Multiple Sklerose: Neue KI-gestützte Online-Plattform für stärker individualisierte Therapien

MRT-Bild des Gehirns einer Patientin mit MS. Die Nervenschädigungen sind als besonders helle Bereiche sichtbar. Foto. © Charité

Das Projekt „Clinical impact through AI-assisted MS care“ (CLAIMS) hat sich zum Ziel gesetzt, eine Diagnoseplattform zu entwickeln, die die Behandlung von Menschen mit Multipler Sklerose stärker personalisieren soll.

Multiple Sklerose (MS) gilt als die „Krankheit mit 1000 Gesichtern“. Die Komplexität der Erkrankung macht auch ihre Behandlung schwierig. Ein internationales Konsortium unter Leitung der Charité – Universitätsmedizin Berlin möchte das ändern: Es will eine KI-gestützte Online-Plattform entwickeln, die den Verlauf der MS individuell vorhersagen kann. Das soll es leichter machen, die jeweils beste Therapie festzulegen. Das Projekt CLAIMS wird jetzt im Rahmen der Innovative Health Initiative der EU für vier Jahre mit knapp zehn Millionen Euro gefördert.

Bei der MS greift das Immunsystem das zentrale Nervensystem an. Je nachdem, welche Nervenfasern geschädigt werden, kann das zu Sehstörungen, Sensibilitätsstörungen, Müdigkeit, Konzentrationsproblemen, motorischen und weiteren neurologischen Einschränkungen führen. Weltweit sind mehr als 2,8 Millionen Menschen von der schwerwiegenden Autoimmunkrankheit betroffen, in Deutschland sind es rund 250.000. Die meisten der Erkrankten (70–80 %) sind Frauen. Heilbar ist MS nicht, ihr Verlauf lässt sich jedoch mithilfe von Medikamenten und weiteren Maßnahmen günstig beeinflussen. Dafür ist es elementar, dass die Behandlung möglichst individuell zugeschnitten ist.

„Mit dem Projekt CLAIMS wollen wir die Behandlung von Menschen mit MS noch stärker personalisieren“, erklärt Prof. Friedemann Paul, Koordinator der Initiative und Direktor des Experimental and Clinical Research Center (ECRC), einer gemeinsamen Einrichtung von Charité und Max Delbrück Center. „Dazu werden wir Vorhersagemodelle entwickeln, die den Krankheitsverlauf für jede Patientin und jeden Patienten auf Basis der individuellen Daten prognostizieren und die Wirkung verschiedener Medikamente simulieren können. Wichtiger Bestandteil ist dabei die Einbeziehung der Betroffenen.“

15 Partner aus neun Ländern erforschen MS

Für die Entwicklung der Plattform vereint das Konsortium die klinische, wissenschaftliche, technische und kommunikative Expertise von 15 öffentlichen und privaten Partnern aus neun verschiedenen Ländern – von Klinika über Universitäten bis hin zu kleinen und großen Unternehmen sowie einer Stiftung. In die Algorithmen einfließen sollen klinische Daten wie MRT-Bilder und Ergebnisse aus Blut- und Augenuntersuchungen, und zwar über den Verlauf der Krankheit hinweg. Zusätzlich sollen Patienten über eine App selbst Angaben zu ihren Symptomen, ihrem Befinden und auch finanziellen Belastungen beitragen können. Die Informationen werden pseudonymisiert und datenschutzkonform übermittelt, analysiert werden sie mit neuesten Deep-Learning-basierten KI-Modellen. Die Plattform soll dabei auch zusätzlich bestehende Krankheiten berücksichtigen können.

Ziel ist ein möglichst umfassendes Bild der individuellen MS-Erkrankung. Gleichzeitig verspricht sich das Forschungsteam, noch mehr über MS zu erfahren – beispielsweise wie sie sich mit oder ohne Krankheitsschübe entwickelt. „Wir hoffen, dass der ganzheitliche Blick künftig ermöglicht, dass jeder und jede MS-Betroffene zum richtigen Zeitpunkt das richtige Medikament erhält“, erklärt Paul. „Ich bin überzeugt, dass wir so die Lebensqualität und Prognose der Menschen mit MS deutlich verbessern können.“