Muskelaufbau im Computer: Internationales Team will Entstehung von Myofibrillen enträtseln15. Juni 2018 Benjamin Friedrich, Guppenleiter Biological Algorithms Group. (Foto: Katharina Knaut) Wie sich der Bizeps anspannt, ist heute kein Geheimnis mehr. Verantwortlich sind Myofibrillen in jeder Muskelzelle, die sich zeitgleich zusammenziehen. Jede dieser Fibrillen stellt ein exaktes Muster aus Hunderten gleich aufgebauten Einheiten dar, bestehend aus verschiedenen Eiweißmolekülen. Wie sich jedoch diese einzelnen Bausteine während der Embryonalentwicklung oder bei Heilungsprozessen wie von selbst zu hoch regulären Mustern anordnen, ist bisher nicht verstanden. Ein interdisziplinäres Team hat nun beim „Human Frontier Science Program“ einen Forschungsauftrag eingeworben, um dieser Frage nachzugehen. Myofibrillen unter dem Mikroskop. Deutlich sichtbar ist die hoch-reguläre Struktur mit einem periodischen Muster aus Aktin-Biopolymeren (rot), molekularen Motoren (grün) und Verbindungseiweißen (blau). Bei Aktivierung zieht sich jede einzelne der periodischen Strukturen durch die Kraft der molekularen Motoren zusammen (Bild: TU Dresden) Die Kontraktion eines Muskels entsteht, indem sich in jeder einzelnen Muskelzelle Myofibrillen gleichzeitig zusammenziehen. Wenn die Funktion dieser mikroskopischen Myofibrillen gestört ist, hat dies schwerwiegende Krankheiten wie Muskelschwächen zur Folge. Trotz der medizinischen Bedeutung der Myofibrillen ist noch nicht verstanden, wie diese komplizierten Kraftmaschinen im Körper zusammengebaut werden. Biologen und Mediziner konnten die einzelnen Bausteine identifizieren, aus denen jede einzelne Myofibrille besteht (darunter die größten Eiweißmoleküle der Welt), und wie diese in der fertigen Myofibrille angeordnet sind. In der reifen Myofibrille wechseln sich ein Gerüst aus elastischen Biofilamenten und sogenannte molekulare Motoren ab, die chemische Energie in mechanische Arbeit umwandeln. Diese Anordnung ist so regelmäßig wie in einem Kristall und ermöglicht es, effektiv schnell große Kräfte zu erzeugen. Wie sich jedoch die einzelnen Bausteine der Myofibrillen während der Embryonal-Entwicklung oder bei Heilungsprozessen (z.B. nach Sportverletzungen) wie von selbst zu derart hoch-regulären Mustern anordnen, wird in der Wissenschaft nach wie vor kontrovers diskutiert. Um diesem Geheimnis auf die Spur zu kommen, braucht es die Zusammenarbeit von verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen. Ein interdisziplinäres Team unter der Führung des Biologen Frank Schnorrer (Developmental Biology Institute of Marseille – IBDM), sowie des Mediziners Olivier Pourquie (Harvard Medical School) und des Physikers Benjamin Friedrich (Center for Advancing Electronics Dresden – cfaed, TU Dresden) wurde nun vom international agierenden „Human Frontier Science Program“ mit einem Forschungsauftrag ausgezeichnet, um dieser Frage nachzugehen. Der Auftrag ist mit einem Volumen von über einer Million US-Dollar dotiert, die Laufzeit beträgt drei Jahre. Die Gruppe um Frank Schnorrer wird am Modellorganismus der Fruchtfliege mit hochaufgelöster Videomikroskopie die einzelnen Stadien der Musterbildung verfolgen. Die Fruchtfliegen sind genetisch verändert, so dass einzelne Moleküle sichtbar gemacht werden können, oder aber auch gezielt ausgeschaltet werden können. Zum Einsatz kommen sollen dabei auch neuartige Biomoleküle, die fluoreszent aufleuchten, wenn sie unter mechanische Spannung gesetzt werden und es so erlauben, winzige Kräfte präzise zu vermessen. Damit kann nun erstmalig untersucht werden, wie das Entstehen regelmäßiger Strukturen und die Erzeugung mechanischer Kräfte während des Selbst-Zusammenbaus von Myofibrillen Hand in Hand gehen. Oliver Pourquies Team wiederum verwendet menschliche Stammzellen, die in der Petrischale zu Muskelzellen differenziert werden. Damit ist es möglich, die an der Fruchtfliege gewonnen Erkenntnisse direkt an Säugetier-Zellen zu testen, ohne dass Tierexperimente nötig sind. Um die so gewonnen Daten auszuwerten, sind neuartige Bildverarbeitungs- und Analysealgorithmen nötig, die in der Gruppe von Benjamin Friedrich entwickelt werden. Hierbei spielen insbesondere physikalische Konzepte aus der Physik weicher kondensierter Materie (also z.B. Ordnungszustände von Flüssigkristallen, wie sie sich in LCD-Bildschirmen befinden) eine wichtige Rolle. Ausgehend von den biologischen Daten sollen Computermodelle entwickelt werden, die verschiedene Varianten für den Musterbildungsprozess der Myofibrillen abbilden. Anhand dieser Simulationen lassen sich Vorhersagen treffen, die dann wieder in Experimenten getestet werden. Diese neuen Erkenntnisse fließen anschließend erneut in die Computermodelle ein, so kann schrittweise ein umfassendes Verständnis für die physikalischen Mechanismen des spontanen Zusammenbaus der Myofibrillen gewonnen werden.
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