurologischen Untersuchungen. Ein Durchbruch könnte die verlässliche Identifikation spezifischer Proteine, darunter fehlgefaltetes alpha-Synuclein, im Nervenwasser oder Blut sein. So könnte die Erkrankung schon Jahre vor dem Auftreten erster klinischer Symptome diagnostiziert werden – eine wesentliche Voraussetzung für die Entwicklung präventiver Behandlungsansätze bei Parkinson. Ein Meilenstein der Biomarker-Forschung waren schon 2018 und im Mai 2023 die Ergebnisse einer Studie, an denen auch Mollenhauer beteiligt war: Mithilfe eines neuen Seed Amplification Assay (SAA) konnten Forschende erstmals fehlgefaltetes alpha-Synuclein in vivo im Liquor von Menschen mit Parkinson mit hoher Genauigkeit nachweisen.1 Mit einer Treffsicherheit von 97 Prozent zur Unterscheidung zwischen Parkinson-Erkrankten und Gesunden ist der Test sowohl hochsensitiv als auch hochspezifisch. Personen mit klaren Risikofaktoren, wie einer REM-Schlaf-Verhaltensstörung – einem Hinweis auf alpha-Synuclein-Aggregation im Gehirn – können bis zu zehn Jahre vor dem Auftreten motorischer Parkinson-Symptome im SAA-Test positiv sein. Bis vor kurzem konnte neuronales alpha-Synuclein nur post mortem gemessen werden. Der neue Test bedeutet einen Paradigmenwechsel in der Forschung: Eine aktuelle Studie schlägt vor, Parkinson als neuronale alpha-Synuclein-Krankheit neu zu definieren, unabhängig vom Vorliegen spezifischer klinischer Symptome, was eine frühzeitige Diagnose und Intervention ermöglichen könnte.2 Blutbasierte Proteinanalysen – Parkinson-Frühdiagnose in der Hausarztpraxis? Die Wissenschaft arbeitet nun intensiv daran, die Analyse so weiterzuentwickeln, dass sie auch im Blut oder in der Haut gelingt. „Wir brauchen ein Verfahren, das praktikabel ist für die klinische Anwendung. Risikopatientinnen und -patienten großflächig zur Liquorpunktion einzuladen, ist unrealistisch. Mit einem Bluttest könnte Parkinson ohne großen Aufwand dagegen schon in der Hausarztpraxis festgestellt werden, um dann frühzeitig mit einer Therapie zu beginnen“, erklärt Mollenhauer. Gemeinsam mit ihrem Team der Universitätsmedizin Göttingen hat sie in einem internationalen Kooperationsprojekt mit KI-Unterstützung einen Bluttest entwickelt, der die Parkinson-Erkrankung bei Risikopatientinnen und -patienten anhand von acht Proteinen bis zu sieben Jahre vor dem Auftreten motorischer Symptome vorhersagen kann.3 Diese Biomarker korrelieren mit Entzündungsprozessen und Proteinabbau-Mechanismen, die der Erkrankung zugrunde liegen. Der Test soll im nächsten Schritt für die klinische Anwendung weiterentwickelt werden. Eine andere Weiterentwicklung, an der Mollenhauer und ihr Team beteiligt waren, ist ein neuer synSAA, der in der Lage ist, verschiedene Arten von alpha-Synuclein-Pathologien zu unterscheiden: Lewy-Körperchen (typisch für Parkinson und Lewy-Körper-Demenz) und Gliazellen-Einschlüsse (typisch für Multisystematrophie, MSA).4 Blick ins Gehirn: Früherkennung mit bildgebenden Verfahren Neben molekularen Biomarkern, die systemische Veränderungen messen, könnten neue bildgebende Verfahren unter Einsatz von Biomarkern alpha-Synuclein-Aggregationen im Gehirn visualisieren und damit sogar noch größere Zeitfenster vor der klinischen Manifestation eröffnen, um neurodegenerative Prozesse frühzeitig zu stoppen. Der Positroen-Emissions-Tomographie-PET-Tracer [18F] ACI-12589 bindet spezifisch an alpha-Synuclein-Ablagerungen bei Menschen mit Multisystematrophie und ermöglicht so, diese von Gesunden und Betroffenen mit anderen neurodegenerativen Erkrankungen, einschließlich Parkinson, zu unterscheiden.5 Personalisierte Therapien: Genetik, Immunsystem, Mikrobiom und digitale Biomarker In der Therapieentwicklung dienen Biomarker als objektive Messgröße für klinische Studien und erlauben eine Stratifizierung von Patientengruppen nach genetischen Profilen – etwa Träger einer Mutation im GBA-Gen als wichtige genetische Risikovariante – und schaffen so die Grundlage für maßgeschneiderte Behandlungen. „Durch Identifikation von Biomarkern ist es möglich, zwischen den beteiligten Stoffwechselwegen und zugrundeliegenden Pathologien zu unterscheiden. So können nicht nur neue Wirkstofftargets sondern auch gezielt Betroffene identifiziert werden, die individuell besonders von einem bestimmten Therapieansatz profitieren“, erklärt Mollenhauer. Auch bei Patienten mit nicht genetisch bedingter Parkinson-Krankheit wird an Biomarkern geforscht. So könnte der Expertin zufolge ein besseres Verständnis der Rolle des Immunsystems bei Parkinson zu personalisierten Therapieansätzen führen, die auf die spezifischen Immunprofile der Betroffenen zugeschnitten sind. Eine Studie hat gezeigt, dass eine bestimmte Untergruppe von Immunzellen, CD8-TEMRA-Zellen, im Blut von Parkinson-Patienten im frühen bis mittleren Stadium vermehrt vorhanden und stärker differenziert sind als bei gesunden Kontrollpersonen.6 Veränderungen in der Zusammensetzung des Darmmikrobioms wurden als potenzielle mikrobielle Biomarker für Parkinson identifiziert und bieten Ansatzpunkte für personalisierte Diagnostik und Therapien.7 Auch digitale Biomarker spielen eine wichtige Rolle, um motorische und nichtmotorische Symptome als Grundlage für eine zielgerichtete Therapie objektiv zu erfassen. Präventiv-personalisierte Parkinson-Medizin „Wenn es gelingt, die Ergebnisse der Biomarker-Forschung für die klinischen Studien und weiter dann auch in der Routine zu validieren, wäre das ein entscheidender Schritt im Parkinson-Management von der rein symptomatischen hin zu einer präventiv-personalisierten Medizin“, erklärt Mollenhauer. „Schon heute lässt sich das Erkrankungsrisiko senken, durch körperliche Aktivität, die Vermeidung von langjährigen Umweltgiften, Schutz vor wiederholten Hirntraumata oder eine gesunde Darmflora, die mit einer entsprechenden Ernährung unterstützt wird. Ich halte es für realistisch, dass wir bis zum Jahr 2040 auch über krankheitsmodifizierende Therapien verfügen.“
Mehr erfahren zu: "Neuroblastom: Gezielte Diät verstärkt die Wirkung einer neuen Krebstherapie" Weiterlesen nach Anmeldung Neuroblastom: Gezielte Diät verstärkt die Wirkung einer neuen Krebstherapie Ein Forschungsteam der Universität Zürich und des Universitäts-Kinderspitals Zürich (Schweiz) hat einen neuen therapeutischen Ansatz für Neuroblastome entwickelt: Die Kombination eines Medikaments mit einer speziellen Diät bremst das Tumorwachstum und […]
Mehr erfahren zu: "Kritik an Apothekenreform: ALM sieht Gesundheitsversorgung gefährdet" Kritik an Apothekenreform: ALM sieht Gesundheitsversorgung gefährdet Die geplante Apothekenreform des Bundesgesundheitsministeriums greift nach Ansicht des Verbandes Akkreditierte Labore in der Medizin (ALM) unnötig in bewährte Versorgungsstrukturen ein. Patientenzentrierte und qualitätsorientierte Labordiagnostik sei integraler Bestandteil guter Medizin […]
Mehr erfahren zu: "Neugeborene zeigen höhere Tau-Spiegel als Alzheimer-Patienten" Neugeborene zeigen höhere Tau-Spiegel als Alzheimer-Patienten Neugeborene zeigen höhere Plasmaspiegel von phosphoryliertem Tau217 (p-Tau217) als Patienten mit Alzheimer-Demenz. Das geht aus einer Studie in „Brain Communications“ hervor. Die Autoren schließen daraus auf eine entscheidende Rolle der […]