Mukoviszidose: Nicht per se ein Risikofaktor für schwere COVID-19-Verläufe

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Auch bei der diesjährigen, virtuellen Deutschen Mukoviszidose-Tagung, zwischen dem 18 und dem 21. November stattfand, war COVID-19 ein Thema. In einem dieser Erkrankung bei Mukoviszidosepatienten gewidmeten Symposium präsentierte PD Dr. Lutz Nährlich von der Abteilung für Allgemeine Pädiatrie und Neonatologie des Universitätsklinikums Gießen deutsche, europäische und weltweite Zahlen zu diesem Thema.

Nährlich bilanzierte, dass COVID-19 bei Patienten mit Mukoviszidose (CF) bisher weniger häufig auftrete und auch einen besseren Verlauf zeige als zunächst befürchtet. Dennoch, so betonte er, handele es sich keineswegs um eine harmlose Erkrankung für Patienten mit Mukoviszidose. Nährlich appellierte, die AHA-L-Regeln auch in der CF-Versorgung bestmöglich umzusetzen, ebenso weiterhin die bestmögliche CF-Therapie und -Betreuung anzubieten und – wenn es so weit ist – einen raschen Zugang zu Impfungen für diese Patienten zu ermöglichen.

Als Datenbasis für Nährlichs Ausführungen dienten die COVID-19-Dokumentation im Rahmen des Deutschen Mukoviszidose-Registers, das COVID-CF-Project Europe bei der European Cystic Fibrosis Society (ECFSPR) sowie weltweite Zahlen aus einer aktuellen Publikation.

Im COVID-19-CF-Project in Europe werden ausschließlich bestätigte COVID-19-Fälle berücksichtigt. In seinem Vortrag bezog sich Nährlich auf diejenigen Patienten mit einem positiven PCR-Test.

Bis zum 10. November waren im Deutschen Mukoviszidose-Register ca. 770 Testungen dokumentiert. Von 742 Testungen mittels PCR fielen 20 positiv aus. Alle Altersgruppen waren von einer COVID-19-Erkrankung betroffen, in der Hauptsache jedoch die Gruppe der 30- bis 49-Jährigen (n=7). Auf 18- bis 29-Jährige entfielen 5 Fälle, auf die nächstjüngere Gruppe der 12- bis 17-Jährigen 4 Fälle. Bei der Analyse des zeitlichen Verlaufes zeigten sich Ähnlichkeiten mit der allgemeinen Entwicklung der Zahlen: ein Peak im April, seltenere Fälle in den Sommermonaten und ein erneuter Anstieg im Oktober.

Bei der Betrachtung der Symptome der von COVID-19 betroffenen CF-Patienten fallen laut Nährlich 35 Prozent auf, die keine Symptome aufwiesen. Fieber und Allgemeinsymptome waren bei der Hälfte der Patienten zu beobachten, pulmonale Symptome bei einem Drittel und gastrointestinale bei fünf bis zehn Prozent. Auffällig bei CF-Patienten sei, dass ein Verlust von Geschmacks- und/oder Geruchssinn im Zusammenhang mit COVID-19 kaum beobachtet wurde.

Der überwiegende Teil der CF-Patienten mit COVID-19 (n=14) konnte aufgrund der eher leichteren Erkrankung ambulant behandelt werden, während von den übrigen sechs vier auf Normalstation versorgt werden konnten und nur zwei auf eine Intensivstation verlegt werden mussten. Bis Mitte November war ein Patient (nach Lungentransplantation) verstorben, 15 Patienten waren bereits genesen und vier galten als noch erkrankt. Die deutschen Zahlen seien aber insgesamt zu gering, um Schlussfolgerungen zu ziehen, weshalb eine europäische Zusammenarbeit so wichtig sei, betonte Nährlich.

CF-Patienten mit COVID-19-Erkrankung in Europa

Die europäischen Länder mit einer hohen allgemeinen COVID-19-Fallhäufigkeit (Spanien, Italien, Frankreich, Großbritannien) stechen auch bei den ECFSPR-Daten hervor. Verzeichnet wurden 197 Fälle, fünf Todesfälle und damit eine Case-Fatility-Rate von 2,5 Prozent, die sehr an die in der Allgemeinbevölkerung beobachteten erinnerte.

Bei der demografischen Verteilung der CF-Patienten mit COVID-19 zeigte sich, dass zwei Drittel Erwachsene waren – mit einem Altersgipfel zwischen 18 und 39 Jahren – und ein Drittel Kinder und Jugendliche.

Im Vergleich zu Patienten aus dem ECFSPR-Register aus dem Jahr 2017 insgesamt falle auf, so Nährlich, dass die in diesem Jahr an COVID-19 erkrankten CF-Patienten besondere Charakteristika aufweisen: eine deutlich eingeschränkte Lungenfunktion (22% vs. ECFSPR-Daten 10%), eine chronische Pseudomonas-Infektion (47 vs. 30%) und ein CF-assoziierter Diabetes mellitus (26 vs. 16%). „Ganz massiv spielt die Lungentransplantation eine Rolle“, berichtete Nährlich – elf Prozent der an COVID-19 erkrankten CF-Patienten war lungentransplantiert, verglichen mit nur einem Prozent der allgemeinen CF-Population in Europa.

COVID-19 in der Allgemeinbevölkerung und bei CF: Vergleichbares Profil

Bei der Betrachtung der Symptome von COVID-19 bei CF-Patienten in Europa falle auf, dass der Anteil der asymptomatischen Betroffenen mit 20 Prozent deutlich niedriger sei als in Deutschland beobachtet. Nährlich brachte dies mit unterschiedlichen Teststrategien in Zusammenhang. 55 Prozent der CF-Patienten in der europäischen Datenerhebung litten an pulmonalen Symptomen und 60 Prozent an Fieber bzw. Myalgien. „Dabei ist gerade Fieber laut meiner Erfahrung bei CF-Patienten auch bei Exazerbationen eher selten. Deshalb ist dies für uns ein relevanter Hinweis“, betonte Nährlich. Von den 20 Prozent der CF-COVID-19-Patienten in Europa, die Symptome aufwiesen, wurden 46 Prozent hospitalisiert, 17 Prozent auf einer Intensivstation behandelt und 42 Prozent verstarben. „Das unterscheidet sich nicht so stark von den Zahlen aus der Allgemeinpopulation, die berichtet worden sind, auch wenn wir ein anderes Altersspektrum haben“, erklärte Nährlich. „Man kann also sagen: Wir haben bei CF – obwohl wir jüngere Patienten haben – ein vergleichbares Profil.“

Als Risikofaktoren für einen schweren COVID-19-Verlauf beziehungsweise eine Hospitalisierung ergaben sich in einer Analyse von 181 CF-Patienten weltweit (davon 32 organtransplantiert, 88 Hospitalisierungen, 11 auf Intensivstation, 7 Todesfälle) ein höheres Alter (>18 Jahre), ein CF-assoziierter Diabetes mellitus, eine geringe Lungenfunktion (<70% vom Soll) und Organtransplantation.

Die Inzidenzsituation sei weltweit sehr unterschiedlich, referierte Nährlich, und präsentierte aktuelle Zahlen aus einer Telefonkonferenz vom 19. November. Abgesehen von einer starken Dynamik bei der Entwicklung der Fallzahlen fielen auch große Differenzen beispielsweise zwischen den USA mit einer Inzidenz von 14,1/1000 im Vergleich zu Europa mit 5,91/1000 oder Australien von 0,95/1000 auf. Deutschland stehe mit einer Inzidenz von 3,3/1000 relativ gut da, unterstrich Nährlich.