Mütter mit Typ-1-Diabetes: Schützender Effekt auf kindliches Epigenom?

Ein mütterlicher Typ-1-Diabetes beeinflusst das Epigenom des Kindes. Symbolbild: Alexandra Gl/stock.adobe.com

Kinder von Müttern mit Typ-1-Diabetes weisen epigenetische Veränderungen in bestimmten Genregionen auf, die sie möglicherweise davor schützen, selbst zu erkranken. Sie scheinen vor allem das Risiko für Inselautoimmunität zu beeinflussen.

Kinder mit einer familiären Vorgeschichte von Typ-1-Diabetes (T1D) haben ein deutlich erhöhtes Risiko, selbst zu erkranken. Dennoch entwickeln Kinder von Müttern mit T1D seltener die Erkrankung als jene, deren Väter oder Geschwister betroffen sind.

Forschende des Helmholtz Munich, der Globalen Plattform zur Prävention des Autoimmunen Diabetes (GPPAD) und der Technischen Universität Dresden haben nun epigenetische Veränderungen im Blut von Kindern identifiziert, deren Mutter während der Schwangerschaft T1D hatte. Einige dieser Veränderungen werden mit einem reduzierten Risiko für Inselautoimmunität verbunden. Die Ergebnisse wurden nun in der Fachzeitschrift „Nature Metabolism“ veröffentlicht.

Risiko variiert je nach Familienmitglied

Kinder, deren Eltern oder Geschwister an T1D erkrankt sind, haben ein acht- bis fünfzehnfach erhöhtes Risiko, selbst an dieser Autoimmunerkrankung zu erkranken.

Dieses Risiko ist jedoch nicht gleichmäßig verteilt: Kinder von Müttern mit T1D haben ein geringeres Risiko, die Krankheit zu entwickeln, als Kinder mit einem betroffenen Vater oder Geschwistern. Interessanterweise wurde gezeigt, dass die genetische Veranlagung für T1D bei Nachkommen von Müttern und Vätern mit T1D vergleichbar ist. Daher vermuten Forschende seit Längerem, dass eine frühe epigenetische Programmierung ein Schlüsselfaktor für den schützenden Effekt des mütterlichen T1D sein könnte.

Veränderte Methylierung von Typ-1-Diabetes Risikogenen

Epigenetische Mechanismen wie die DNA-Methylierung bestimmen, welche Gene letztendlich abgelesen und exprimiert werden. Bedingungen wie das Rauchverhalten der Mutter, Erkrankungen, Stress oder Ernährung können zu Veränderungen im Methylierungsmuster der DNA führen. So können durch Umweltfaktoren im Mutterleib Gene an- oder abgeschaltet werden – mit weitreichenden Auswirkungen auf die Gesundheit des Kindes in frühen Lebensphasen und auch später. Auch bestimmte Bedingungen im Mutterleib einer Mutter mit T1D, das sogenannte intrauterine Umfeld, können so das Risiko des Kindes für Inselautoimmunität durch epigenetische Modifikationen beeinflussen.

„Wir haben Veränderungen der DNA-Methylierung an mehreren Typ-1-Diabetes-Risikogenen bei Kindern beobachtet, die von Müttern mit Typ-1-Diabetes geboren wurden“, sagt Prof. Sandra Hummel, Forscherin am Institut für Diabetesforschung bei Helmholtz Munich und Letztautorin der Studie.

Ihr Team untersuchte, wie sich ein mütterlicher T1D auf das Epigenom des Kindes auswirkt. In einer neuen Studie betrachteten die Forschenden das gesamte Epigenom von Kindern, deren Mütter an T1D erkrankt sind. Dabei identifizierten sie bestimmte DNA-Markierungen, die die Expression mehrerer Gene beeinflussen, welche eine zentrale Rolle für die Funktion des Immunsystems spielen.

Epigenetische Unterschiede in MHC-Region

Die Forschenden analysierten Blutproben von 1752 Kindern im Alter von etwa zwei Jahren aus den Kohorten der BABYDIAB-, BABYDIÄT- und POInT-Studie. Alle eingeschlossenen Kinder wiesen ein erhöhtes genetisches Risiko für T1D auf. Um Unterschiede im Zusammenhang mit dem mütterlichen Diabetes zu finden, verglichen sie die DNA-Methylierungsmuster von 790 Kindern mit einer an T1D erkrankten Mutter und 962 Kindern ohne.

„Unsere Analyse zeigt Unterschiede in der Methylierung zahlreicher genetischer Regionen bei Kindern von Müttern mit Typ-1-Diabetes, insbesondere im sogenannten HOXA-Gencluster sowie in der MHC-Region. Die MHC-Region gilt als wichtigstes Gen für die Anfälligkeit und Schutz gegenüber Typ-1-Diabetes. Zudem konnten wir bei diesen Kindern einen Zusammenhang zwischen epigenetischen Veränderungen und der Expression von 15 Risikogenen beobachten,“ erklärt Dr. Raffel Ott, leitender Wissenschaftler am Institut für Diabetesforschung und Erstautor der Studie.

Möglicher Schutz vor Inselautoimmunität

Um die Ergebnisse bei Kindern mit und ohne eine Mutter mit T1D vergleichen zu können, berechneten die Forschenden einen Methylierungs-Risiko-Score. Dieser beinhaltet 34 unterschiedlich methylierte Genorte, die mit einem erhöhten Typ-1-Diabetes-Risiko in Verbindung stehen und die Exposition gegenüber mütterlichem T1D am besten widerspiegelten. Es zeigte sich, dass Kinder, die bereits eine Inselautoimmunität entwickelt hatten, signifikant niedrigere Scores aufweisen. Das deutet auf weniger schützende epigenetische Modifikationen in ihrer DNA hin. Die Ergebnisse legen nahe, dass Umweltfaktoren das Risiko für Inselautoimmunität durch epigenetische Veränderungen an zentralen Risikogenen beeinflussen können.

Weitere Forschung zu Auswirkung von mütterlichem Diabetes

In einem Folgeprojekt unter der Leitung von Hummel wollen die Forschenden genauer untersuchen, was die relative Schutzwirkung von mütterlichem T1D ausmacht. Sie möchten herausfinden, welche Typ-1-Diabetes-Risikogene durch den mütterlichen Diabetes epigenetisch beeinflusst werden und ob ähnliche epigenetische Effekte auch bei Kindern von Müttern mit Schwangerschaftsdiabetes auftreten. Hierzu arbeitet das Team gemeinsam mit Prof. Ezio Bonifacio und Kollegen des Zentrums für Regenerative Therapien Dresden der Technischen Universität Dresden.

In Zusammenarbeit mit weiteren Forschenden von Helmholtz Munich wird das Projekt außerdem potenzielle Protein- und Metabolom-Biomarker untersuchen, die mit DNA-Methylierungsmustern in Zusammenhang stehen. Zudem soll erforscht werden, wie diese molekularen Veränderungen zum Schutz vor Inselautoimmunität beitragen. Hierzu analysieren die Forschenden Bioproben aus den GPPAD-Studien, den BABYDIAB- und BABYDIÄT-Kohorten sowie der Fr1da-Studie. Das Projekt wird vom Leona M. and Harry B. Helmsley Charitable Trust mit mehr als 550.000 US-Dollar gefördert.