Mundhöhlenkrebs und Mikrobiom: Neue Einblicke in Mechanismen des Tumorwachstums

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Das orale Mikrobiom spielt eine entscheidende Rolle bei der Progression des oralen Plattenepithelkarzinoms (OSCC). Eine aktuelle Studie konnte Interaktionen zwischen einem Bakterium und Wirtszellen und damit Stoffwechselwege und -mechanismen aufdecken, die sich als potenzielle therapeutische Ziele eignen könnten.

Das OSCC ist nach wie vor eine der häufigsten und aggressivsten Formen von Mundhöhlenkrebs, oft mit schlechter Prognose. Während Risikofaktoren wie Tabak- und Alkoholkonsum seit langem bekannt sind, gibt es immer mehr Forschungsergebnisse, die auf eine bedeutende Rolle der oralen Mikrobiota bei der Krebsentstehung hinweisen. So beeinflusst ein Ungleichgewicht im oralen Mikrobiom, insbesondere durch parodontale Pathogene, die Entwicklung von OSCC. Die spezifischen Mechanismen, wie orale Bakterien mit Wirtszellen interagieren und sich auf das Tumorwachstum auswirken, waren bislang weitgehend unklar.

Jetzt konnten Forschende der Universidad de Concepción in Chile diese Wissenslücke schließen, indem sie das Proteom von Mundhöhlenkrebs analysiert haben. Die Studie konnte zeigen, wie Fusobacterium nucleatum, ein häufig in der Mundhöhle vorkommendes Bakterium, mit Wirtszellen interagiert und Wachstum sowie Progression von Tumoren durch verschiedene Stoffwechselwege fördert.

Das Team führte eine umfassende Proteomanalyse durch und verglich das Sekretom von Biopsieproben von OSCC-Patienten mit dem von gesunden Kontrollpersonen. Ihre Ergebnisse zeigten eine signifikante Hochregulierung von Wirtsproteinen, die mit der Immunantwort auf Lipopolysaccharid (LPS), der Zellmigration und dem Aminosäurestoffwechsel in den Krebsproben zusammenhängen.

Fusobacterium nucleatum kam in OSCC-Geweben besonders häufig vor und war aktiv an der Umwandlung von L-Glutamat in Butyrat beteiligt, das bekanntermaßen die Vermehrung von Krebszellen fördert. Darüber hinaus modulierte das Bakterium den Cystin-Glutamat-Antiporter und steigerte dessen Aktivität, um die bakterielle Infektion zu verstärken und die epithelial-mesenchymale Transition (EMT) zu fördern. Auch dieser Prozess ist für die Ausbreitung von Krebs entscheidend. Dieses komplexe Zusammenspiel zwischen oralen Bakterien und Krebszellen liefert neue Einblicke in die molekularen Mechanismen von OSCC und damit neue Therapieansätze.

Studienleiterin Dr. Estefanía Nova-Lamperti betonte die Bedeutung dieser Ergebnisse und erklärte: „Das Verständnis der komplizierten Wechselwirkungen zwischen oralen Bakterien und Krebszellen ist für die Weiterentwicklung unseres Ansatzes zur Krebsbehandlung von entscheidender Bedeutung.“ Die Studie zu Fusobacterium nucleatum liefere ein tieferes Verständnis dafür, wie das orale Mikrobiom das Fortschreiten von OSCC beeinflusst. Die Ergebnisse böten zudem neues Potenzial für gezielte Therapien, so Nova-Lamperti weiter, die betonte. „Indem wir uns auf bestimmte Stoffwechselwege konzentrieren, können wir die Krebsprogression hemmen und die Ergebnisse für die Patienten verbessern.“ Ihre Forschung unterstreiche die Notwendigkeit, Faktoren des Mikrobioms in die Krebsbiologie und die Behandlungsstrategien zu integrieren.

Nach Ansicht der Autoren haben ihre Ergebnisse weitreichende Auswirkungen auf künftige Diagnose und Behandlung von OSCC. Die gezielte Beeinflussung der Stoffwechselwege durch Fusobacterium nucleatum könnte der Schlüssel zu besseren Therapien sein. Darüber hinaus unterstreiche die Studie die Bedeutung guter Mundhygiene ist, um eine Dysbiose zu verhindern, die zur Krebsentstehung beitragen könnte. Mit Blick auf die Zukunft öffnen diese Ergebnisse die Tür für die Erforschung der Rolle des oralen Mikrobioms bei anderen Krebsarten. Letztlich unterstreiche ihre die Notwendigkeit eines umfassenderen Verständnisses von Krebs, das die komplexen Wechselwirkungen zwischen dem Mikrobiom und den Wirtszellen berücksichtige, so das Fazit der Autoren.