Multiplex-Netzwerk verbessert die Diagnose seltener Erkrankungen 12. November 2021 Graphik: © Pisanu Buphamalai, veröffentlicht in Nature Communications 2021. Mithilfe des Netzwerkes sollen zugrundeliegende Mechanismen seltener Erkrankungen besser verstanden und die ursächlichen Gendefekte leichter identifiziert werden. Seltene Erkrankungen sind meist auf einen einzelnen Gendefekt zurückzuführen. Dennoch gestaltet sich die Suche nach der Ursache und die Einschätzung der Auswirkungen als höchst komplex und schwierig. Prof. Jörg Menche, Wissenschaftler am CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, und sein Team entwickelten nun ein sogenanntes Multiplex-Netzwerk, das sämtliche Gene und ihre Interaktionen auf mehreren Ebenen abbildet und die Identifikation von Gendefekten sowie die Einschätzung ihrer Folgen verbessert. Dreimal höhere Wahrscheinlichkeit, ursächlichen Gendefekt zu identifizieren Menches Forschungsgruppe widmet sich bereits seit mehreren Jahren dem besseren Verständnis von genetischen Interaktionen mithilfe molekularer Netzwerkanalysen, um die Diagnose und Therapie seltener Erkrankungen zu verbessern. Für die aktuelle Studie baute Erstautor Pisanu Buphamalai, CeMM-PhD-Student der Forschungsgruppe von Menche, ein mehrschichtiges Netzwerk, das mehr als 20 Millionen Genbeziehungen mit Informationen über die Proteininteraktionen bis hin zu phänotypischen Ähnlichkeiten abbildet. Dafür integrierte der Wissenschaftler einen umfassenden Datensatz mit mehr als 3700 seltenen Krankheiten mit bekannter genetischer Grundlage. Studienleiter Menche erklärt: „Das Multiplex-Netzwerk integriert verschiedene Netzwerkschichten, die unterschiedliche Ebenen der biologischen Organisation unseres Körpers abbilden, vom Genom über das Transkriptom, Proteom bis hin zum Phänotyp. Durch die Abbildung der Proteininteraktionen und Mechanismen können wir auch jene Proteine besser charakterisieren, über deren Rolle bei seltenen Erkrankungen bisher wenig bekannt war, und so Gendefekten rascher auf die Spur kommen.“ Buphamalai ergänzt: „Wir orientieren uns an den Wechselwirkungen zwischen den Proteinen – sowohl auf physikalischer als auch auf funktioneller Ebene. So können Rückschlüsse auf das defekte Gen sowie damit verbundene Auswirkungen getroffen werden. Unser Multiplex-Netzwerk-Ansatz erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass wir die entscheidende Genabweichung finden, um ein Dreifaches im Vergleich zu getrennt betrachteten Netzwerken.“ Fortschritt für die Netzwerkmedizin: Genauere Analyse, bessere Prognose Das Multiplex-Netzwerk ermöglicht den Forschern zufolge durch seinen modularen Aufbau einerseits, die Auswirkungen einer bestimmten seltenen Krankheit auf eine bestimmte Ebene der biologischen Organisation zu quantifizieren. Das ermöglicht festzustellen, ob bestimmte Zellen, Gewebeformen, Organe etc. besonders durch einen Gendefekt beeinflusst sind. Andererseits lässt sich auch die Bedeutung von bestimmten molekularen Prozessen für eine Erkrankung messen. „Gerade durch seine Vielschichtigkeit, das Verknüpfen der molekularen Abläufe und Prozesse, ist unser Multiplex-Netzwerk deutlich leistungsstärker und erfolgreiche als einzelne Netzwerke. Auch Prognosen über mögliche Folgeerscheinungen des Gendefekts lassen sich damit besser treffen“, erklärt Menche. Auf seine Funktionalität erfolgreich überprüft wurde das Netzwerk in Zusammenarbeit mit Vanja Nagy, Principal Investigator am Ludwig Boltzmann Institute for Rare and Undiagnosed Diseases sowie CeMM Adjunct Principal Investigator, anhand der Daten von Patienten mit neurologischen Erkrankungen, deren zugrundeliegender Gendefekt bereits bekannt war. „Unsere Studie zeigt, wie ein riesiger Datensatz im Rahmen der Netzwerkmedizin genutzt werden kann, um mehrere praktische und konzeptionelle Herausforderungen in der Erforschung seltener Krankheiten zu bewältigen und so die Diagnose und Behandlung im Sinne der PatientInnen zu verbessern“, erkärt Menche. Originalpublikation: Buphamalai N et al. Network analysis reveals rare disease signatures across multiple levels of biological organization. Nat Commun, 9. November 2021
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