Mukoviszidose: Betroffene können schon im Kindesalter ursächlich behandelt werden8. August 2022 Foto: © Zerbor/stock.adobe.com Ein vielversprechender neuer Behandlungsansatz bei Mukoviszidose ist eine Wirkstoffkombination, die den der Erkrankung zugrunde liegenden Defekt korrigiert. Sie konnte jedoch bisher nur bei Jugendlichen und Erwachsenen eingesetzt werden. Eine Studie belegt jetzt, dass auch Kinder im Grundschulalter von der Therapie profitieren. Erst seit wenigen Jahren gibt es mit CFTR-Modulatoren Medikamente, die nicht nur die Symptome, sondern den ursächlichen Defekt angreifen, indem sie die Funktion des Ionenkanals verbessern. Bei knapp 90 Prozent der Patienten mit Mukoviszidose wird der Kanal-Defekt durch eine F508del-Mutation ausgelöst. Seit August 2020 ist in Europa eine Kombination aus drei CFTR-Modulatoren (Elexacaftor/Tezacaftor/Ivacaftor) erhältlich, die die Funktion des Ionenkanals bei Erkrankten mit einer Kopie dieser Mutation auf etwa 50 Prozent des normalen Wertes anheben kann und so deren Lungenfunktion und Lebensqualität spürbar verbessert. „Das war ein Meilenstein in der Behandlung der Mukoviszidose“, erklärt Prof. Marcus Mall, Erstautor der nun veröffentlichten Studie und Direktor der Klinik für Pädiatrie mit Schwerpunkt Pneumologie, Immunologie und Intensivmedizin sowie des Christiane Herzog Mukoviszidose-Zentrums an der Charité. „Allerdings konnten bisher nur Betroffene ab zwölf Jahren behandelt werden, weil neue Medikamente traditionell erst bei Erwachsenen getestet und zugelassen werden. Wir wollen die ursächlich wirkende Therapie aber so früh wie möglich im Krankheitsverlauf verabreichen, um irreversible Schäden in der Lunge gar nicht erst entstehen zu lassen. Dazu müssen wir die Patientinnen und Patienten schon im Kindesalter behandeln. Dass das bei Grundschulkindern sicher möglich und sehr effektiv ist, konnten wir jetzt zeigen.“ Dazu untersuchte Mall zusammen mit internationalen Partnern in zehn Ländern die Effekte der Dreifachtherapie an 121 Kindern zwischen sechs und elf Jahren, die in ihrem Erbgut mindestens eine Kopie der F508del-Mutation, aufwiesen. Über etwa ein halbes Jahr hinweg erhielt rund die Hälfte der Betroffenen die Wirkstoffkombination, die andere Hälfte ein Placebo. „Diese Art der klinischen Studien sind in der Entwicklung von Medikamenten für Kinder leider noch viel zu selten“, sagt Einstein-Professor Mall, der auch die Mukoviszidose-Forschung im Deutschen Zentrum für Lungenforschung (DZL) leitet. „Häufig werden bei Kindern keine Kontrollgruppen untersucht, sondern von Studien mit Erwachsenen auf die Effekte bei Kindern geschlossen. Kinder sind aber keine kleinen Erwachsenen, deshalb sind hochqualitative Studien für die Entwicklung sicherer und wirksamer Medikamente sehr wichtig.“ In der aktuellen Studie zeigte sich, dass die Behandlung die Funktionsfähigkeit des CFTR-Ionenkanals signifikant erhöhte und so die Lungenfunktion und auch die Lebensqualität der Kinder verbesserte. Die Therapie zeigte insgesamt ein gutes Sicherheitsprofil und wurde von den Kindern gut vertragen. Die Nebenwirkungen entsprachen denen, die bereits bei älteren Erkrankten beobachtet worden waren. „Es hat mich überrascht und sehr erfreut zu sehen, dass die Kinder trotz des frühen Krankheitsstadiums und der kurzen Behandlungsdauer schon einen positiven Effekt bemerkten“, sagt Mall. „Diese Ergebnisse haben dazu beigetragen, dass die Europäische Arzneimittelagentur die Dreifachtherapie Anfang des Jahres auch für Kinder ab sechs Jahren zugelassen hat, sodass wir sie bereits jetzt ab diesem Alter einsetzen können. Ich erwarte, dass die nun mögliche frühere Behandlung des Basisdefekts den Gesundheitszustand von Patientinnen und Patienten mit Mukoviszidose langfristig erheblich verbessert.“ Im nächsten Schritt will das Forschungsteam prüfen, ob sich die Wirkstoffkombination für noch jüngere Kinder eignet. Denn die Mukoviszidose kann mittlerweile im Rahmen des Neugeborenenscreenings innerhalb der ersten Lebenswochen diagnostiziert werden. „Dadurch könnten wir Mukoviszidose-Betroffene heute schon im Neugeborenenalter ursächlich behandeln und so hoffentlich selbst frühe Schäden der Lunge und möglicherweise anderer betroffener Organe wie der Bauchspeicheldrüse verhindern. An dieses Alter tasten wir uns langsam heran. Aktuell prüfen wir die Sicherheit und Wirksamkeit der Dreifachtherapie bei Kindern zwischen zwei und fünf Jahren“, erklärt Mall. Es handelt sich um die erste randomisierte, doppelblinde, multizentrische Placebo-kontrollierte Studie, die die Wirksamkeit und Sicherheit der Dreifachtherapie aus Elexacaftor, Tezacaftor und Ivacaftor bei Kindern zwischen 6 und 11 Jahren mit einer Kopie der F508del-Mutation in Kombination mit einer zweiten CFTR-Mutation, die selbst nicht auf die Therapie anspricht, untersucht hat. Die Phase-IIIb-Studie wurde in 34 Studienzentren in Deutschland, Frankreich, Spanien, Dänemark, den Niederlanden, der Schweiz, Großbritannien, Australien, Kanada und Israel durchgeführt. Sie ist unter der Nummer NCT04353817 auf ClinicalTrials.gov registriert. Sponsor der Untersuchung ist Vertex Pharmaceuticals. Prof. Mall ist einer der drei internationalen Studienleiter.
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