Multiplex-PCR abgewertet: Fachärztliche Labore kritisieren erneute Fehlsteuerung im Gesundheitswesen12. August 2025 Foto ©HappyLenses/stock.adobe.com Mit großer Sorge und deutlicher Kritik blicken der ALM und der BÄMI auf den jüngsten Beschluss des Bewertungsausschusses zur erneuten Abwertung der Multiplex-PCR. Die ab Oktober 2025 greifenden Änderungen sehen deutliche Kürzungen der Honorare und Höchstwerte vor und treffen damit ein zentrales diagnostisches Verfahren im Bereich der Infektionsmedizin. Aus Sicht der beiden fachärztlichen Berufsverbände, Akkreditierte Labore in der Medizin (ALM) und Berufsverband der Ärzte für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie (BÄMI), steht die Entscheidung exemplarisch für eine Entwicklung, in der wirtschaftliche Steuerung und innerärztliche Verteilungsfragen zunehmend vor medizinischer Notwendigkeit rangieren. Die Spirale fachärztlicher Abwertungen gefährdet die Qualität der medizinischen Versorgung und stellt die Wirtschaftlichkeit fachärztlicher Labore zunehmend infrage. Bereits im Vorfeld hatten ALM und BÄMI intensive Gespräche mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) geführt und konkrete Alternativen eingebracht – etwa eine altersdifferenzierte Höchstwertregelung und medizinisch differenzierte Anpassungen, die reale Einsparpotenziale bieten, ohne die Versorgung pauschal zu beschneiden. „Was als rein betriebswirtschaftlicher Korrekturmechanismus daherkommt, ist in Wahrheit ein gesundheitspolitisches Armutszeugnis, das die Patientenorientierung aus den Augen verliert. Die erst in der Corona-Pandemie zum Juli 2022 eingeführte Möglichkeit der gleichzeitigen Untersuchung von Patientenproben auf mehrere Erreger war eine wichtige und überfällige Verbesserung in der ambulanten Versorgung. Die jetzige Abwertung der Multiplex-PCR nach so kurzer Zeit, ohne die im Einführungsbeschluss vorgesehene Überprüfung der Entwicklung, reiht sich bedauerlicherweise ein in eine Spirale systematischer und eher anderen Interessen dienender Honorarkürzungen, die den fachärztlichen Laboren zunehmend die Luft abschnürt“, so Dr. Michael Müller, erster Vorsitzender des ALM. Infektionsmedizin braucht differenzierte Entscheidungen „Statt den medizinischen Nutzen und die differenzierte Diagnostik infektiöser Erkrankungen anzuerkennen, wird allein auf Mengenausweitungen geschaut – ohne die Rückgänge in anderen Bereichen, die medizinische Notwendigkeit sowie den Infektionsschutz angemessen zu berücksichtigen”, führt Müller fort. „Es wird außer Acht gelassen, dass in den Influenza-Wellen der Jahre immer ein nicht vorhersehbarer Anstieg des morbiditätsbedingten Behandlungsbedarfes entsteht, der dann eben auch extra zu vergüten ist. Das betrifft nicht nur die fachärztliche Labordiagnostik, sondern alle Haus- und Fachärzte gleichermaßen. Wir stimmen zu, dass in Zeiten knapper Kassen gut gehaushaltet werden muss. Gerade vor dem Hintergrund sollten zielgerichtete Maßnahmen gegenüber den pauschalierten Abwertungen der Vorzug gegeben werden.“ „Die Multiplex-PCR-Diagnostik ist medizinisch notwendig – gerade bei Kindern, immungeschwächten Patienten und im Kontext komplexer Differentialdiagnosen“, betont Dr. Daniela Huzly, Bundesvorsitzende des BÄMI. „Wer hier die Vergütung pauschal kürzt, gefährdet eine qualitätsgesicherte Versorgung und verhindert den gezielteren Einsatz von Antibiotika.“ „Die Steuerung medizinisch notwendiger fachärztlicher Diagnostik darf nicht allein auf die Labore abgewälzt werden“, ergänzt Prof. Jan Kramer, stellvertretender Vorsitzender des ALM. „Wer die Verantwortung für die Indikationsstellung ernsthaft wahrnehmen will, muss die Gesamtsystematik hinterfragen – und nicht an einem zentralen Instrument der Infektionsdiagnostik und damit auch des Infektionsschutzes den Rotstift ansetzen.“ Steigende Kosten, sinkende Vergütung – Labore wirtschaftlich unter Druck Neben der Kritik an der fehlgeleiteten Prioritätensetzung – Wirtschaftlichkeit vor medizinischer Notwendigkeit – betonen die Verbände auch die wirtschaftliche Schieflage, in die viele Labore durch den aktuellen Beschluss geraten. Mit Blick auf nachhaltig steigende Kosten und einen wachsenden Fachkräftebedarf seien weitere Honorarkürzungen schlicht nicht mehr tragbar. „Die Aussage ‚Es ist kein Geld da‘ ist keine valide Begründung für Maßnahmen, die langfristig die Versorgungssicherheit von Patientinnen und Patienten gefährden“, so Prof. Ralf Ignatius, stellvertretender Vorsitzender des BÄMI. „Statt weiter an der Honorarverteilung zu schrauben, braucht es eine faire und einheitliche Finanzierung – ohne regionale Verzerrungen durch Mechanismen des Honorarverteilungsmaßstabs.“ Die Verbände fordern: Sofortige Rücknahme der pauschalen Honorarkürzungen bei der Multiplex-PCR Anerkennung differenzierter medizinischer Erfordernisse, z. B. bei der Labordiagnostik in der Kinderheilkunde Einbezug medizinisch-wissenschaftlicher Empfehlungen in die Bewertung fachärztlicher Leistungen Faire, transparente und bundesweit einheitliche Honorarverteilung Die Labordiagnostik sei in erster Linie ein zentraler Pfeiler patientenzentrierter Medizin, betonen beide Verbände abschließend: „Die damit verbundenen Kosten sind mehr als überschaubar und fallen für die gesamte Versorgung der Bevölkerung mit circa 2,5 Prozent Anteil an den Gesamtgesundheitsausgaben im Jahr 2023 verschwindend gering aus. Wer jetzt spart, zahlt später – und das doppelt: in Form eines nicht mehr optimalen Infektionsschutzes, verschleppter Diagnosen, Über- oder Untertherapien, unnötiger Folgeerkrankungen und einem irreparablen Schaden für die Versorgung.“ Vor diesem Hintergrund überrascht es, dass aktuell in anderen Leistungsbereichen – wie aus nachvollziehbaren Gründen bei der humangenetischen Diagnostik – durchaus zusätzliche Mittel bereitgestellt werden, während in der Infektionsdiagnostik gekürzt wird.
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