Multiresistente Darmbakterien: Verdrängung durch Nahrungskonkurrenz7. Juli 2025 Elektronenmikroskopische Aufnahme des Escherichia-coli-Stammes, der multiresistente E.-coli-Stämme verdrängen kann. (© HZI/Mathias Müsken) Wie können potenziell gefährliche multiresistente Bakterien erfolgreich aus dem Darm verbannt werden? Dieser Frage sind Forschende des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) in Kooperation mit Forschenden der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) in einer aktuellen Studie nachgegangen. Der Ansatz der Wissenschaftler: Nahrungskonkurrenz. Aus mehr als 430 verschiedenen Escherichia-coli-Stämmen, die aus Stuhlproben von Spendern isoliert wurden, konnte die Arbeitsgruppe einige ausmachen, die die multiresistenten E.-coli-Stämme erfolgreich verdrängten. Ihre Ergebnisse stimmen die Forschenden optimistisch, dass ihr Forschungsansatz künftig dazu beitragen könnte, die Verbreitung multiresistenter Darmbakterien einzudämmen und gefährliche Infektionen zu verhindern. Die Studie ist in „Nature Communications“ erschienen. Sie entstand mit finanzieller Unterstützung des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF). Die meisten E.-coli-Stämme sind harmlos Dr. Marie Wende von der Abteilung Mikrobielle Immunregulation am HZI und Erstautorin der Studie beschreibt E. coli als „eine Art Nutznießer, der im Darm seine Nahrungsnische gefunden hat und sich dort dauerhaft ansiedeln kann“. Die Forscherin ergänzt: „Abgesehen von einigen Stämmen, die Magen-Darm-Infekte auslösen können, ist die Mehrzahl der E.-coli-Stämme im Darm eigentlich harmlos. Gelangen E.-coli-Bakterien jedoch in die Blutbahn, kann es gefährlich werden, da sie Organe schädigen oder zu einer Blutvergiftung führen können.“Mit der Gabe von Antibiotika können solche Infektionen aber in der Regel wirksam bekämpft werden – sofern es sich nicht um multiresistente E.-coli-Bakterien handelt, die gegenüber einer Vielzahl von Antibiotika unempfindlich sind. „Infektionen mit multiresistenten E.-coli-Bakterien führen weltweit zu rund 800.000 Toten jährlich. Das ist eine unglaublich hohe Zahl – hier besteht dringender Handlungsbedarf“, sagt Prof. Till Strowig, Leiter der HZI-Abteilung Mikrobielle Immunregulation und Letztautor der Studie. „Im Darm schlummernde multiresistente E.-coli-Bakterien sind ein Risiko, da es passieren kann, dass sie in den Blutkreislauf gelangen. Besonders gefährdet sind schwer oder chronisch Kranke sowie Menschen mit geschwächtem Immunsystem. Gegen eine Infektion mit multiresistenten E.-coli-Bakterien hilft dann als letzte Option im besten Fall noch ein Reserve-Antibiotikum.“ Doch Reserve-Antibiotika haben oftmals schwere Nebenwirkungen und sind nur begrenzt verfügbar. Konkurrenz aus den eigenen Reihen Sinnvoller und nachhaltiger wäre daher ein präventiver Ansatz, mit dem multiresistente E.-coli-Bakterien aus dem Darm entfernt werden, bevor es überhaupt zu Komplikationen kommen kann. Und genau hier setzt die aktuelle Studie an. Dabei machten sich die Forschenden den im Darm herrschenden Konkurrenzdruck um Nahrungsressourcen zunutze. Sie schickten mehr als 430 verschiedene E.-coli-Stämme, die die Forschenden aus Stuhlproben gesunder Spendern isoliert hatten, ins Rennen – oder besser gesagt in eine Art „Wettessen“ – gegen einen multiresistenten E.-coli-Stamm, der durch die Medizinische Mikrobiologie der MHH zur Verfügung gestellt wurde. In ihren umfangreichen Laborversuchen ließ das Forschungsteam jeweils einen der normalen E.-coli-Stämme gegen den multiresistenten Stamm antreten. Als Nahrungs- und Wachstumsmedium diente dabei Darminhalt steril gehaltener Mäuse. „Wir haben untersucht, ob und in welchem Ausmaß sich das Wachstum des multiresistenten Stamms in Gegenwart der jeweiligen anderen E.-coli-Stämme verändert“, erklärt Wende. „Einige Stämme konnten das Wachstum des multiresistenten Stamms tatsächlich stark hemmen und waren offensichtlich in der Lage, ihm die Nahrungsgrundlage zu entziehen.“Die vielversprechenden Nahrungskonkurrenz-Kandidaten haben die Forschenden in weiterführenden Untersuchungen im Mausmodell noch ein wenig näher unter die Lupe genommen. „Wir konnten zeigen, dass diese E.-coli-Stämme auch im Darm von Mäusen in der Lage waren, den multiresistenten E.-coli-Stamm erfolgreich einzudämmen“, sagt Wende. „Den wirksamsten Stamm testeten wir noch gegen einen weiteren multiresistenten Stamm. Den konnte er ebenso erfolgreich verdrängen.“ Gemeinsam noch stärker Um das Ausmaß der Schutzwirkung der E.-coli-Stämme weiter zu untersuchen, führten die Forschenden den gesamten zuvor genannten Versuchsablauf noch einmal durch. Jedoch testeten sie diesmal die drei erfolgreichsten E.-coli-Stämme gegen ein großes Spektrum multiresistenter E.-coli-Stämme. Und sie nahmen noch einen weiteren Mitstreiter auf: das Darmbakterium Klebsiella oxytoca, das ähnliche, aber nicht identische Nahrungsvorlieben wie E.-coli hat. „Unsere Hypothese war, dass die Kombination aus zwei verschiedenen Bakterienstämmen die Schutzwirkung gegenüber multiresistenten E.-coli-Stämmen gegebenenfalls noch verbessern könnte“, erklärt Wende. „Und das war tatsächlich der Fall: Die Kombination aus schützenden E.-coli und K. oxytoca erwies sich als äußerst wirksam gegen multiresistente E.-coli-Stämme, die durch einzelne E.-coli-Stämme nicht effizient verdrängt werden konnten. Durch die Kombination konnten sie im Mausmodell komplett eliminiert werden.“ Strowig: „Unsere Studie zeigt, dass spezifisch ausgewählte Bakterienstämme als Nahrungskonkurrenten in der Lage sind, multiresistente Erreger erfolgreich aus dem Darm zu verdrängen. Auf diese Weise könnten künftig gefährliche Infektionen bei vulnerablen Patientengruppen vermieden und auch die weitere Verbreitung multiresistenter Darmbakterien eingedämmt werden.“In weiterführenden Untersuchungen wollen die Forschenden die E.-coli-Stämme, die besonders wirksam multiresistente E.-coli-Stämme verdrängen konnten, im Detail charakterisieren. Sind sie ungefährlich oder scheiden sie für den Menschen schädliche Giftstoffe aus? Werden sie durch das Immunsystem erkannt, oder können sie leicht entwischen? Verändert sich ihre Wirkung gegen multiresistente Erreger in Gegenwart anderer Bakterien des Mikrobioms? Und: Werden sie womöglich leicht selbst resistent gegenüber Antibiotika? Strowig: „Diesen Fragen wollen wir umfassend nachgehen. Bis ausgewählte E.-coli-Stämme als Nahrungskonkurrenten präventiv oder therapeutisch gegen multiresistente E.-coli-Stämme eingesetzt werden können, ist noch einiges an Forschungsarbeit notwendig.“
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