Musterprozess des BFAV: Klage gegen „TI-Zwangsanschluss“

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Der Bayerische Facharztverband (BFAV) klagt vor dem Sozialgericht München in einem Musterprozess gegen den Honorarabzug bei Verweigerung des Zwangsanschlusses an die Telematik-Infrastruktur (TI).

Aktuell verweigern in Bayern laut Mitteilung des BFAV 4844 Ärzte und Psychotherapeuten zum Schutz ihrer Patientendaten den von der Kassenärztlichen Vereinigung auf Anordnung des Bundesgesundheitsministeriums “erzwungenen Anschluss aller Praxen an die Telematik-Infrastruktur”. Dies sei, Stand Juli 2020, rund ein Viertel aller niedergelassenen bayerischen Ärzte und Psychotherapeuten. Seit Januar 2019 würden die Verweigerer deshalb durch ein Prozent Abzug vom erarbeiteten Gesamthonorar aus der kassenärztlichen Tätigkeit abgestraft. Seit dem 1. April dieses Jahres sei das Honorar gar um 2,5 Prozent gekürzt.

Vertreten von RA Dr. Helmut Redeker, IT-Recht-Spezialist aus Bonn, hat deshalb stellvertretend das BFAV-Vorstandsmitglied Dr. Gernot Petzold, niedergelassener Augenarzt in Kulmbach, am 1. September Klage gegen die – aus Sicht des Bayerischen Facharztverbandes und der betroffenen Kollegen unrechtmäßige – Kürzung des kassenärztlichen Gesamthonorars beim Sozialgericht München erhoben. Der BFAV erklärt, er unterstütze diesen Musterprozess.

Schweigepflicht ausgehebelt
Die Ärzte und Psychotherapeuten haben nach Ansicht des BFAV gute Gründe, warum sie den Anschluss an die Telematikinfrastruktur verweigern: Sie würden dies in erster Linie für ihre Patienten tun. Die ärztliche Schweigepflicht sei eines der höchsten Rechtsgüter in der Arzt-Patienten-Beziehung. Die ärztliche Schweigepflicht umfasse äußerst sensible Daten wie Anamnese, Befunde und Diagnosen des Patienten. Durch den Anschluss an die Telematik-Infrastruktur werde diese ärztliche Schweigepflicht ausgehebelt, da ohne Widerspruchsrecht des Patienten Mitteilungen über den Patienten aus der Praxis-Software des Arztes an einen unbekannten Zentralserver über einen vom Arzt nicht zu beeinflussenden und zu kontrollierenden Konnektor weitergeleitet würden.

Neben der ärztlichen Schweigepflicht würden durch den Anschluss an die Telematik-Infrastruktur nach Auffassung des BFAV auch andere Rechtsnormen verletzt – so zum einen die Datenschutzgrundverordnung (DSVGO), zum anderen das ärztliche Berufsrecht. Zweifel an der Vereinbarkeit dieser Telematik-Infrastruktur und der damit verbundenen elektronischen Patientenakte habe deshalb kürzlich auch der Datenschutzbeauftragte des Bundes, Prof. Ulrich Kelber, geäußert.

Ebenso hätten in der Vergangenheit die Kassenärztliche Vereinigung Bayern (KVB) und die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) mehrere Aspekte des Telematik-Infrastruktur-Zwangsanschlusses kritisiert, erinnert der BFAV, dies aber sei bislang leider vergeblich gewesen. „Wir hoffen, dass wir auf dem Klageweg mit unserem Anliegen endlich im Bundesgesundheitsministerium Gehör finden und die ungerechtfertigten Repressalien gegen die Kollegenschaft ein Ende finden“, so Petzold.